# taz.de -- Separatismus in Europa: Flugzeugträger gegen Badeentchen
       
       > Empfehlung an die Schotten: Spaltet Euch ab! Für sämtliche Übel sind
       > sowieso die Engländer verantwortlich. Ein Plädoyer für den Kleinstaat.
       
 (IMG) Bild: Ein echter Schotte trägt eine Landkarte auf dem Rücken.
       
       Die Schotten haben es nicht leicht. McDonald’s, Macbeth, Macintosh,
       MeckPomm – oft zeichnet der gälische Familienbegriff nicht unbedingt die
       angenehmsten Dinge, Regionen und Personen aus. Das schadet dem Ruf, doch
       daran ist der Engländer schuld, der allein durch seine Existenz den
       Schotten zur Distinktion um jeden Preis zwingt.
       
       Die Hauptattraktionen in Schottland sind Löcher. Jedes Loch hat seinen
       eigenen Namen, ob Loch Ness, Loch Inverness, Loch Cleverness oder Glasgow,
       und wird von kälteresistenten Dinosauriern und protestantischen Hooligans
       bewohnt, die nicht aufhören, den irisch-katholischen Eindringlingen
       Widerstand zu leisten. Daran, dass die überhaupt kommen mussten, sind, wie
       an allem anderen auch, die Engländer schuld.
       
       Neben einer streng schmeckenden Spezialität aus im – Scheißengländer! –
       Dauergraupel vergammelter Gerste drückt eine Ernährung aus
       Hammeleingeweiden und frittierten Marsriegeln die Lebenserwartung. Schuld
       sind natürlich die Engländer mit ihrem kranken Gesundheitssystem.
       
       Also frischauf die Unabhängigkeit verkündet. Das gilt für Schotten wie für
       Katalanen, Basken oder Spandauer. Zwar wirken separatistische Bestrebungen
       im Zeitalter der Globalisierung gestrig wie ein Keuschheitsgürtel, doch
       wenn man sie konsequent fortdenkt, haben sie auch ihr unbestreitbar Gutes.
       
       Ein Staat kann gar nicht klein genug sein. Denn je größer der Nationalstaat
       ist, desto mehr vermag er in kindlichem Trotz mit seinen Mitteln
       anzustellen. Wo statt Sandschäufelchen Atomraketen eingesetzt werden, hat
       das nun mal ganz andere Folgen. Und wie Kindern muss man Staaten Grenzen
       setzen.
       
       ## Weinende Teddybären auf lila Grund
       
       Alle fünfhundert Kilometer eine Grenze verhindert oft bereits das
       Schlimmste, alle fünfhundert Meter eine Grenze kühlt noch dem dümmsten
       Patrioten spätestens das Mütchen. Man braucht so viele Landesflaggen, dass
       sich die unglaublichsten Kombinationen ergeben, beige mit grünen Karos,
       drei weinende Teddybären auf lila Grund, eine untergehende Sonne hinter
       einem Rhododendron – das zaubert ein Lächeln auf die Lippen des Betrachters
       und nimmt dem Chauvinismus viel von seinem ungesunden Ernst.
       
       Lasst uns die Nationalstaaten zerschlagen, indem wir immer neue bilden,
       diese wieder in winzig kleine Schnipsel zerschneiden und die so
       entstandenen Schnipselstaaten nochmals halbieren, vierteilen, achteln. Bis
       sie wirklich nichts mehr anrichten können.
       
       Die einzelne Familie hätte da zum Beispiel eine gute Dimension.
       Bundesrepublik Müller, Volksrepublik Meier, Ost-Schmidt, West-Schmidt,
       Niederländisch-Schmidt. So wäre die Familie nicht nur die altbekannte
       kleinste Zelle des Staats, sondern zugleich auch die größte. Sie wäre der
       Staat. Allerdings könnte eine Großfamilie eine Atombombe in gemeinsamer
       Anstrengung aus dem Fenster wuchten und damit noch immer eine Menge Schaden
       anrichten. Folglich sollte die Größe noch weiter reduziert werden.
       Vielleicht auf eine Person.
       
       ## Diktatorenverhinderung
       
       Man stelle sich vor, Hitler wäre nur sein eigener Staat gewesen.
       Brandreden, Volksverhetzung, alles kein Problem. Solange sie allein für
       sich in seinen vier Wänden stattfindet, mit schlimmstenfalls dem
       Spiegelbild als Publikum. Wie wenig hätte er anrichten können, wie viel
       wäre der Welt erspart geblieben.
       
       Noch deutlicher wird das Prinzip, indem man die klassische Weltmacht dem
       Individualstaat modernen Zuschnitts im Militärquartett gegenüberstellt. Da
       stehen in der Kategorie „Bewaffnung“ hier „Atomare Sprengköpfe“ und dort
       „Ein Brotmesser und sechs Kuchengabeln“, oder unter „Marine“: „Sieben
       Flugzeugträger“ versus „Ein Badeentchen“. Schreckliche Kriege wie wir sie
       kannten, werden für immer der Vergangenheit angehören.
       
       Natürlich muss man immer noch aufpassen, dass so ein Einmannstaat den
       anderen nicht mit der Kuchengabel überfällt. Denn auch das kann ganz schön
       wehtun. Daher wäre es vielleicht besser, noch kleinere Einheiten zu
       schaffen, zum Beispiel von den Menschen wiederum nur kleinste Körperteile,
       vom Ausmaß her etwa die Fingernägel.
       
       Zwar würden die Qualifikationsrunden vor Fußballweltmeisterschaften bei
       Trilliarden von Nationalmannschaften ziemlich lange dauern, aber nimmt man
       das nicht gern in Kauf, wenn dafür keine Frau mehr um den im Krieg
       gefallenen Mann weint, kein Kind um den Vater, kein Hund um sein Herrchen?
       So gesehen kann Schottland nur der Anfang sein.
       
       18 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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