# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Silicon DDR
       
       > Freiheit ist das große grüne Thema dieser Tage. Was schert Facebook mein
       > Unbehagen mit seinem Datenhunger, Herr von Notz?
       
 (IMG) Bild: Grünen-Politiker Konstantin von Notz: „Dieses DDR-hafte Verhalten ist kein Zustand für ein freies Land.“
       
       Wenn der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz zu einem „sensiblen
       Gespräch mit Journalisten“ geht, dann lässt er sein Telefon im Büro. Damit
       man ihn nicht abhören kann. Heute hat er sein Handy dabei. Offenbar wird es
       eher unsensibel.
       
       Er ist gerade in eines der üblichen Berliner Parlamentsbetriebscafés
       gekommen, normal gekleidet, also im Anzug, weshalb die Zeit einmal
       begeistert ausrastete. „Öko, aber mit Stil“, hieß es. Als hätten Ökos sonst
       keinen Stil, also das verbitte ich mir. Nun, das bezog sich dann gar nicht
       auf Ökos, sondern auf klassisch links drehende Grünen-Politiker der
       Gründerzeit wie Jürgen Trittin oder Claudia Roth. Wobei die auch einen Stil
       haben, nur eben mehr so Protest-Vintage.
       
       Von Notz, 43, ist wohl eher auch kein Öko. Er ist Jurist, stellvertretender
       Fraktionsvorsitzender und der grüne Datenschutzpolitiker im Bundestag. Er
       ist also thematisch da, wo sich Zukunft wirklich entscheidet. Streitet für
       Freiheit, Sicherheit und Schutz der Bürgerrechte im Internet, in Zeiten, in
       denen Google und Facebook uns auswerten und die NSA auch dran teilhaben
       lassen.
       
       Wir brauchen Selbstbestimmung bezüglich der eigenen Daten, sagt von Notz.
       Der Mensch muss frei entscheiden können, dass und wem er Daten gibt, und er
       muss sie zurückziehen können. Vizekanzler Sigmar Gabriel findet das
       übrigens auch. „Na, dann soll er mal ein Gesetz machen“, sagt von Notz, und
       zwar so, dass klar sein soll: Wird er nicht.
       
       Die eine Frage, die sich aber mir stellt, lautet: Was schert die
       Unternehmer im Silicon Valley überhaupt die deutsche Politik?
       
       Es ist klar, dass für von Notz die Bundesregierung versagt hat, der die
       Grünen seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr angehören. Die EU auch. Tenor:
       Es würde die Silicon-Valley-Jungs scheren, wenn wir etwas tun würden, etwa
       das Safe-Harbor-Abkommen kündigen, das die Datenweiterleitung in die USA
       legitimiert, aber die tun ja nichts, und zwar aus falsch verstandener
       Wirtschaftsnähe. „Sowohl auf EU-Ebene als auch auf deutscher hat es seit
       zehn Jahren kein relevantes Datenschutzgesetz gegeben, weil die Haltung der
       Regierung ist: Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts, Daten müssen
       fließen.“
       
       ## Null Weltrettungssound
       
       Wenn er redet, dann unaufgeregt und oft im Konjunktiv. Man könnte. Man
       müsste. Irgendwann merkt man, dass das nicht Schwäche ist, sondern eine
       andere Art der Politikkommunikation, als sie vielleicht Old Ströbele oder
       auch andere Grüne jüngeren Alters bevorzugen. Inhaltliche Kritik am
       politischen Gegner, aber ohne Moralgefälle. Ernst und gleichzeitig heiter.
       Null Weltrettungssound.
       
       Es ist ja aber nicht nur die Regierung, das Silicon Valley, die NSA, vor
       allem hat er es ja auch mit Menschen zu tun, denen sich die Brisanz nicht
       erschließt. Der Drang ist stärker, sich auf Facebook nackt zu machen. Was
       kann man damit schon anfangen?
       
       Zum Beispiel sagt er denen dann: „Die präziseste Berechung Ihrer
       Kreditwürdigkeit ist die Analyse Ihres Facebook-Freundeskreises.“ Das
       Facebook-Produkt Mensch wird tiefenerforscht, gerastert und in ein
       digitales Kastensystem eingereiht, das keiner kennt. „Und kein
       Datenschutzbeauftragter darf danach fragen, es ist wie die
       Coca-Cola-Formel, nur dass es unsere persönlichsten Informationen sind.“
       
       Es gehe hier nicht um eine Spielart der Marktwirtschaft, sondern die
       Realität stehe in einem Gegensatz zur westlichen Wertegemeinschaft, deren
       Grundsatz sei, „dass man nicht massenhaft überwacht wie in der DDR“. Er hat
       sich längst private Fluchten angewöhnt. Kein Telefon dabeihaben. Bestimmte
       Gespräche nicht im Büro führen. Aber, sagt er: „Dieses DDR-hafte Verhalten
       ist kein Zustand für ein freies Land.“
       
       Freiheit! Das große grüne Thema dieser Tage. Der Mensch soll ja bei den
       Grünen entgegen anderslautenden Vorurteile frei entscheiden. Dass er kein
       Fleisch isst. „Wir wollen nicht den Menschen ändern“, sagt von Notz,
       „sondern …“ Er zögert. Irgendwann kommt dann ein halblautes: „… sondern das
       System“.
       
       Konstantin von Notz hat offenbar ein feines Sensorium für grüne Sätze, die
       falsch klingen, selbst wenn sie richtig sind. Das ist eine echte Gabe.
       
       20 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Unfried
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Datenschutz
 (DIR) Konstantin von Notz
 (DIR) Schwerpunkt Meta
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Twitter / X
 (DIR) Mittelschicht
 (DIR) Liberalismus
 (DIR) Konstantin von Notz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Die eine Frage: Einfach nur Irrsinn!
       
       Unfassbar, menschenverachtend. Oder: Wie werde ich eine perfekte
       Grünen-Twitterin? Eine Analyse der Tweets von Parteichefin Simone Peter.
       
 (DIR) Kolumne Die eine Frage: Der schwarze Samstag
       
       Nächste Woche wird Udo Jürgens 80 Jahre alt. Darf man Udo-Jürgens-Lieder
       singen? Wenn eine Party in Berlin-Kreuzberg eskaliert.
       
 (DIR) Grüner Freiheitskongress: Die neue Burger-Partei
       
       Die Grünen bemühen sich, die neue liberale Kraft zu werden. Kann die
       Versöhnung von Veggie-Aposteln mit grünen Porschefahrern klappen?
       
 (DIR) „Digitale Agenda“ im Bundestag: Der Ausschuss der Frustrierten
       
       Sie sind die Internetversteher im Bundestag – nur bestimmen dürfen sie
       nichts. Auf den Ausschuss „Digitale Agenda“ wartet viel Arbeit.