# taz.de -- Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ...
       
       > ... verliert sein traditionell wichtigstes Medium zur Kontaktaufnahme:
       > die Kleinanzeige. Die neuen Datingportale sind unschlagbar schnell.
       
 (IMG) Bild: Wo stehen diese Männer?
       
       … verliert unwiederbringlich sein traditionell wichtigstes Medium zur
       Kontaktaufnahme: die Kleinanzeige. Netzwerke wie GayRomeo oder Grindr haben
       sich als Datingportale durchgesetzt, sind unschlagbar schnell in der
       Kontaktanbahnung, bis ins Detail können Wünsche und Begehren eingekreist
       und erfüllt werden. Die wenig verbliebenen schwulen Zeitschriften haben
       diese Konkurrenz zu spüren bekommen, ihre Anzeigenrubriken gestrichen oder
       ihr Erscheinen gleich ganz eingestellt. Denn zur Finanzierung der
       Presseerzeugnisse brauchte es auch immer die Einnahmen aus den
       Kontaktanzeigen.
       
       Das war bereits 1922 Max H. Danielsen klar, Redakteur des ersten schwulen
       Massenblatts Die Freundschaft. Kontaktanzeigen seien das finanzielle
       Rückgrat der Zeitschrift, so Danielsen. Er stand wieder einmal vor Gericht,
       angeklagt wegen der „Verbreitung unzüchtiger Schriften und Kuppelei durch
       den Abdruck von Kontaktanzeigen“. Dabei – so Danielsen zu seiner
       Verteidigung – dienten die Anzeigen gar nicht der „Anbahnung von Verkehr“.
       Im Prozess kam auch Magnus Hirschfeld als Sachverständiger zu Wort. Er
       bescheinigte der Freundschaft das Interesse, gleichgeschlechtliche
       Beziehungen auf eine höhere Stufe zu heben. Der Vorwurf der Kuppelei wurde
       fallengelassen, Danielsen aber wegen der Verbreitung unzüchtiger Inserate
       zu einer Strafe von 4.000 Mark verurteilt.
       
       Dabei waren die Anzeigen vorsichtig und tugendhaft formuliert. Herren,
       „gebildet“, „elegant und hübsch“ suchten „Geselligkeit und
       Gedankenaustausch“ oder „gesellschaftlichen Anschluss“, auf keinen Fall
       aber „Dielenbesucher“, dafür „durchaus männlich und unauffällig“ und „mit
       Herzensbildung“. Dieser Ton wurde beibehalten in den ersten Publikationen
       nach 1945. Auch hier sollten die Traumprinzen „aufrichtig und
       charaktervoll“ sein, „gebildet“ und „idealdenkend“. Im Mittelpunkt standen
       wieder „Gedankenaustausch“ und „Briefwechsel“, auf keinen Fall durfte ein
       sexuelles Interesse durchscheinen. Die Angst, die beim Verlag hinterlegte
       Adresse für die Chiffreanzeige könnte bei einer Polizeirazzia beschlagnahmt
       werden, war zu groß.
       
       Hinzu kam „Das Inserat für die Freundin“, homosexuelle Männer suchten auf
       diesem Weg eine Partnerin für eine Scheinheirat. Einzig beiläufige Hinweise
       auf Freude an Lederkleidung, Motor- und Reitsport waren für Eingeweihte
       verständlich.
       
       1969, nach der Entkriminalisierung erwachsener schwuler Männer, drängten
       neue Homo-Magazine auf den Markt, und der Ton in den Kontaktanzeigen wurde
       offener und selbstbewusster. „Dauerfreundschaft“ war jetzt gefragt, in
       „gemeinsamer Wohnung“, und ein „männlicher Typ“ wurde gewünscht,
       „gutgebaut“, gern ein „Lederhosenbengel“ oder „Jeansboy“. In späteren
       Jahren blieb dann kein Wunsch verborgen, eine „geile Ledersau“ sollte er
       sein, eine „willige Arschvotze“ oder „blas- und fickfreudig“. Damit war
       endgültig Schluss mit GayRomeo und Grindr. Nur etwas ist geblieben, von den
       Anfängen bis in die Moderne: „Tunten zwecklos“.
       
       9 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elmar Kraushaar
       
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