# taz.de -- Nach der Polizeigewalt in Schweden: Geplatzter Sack und läutende Glocken
       
       > Nach dem brutalen Einsatz gegen Nazigegner in Malmö hat sich die Polizei
       > entschuldigt. Tausende fordern eine Strafanzeige gegen die
       > Verantwortlichen.
       
 (IMG) Bild: Anhänger der neonazistischen „Svenskarnas Parti“.
       
       STOCKHOLM taz | „Der Chirurg sagt, dass ich den Finger nie mehr richtig
       bewegen können werde.“ Mehdi hat Verletzungen und blaue Flecken im Gesicht
       und am ganzen Körper, ein Arm und eine Hand sind bandagiert. Mehrere
       Polizeipferde trampelten über ihn hinweg. Dabei wurde auch sein Hodensack
       von Hufen getroffen und platzte auf: „Mir blieb die Luft weg, es hat
       verdammt wehgetan.“
       
       Der Hodensack musste mit sechs Stichen genäht werden. Ein Handchirurg will
       versuchen, so viel an Beweglichkeit wie möglich für seinen kompliziert
       gebrochenen Finger zu retten. Mehdi ist 50 Jahre alt, Vater von zwei
       Kindern und will nicht, dass sein Nachname oder Foto in der Zeitung
       erscheint. Er ist eines der Opfer des [1][brutalen Einsatzes der
       schwedischen Polizei am Wochenende in Malmö].
       
       Bei der Kundgebung gegen die Veranstaltung der neonazistischen „Svenskarnas
       Parti“ habe er am Absperrgitter gestanden, sagt Mehdi: „Da sah ich, wie ein
       Polizist auf eine etwa 20-jährige Frau einschlug, die daraufhin blutend zu
       Boden fiel. Gleichzeitig begannen die Pferde zu galoppieren. Ich stürzte
       hin, um sie vor den Hufen wegzuziehen. Dabei fiel ich selbst hin.“
       
       Zwei oder dreimal seien die Pferde dann über ihn hinweggeritten, bevor
       Demonstrationsteilnehmer ihn wegtragen konnten. „Ich komme aus dem Iran“,
       sagt Mehdi, „ich will meine demokratischen Rechte wahrnehmen. Ich habe
       schon öfter gegen Rassismus demonstriert, aber so etwas habe ich noch nie
       erlebt. Polizisten auf Pferden schlugen mit ihren Peitschen auf
       Demonstranten ein. Leben wir denn im 18. Jahrhundert?“
       
       Die Polizei hat sich mittlerweile entschuldigt. Von einem „misslungenen
       Einsatz“ spricht die stellvertretende Einsatzchefin Susanna Trehörning. Sie
       gibt auch zu, dass die Polizei gelogen habe, als sie zunächst versuchte,
       den brutalen Einsatz mit berittener Polizei auf angebliche Gewaltanwendung
       seitens der Demonstranten zu schieben. Die hatte es nämlich nicht gegeben,
       wie die rund zwei Dutzend vor Ort anwesenden JournalistInnen
       übereinstimmend bestätigen. Entgegen der Behauptung der Polizei war auch
       keine einzige Ambulanz bei der Arbeit behindert worden. Die Lügen der
       Polizei entschuldigte ein Polizeisprecher mit „Missverständnissen“.
       
       ## Kirche lässt „Schindlers Liste“ erklingen
       
       Justizministerin Beatrice Ask forderte mittlerweile eine Untersuchung und
       auch die Staatsanwaltschaft wird sich mit dem Einsatz beschäftigen. Eine
       Petition für eine Strafanzeige wegen Körperverletzung und versuchten
       Totschlags wurde mittlerweile von über 4.700 Personen unterschrieben.
       
       Bildsequenzen von Fotojournalisten beweisen nicht nur den rücksichtslosen
       Einsatz der berittenen Polizei, sondern auch, wie ein Polizeibus extra
       einen gezielten Schwenk nach links machte, um einen friedlich auf der
       Strasse stehenden Demonstranten umzufahren. Dem Mann wurde dabei ein Bein
       gebrochen.
       
       Die Wahlveranstaltungen der „Svenskarnas Parti“ gehen mittlerweile ebenso
       weiter wie die Proteste dagegen. Am Dienstag erklang bei der Kundgebung der
       Neonazis vom Glockenspiel des Rathauses der Stadt Norrköping demonstrativ
       die Filmmusik von „Schindlers Liste“. Im ganzen Land sind viele
       Kirchengemeinden dazu übergegangen, während der Veranstaltungen der
       Neonazis die Glocken läuten zu lassen – bis zu zwei Stunden lang.
       Glockenläuten ist ein traditionelles Signal für „Gefahr im Verzug“.
       
       Antje Jackelén, Erzbischöfin der schwedischen Kirche, hat solchen Gebrauch
       abgesegnet: „Wenn es um Rassismus und Faschismus geht, ist es wichtig, mit
       Kraft und Kreativität Zeichen zu setzen“, erklärte das [2][deutschstämmige]
       Kirchenoberhaupt: „Ein gutes Prinzip ist aber, dass wir nicht gegen,
       sondern für etwas läuten: In diesem Fall für unsere christliche
       Überzeugung, dass alle Menschen den gleichen Wert haben.“
       
       27 Aug 2014
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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