# taz.de -- Zeitungskrise in Frankreich: Schlag ins Genick
       
       > Der Überlebenskampf der französischen „Liberation“ fordert große Opfer
       > von der Redaktion. 93 von 250 Angestellten müssen gehen.
       
 (IMG) Bild: Wie sieht die Libération nach der Reform aus?
       
       PARIS taz | „Wir sind schockiert. Die Vorschläge der Direktion sind weit
       schlimmer, als wir alle befürchtet hatten. Für die meisten von uns war das
       wie ein Schlag ins Genick. Wir werden den Sanierungsplan eingehend prüfen
       und schauen, wie wir verhandeln können“, erklärte am Mittwoch Tonino
       Serafini, der Personalvertreter der Gewerkschaft SUD bei der Pariser
       Zeitung Libération. 
       
       Das nach dem Mai 1968 von Jean-Paul Sartre mit begründete Blatt steckt in
       einer Überlebenskrise. Und es ist für die Beschäftigten der Libé nur ein
       kleiner Trost, dass auch andere Printmedien – darunter auch renommierte wie
       Le Monde – um ihre Existenz bangen.
       
       Serafini und seine KollegInnen bei Libé wussten, dass einschneidende
       Änderungen auf sie zukommen würden. Für die finanzielle Rettung und die
       Sicherung der unmittelbaren Zukunft von Libé wären wohl auch die meisten
       bereit gewesen Opfer zu bringen, versichert der Gewerkschafter.
       
       Jetzt aber hat ihnen der neue Chef, Laurent Joffrin, einen Aderlass
       angekündigt, der alle Erwartungen übertrifft: 93 von 250 Stellen – davon
       rund ein Drittel der Festangestellten – sollen gestrichen werden, die Zahl
       der Journalisten soll bis Mitte 2015 von 180 auf 130 sinken, und alle
       bekommen neue Arbeitsverträge – zu schlechteren Bedingungen.
       
       ## Allrounder oder Entlassung
       
       Darin soll stehen, dass alle wie Allrounder für die gedruckte Tageszeitung
       und für den erweiterten Onlinebereich, aber mittelfristig auch für die
       Web-Radio- und -Videoproduktion sowie Libé-Events verfügbar sind. Wer den
       neuen Vertrag nicht akzeptiert, wird entlassen.
       
       Das kommt schlecht an in der Redaktion, die sich – unterstützt von der
       Leserschaft – schon vor Monaten gegen Umbaupläne der Kapitaleigner gewehrt
       hatte. Aus Angst vor Konsequenzen will sich niemand namentlich exponieren.
       Dennoch sprechen einige von „Erpressung“, andere vom Prinzip „Zuckerbrot
       und Peitsche“: Denn wer „freiwillig“ gehe – und das werde vor allem den
       über 59-Jährigen nahegelegt –, bekomme eine Abgangsentschädigung.
       
       Die Direktion bestätigt, für die soziale Abfederung beim Stellenabbau
       würden 10 Millionen Euro eingesetzt. Eine Provokation ist auch der bereits
       für Anfang 2015 geplante Umzug in ein Vorstadtgebiet, weg aus der Pariser
       Innenstadt und aus dem gewohnten Redaktionsgebäude mit seiner prächtigen
       Dachterrasse bei der Place de la République. Das kommt einem sozialen
       Abstieg gleich.
       
       In einem Editorial schreibt Libé-Direktor Joffrin, er zähle nun auf die
       „unverminderte Courage“ des Zeitungsteams und auf die „Treue der LeserInnen
       und ihre in den schwierigen Zeiten so wertvolle und unentbehrliche
       Unterstützung“. Er setzt damit seine Autorität als Chef und seine
       Glaubwürdigkeit als Journalist aufs Spiel. Sein Vorteil ist, dass er Libé
       gut kennt.
       
       ## Riskante Wette
       
       Joffrin räumt ein, dass die große Sparrunde so kalkuliert wurde, dass die
       Zeitung mit diesen Kostensenkungen nach einer Kapitalerhöhung der Aktionäre
       „realistischerweise“ bis Ende 2015 aus den roten Zahlen herauskommt.
       
       Heute verliere Libé jeden Tag 22.000 Euro, präzisiert Joffrins Vize, Johann
       Hufnagel. Er kam von der französischen Ausgabe des Internetmagazins
       Huffington Post als Onlineexperte zur Libération. Denn obschon auch
       weiterhin noch eine Tageszeitung gedruckt wird, soll Libération künftig im
       Internet sechs Themenschwerpunkte bilden: Politik und Macht, Planet Erde,
       Zukunft, Ideen, Kultur sowie das Monatsheft Next. 
       
       Eine weitere Wende für Libé besteht darin, dass ab 2015 ein Teil des
       Onlineangebots mit einer Paywall kostenpflichtig wird. Ob dann die
       bisherigen Libé-LeserInnen ihre Zeitung darin noch erkennen, ist eine
       riskante Wette.
       
       17 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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