# taz.de -- Kolumne Konservativ: Dit wird nüscht mit uns
       
       > Wohngemeinschaften galten als links. Heute sind sie die Heimat der
       > Strukturkonservativen.
       
 (IMG) Bild: WGler sind anders. Aber bitte nicht anders als ihre Mitbewohner.
       
       Können WGs konservativ sein? Immerhin dienten sie einst als Gegenentwurf
       zur als einengend empfundenen Kleinfamilie. Als Labor neuer
       gesellschaftlicher Umgangsformen, als Ort gelebter Toleranz. Wie aber
       suchen linke WGs heute neue Bewohner, ohne dabei selbst intolerant zu
       werden, indem sie Ausschlusskriterien benennen? Leicht ist es nicht.
       
       Eine schöne Zusammenstellung von WG-Annoncen veröffentlichte vor Kurzem die
       Jungle World. Die Verfasser beschreiben darin, wie gewünschte Mitbewohner
       beschaffen sein sollen. Vor allem aber malen sie dabei ein Bild von sich:
       
       „Wir wünschen uns ein gemeinschaftliches Zusammenwohnen mit einem
       feministischen Grundanspruch, bei dem die Bedürfnisse und Gefühlslagen der
       Einzelnen Raum haben und gehört werden. Überhaupt keinen Bock haben wir auf
       Macker_innenverhalten wie dominantes, raumgreifendes Verhalten,
       Akademiker_innengelaber, Theorieposing und dergleichen.“ Die Suchenden sind
       also extrem tolerant, nur nicht gegenüber Menschen, die anders sind.
       
       Wer annonciert, definiert ein „Wir“, und das verlangt stets nach einem „Die
       anderen“. Die Gruppe will das Bestehende bewahren und meidet Veränderungen.
       Ein anderes Wort dafür ist „strukturkonservativ“.
       
       ## „SpießerQuatsch“
       
       „Wir wollen vor allem viel Spaß und lockeres WG-Leben genießen, fern von
       Kleinfamilien-Bürgerlichkeit und SpießerQuatsch. Uns eine Basis zum
       ankommen und entspannen schaffen, den Garten genießen, diskutieren, kochen,
       werkeln, mal gemeinsam Zähneputzen, Kuchen backen, ein Fußbad nehmen,
       Konflikte offen austragen und Bedürfnisse/Vorstellungen/Ärger/Träume
       formulieren, vielleicht auch Gemüse pflanzen oder nen Esel kaufen.“
       
       Leider sind die Annoncen anonymisiert. Gern würde ich fragen, was sie mit
       „SpießerQuatsch“ meinen: Plätzchen statt Kuchen backen, Vollbad statt
       Fußbad?
       
       Eine Möglichkeit, die Zahl der Interessenten zu verringern, ist eine
       ausgeklügelte Wortwahl:
       
       „Wir verorten uns anarchistisch/linksradikal/(pro)
       queer-feministisch/anti-patriarchal und leben vegan. Auf struktureller
       Ebene sind wir alle unterschiedlich positioniert, d.h. wir profitieren bzw.
       sind negativ von verschiedenen MachtStrukturen betroffen: Hier wohnen
       sowohl weiblich als auch männlich erstsozialisierte Personen, einige haben
       einen Mittelklassebackground, andere haben Klassenwechsel erlebt. Eine
       Person ist negativ von Rassismus betroffen und die anderen drei sind weiß
       positioniert. […] Wir suchen jemensch, die_der sich nicht cis-männlich
       positioniert […] Wir suchen jemensch, die_der Positionen-aware ist und bei
       der_dem marginalisierte/unprivilegierte Perspektiven vorrangigen Raum
       bekommen.“ Habe ich die Miethöhe überlesen?
       
       Gut verständlich fand ich hingegen diese Anzeige: „wir sind
       fleischfressende raucher, die diesen beiden vergnügen auch weiterhin
       unbeeinträchtigt frönen möchten (deshalb, liebe militante
       tierrechtlerInnen/veganerInnen/nicht-raucherInnen: bitte meldet euch NICHT!
       dit wird nüscht mit uns!)“
       
       14 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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