# taz.de -- US-Serie „The Leftovers“: Ene, mene, muh …
       
       > In der US-Serie „The Leftovers“ verschwinden Millionen Menschen und das
       > kleinbürgerliche Idyll erodiert. Im Herbst kommt sie nach Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Keine Befreiung: Szene aus „The Leftovers“.
       
       Das Baby auf dem Rücksitz des Autos. Eben hat es noch energisch vor sich
       hingeschrien – zack, Baby weg. Ein Junge war gerade noch mit Papa beim
       Einkaufen – zack, Papa weg. Ein Pärchen beim Kuschelsex – zack! In „The
       Leftovers“, einer weiteren aufwendigen Produktion des Senders HBO,
       verschwinden von einem Moment auf den anderen 2 Prozent der
       Weltbevölkerung, 140 Millionen Menschen sind plötzlich weg
       
       Sehr viele Familien werden in „The Leftovers“ innerhalb eines Augenblicks
       zerstört – und damit auch die von Konservativen so umhegte „Keimzelle
       unserer Gesellschaft“. Eigentlich also ein Grund zur Freude, war die
       amerikanische Kleinfamilie doch das überstrapazierte Zentrum der jüngsten
       Filmproduktionen: vom apokalyptischen Endzeitblockbuster, in dem Tom Cruise
       in der größten Ödnis noch ein Idyll findet, wo er seine Baseball-Mütze
       aufsetzen und das Patriarchat restaurieren kann, bis hin zu
       Serienproduktionen wie „The Americans“, in der der Kalte Krieg so schamlos
       zur Dramatisierung einer Ehekrise benutzt wird, wie es sich seit Alfred
       Hitchcocks Film „Topaz“ niemand mehr getraut hat.
       
       Es kriselt gewaltig in der Welt. Aber erst wenn auch das heimelige Reich
       bedroht ist, verstehen die vor dem Bildschirm, dass es ums Ganze geht. In
       „The Leftovers“ hat dieser Rückzugsort schlagartig seine Bedeutung
       verloren. Das ist aber keine Befreiung, denn die Menschen werden mit diesem
       unerklärlichen Trauma nicht fertig. „Hast du jemanden verloren?“ ist ihr
       neues „Wie geht’s?“.
       
       Um die Gleichung Familie gleich weltliche Ordnung überdeutlich zu machen,
       dreht sich die Serie vor allem um die Familie des Kleinstadt-Polizeichefs
       Kevin Garvey. Garvey ist Alkoholiker, Choleriker und vollkommen unfähig,
       mit seiner Tochter Jill auch nur einen vernünftigen Satz zu wechseln (stets
       überfordert und bemitleidenswert dreinschauend: Justin Theroux).
       
       ## Die Sekte als Anlaufstelle geschiedener Frauen
       
       Sein Problem: Seine Frau Laurie (hin- und hergerissen zwischen Empathie und
       Kälte: Amy Brenneman) hat sich einer Sekte angeschlossen. Deren Mitglieder
       wohnen in einem eigenen Häuserblock, ziehen nur weiße Klamotten an, haben
       das Sprechen eingestellt und rauchen dafür Kette. Bei Gedenkveranstaltungen
       halten sie Schilder in die Luft: „Stop wasting your breath!“ Hört auf mit
       dem Atmen, es ist eh alles sinnlos. Ebenso seltsam ist die Rolle des
       Wunderheilers „Holy Wayne“, dem sich Garveys Stiefsohn angeschlossen hat.
       Ein mysteriöser schwarzer Mann, der alle weißen Stadtbewohner, die es sich
       leisten können, durch eine Umarmung von ihrer Trauer erlösen kann.
       
       All das basiert auf dem gleichnamigen Buch des amerikanischen
       Schriftstellers Tom Perrotta („Die Verlassenen“). Drehbuchautor Damon
       Lindelof, Koautor der Serie „Lost“, hat diese Seltsamkeit sofort umgehauen.
       Und nach 121 Folgen Rätselraten in „Lost“ hat er bereits angekündigt, dass
       es für das mysteriöse Verschwinden in „The Leftovers“ keinerlei Erklärung
       geben werde.
       
       Was verlockend klingt, ist gleichzeitig das größte Problem der Serie. Denn
       für wen die Vergangenheit ein unerklärliches Trauma bleibt, für den muss es
       auch die Gegenwart bleiben: Kevin und die Erwachsenen in Mapleton
       versuchen, das Geschehene in neuen Beziehungen zu kompensieren und ernähren
       sich von Alkohol und Pillen. Ihre Kids spielen aufgepeppte Versionen von
       Flaschendrehen oder testen, wer es am längsten im Kühlschrank aushält.
       
       In „The Leftovers“ schaut man so vor allem zu, wie die Sekte als
       Anlaufstelle geschiedener Frauen (krasse Augenringe: Liv Tyler) immer
       stärker in den Fokus verzweifelter Männer rückt, die ihre Ordnung, wie
       kaputt sie auch immer sein mag, mit aller Gewalt verteidigen wollen.
       
       Es ist also gar nicht so anders als jenseits des Bildschirms. Trotzdem
       schauen die Serie in den USA um die acht Millionen Menschen. In Deutschland
       läuft die erste Staffel – eine zweite ist in Auftrag gegeben – ab dem 24.
       Oktober bei Sky Atlantic HD.
       
       7 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Dörfler
       
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