# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Der schwarze Samstag
       
       > Nächste Woche wird Udo Jürgens 80 Jahre alt. Darf man Udo-Jürgens-Lieder
       > singen? Wenn eine Party in Berlin-Kreuzberg eskaliert.
       
 (IMG) Bild: „Ich war noch niemals in New York“
       
       Lange sieht es aus, als handele es sich um eine total korrekte Party.
       Schöne Wohnung in bester Berliner Lage, ich schätz mal sechs, sieben
       Zimmer. Mindestens. Rioja, Tannenzäpfle, Buffet halb vegan, halb
       Spanferkel, also optimal für die ganzen Vegan-Flexitarier. Und die
       Gespräche: nur vom Feinsten. Immer kritisch und differenziert. Zum Beispiel
       wird abwechselnd der Moralüberschuss beziehungsweise der Moralverlust der
       Grünen angeprangert.
       
       Beim Beklagen des Auseinanderdriftens der Gesellschaft gibt es
       selbstverständlich keine zwei Meinungen. Einhelliger Tenor: Das geht so
       nicht. Ebenso eindeutig die Enttäuschung über Obama. Uneinigkeit darüber,
       ob es auch ihm letztlich an Moral fehlt oder ob er die Komplexität der
       amerikanischen Politik schlicht unterschätzt hat. Uneinigkeit auch darüber,
       ob man heutzutage „amerikanisch“ sagen darf oder ob man gerade heute auf
       „US-amerikanisch“ bestehen muss, um nicht doch noch zum Paladin des
       US-amerikanischen Kulturimperialismus zu werden.
       
       Diskussion über die historische Leistung von Guardiola. Fachliche
       Revolution eines wichtigen Kulturbereichs hier, Tikitaka-Kacke dort. Aber
       immerhin ein echter Katalane. Satte Merkel-Mehrheit für: „House of Cards“
       muss man gesehen haben, aber Netflix ist wohl doch nicht so toll.
       
       Dann mehr und mehr Einstimmigkeit. Verbote gehören verboten. Rollkoffer
       auch. Massentierhaltung schlimm, aber dieses Spanferkel köstlich. Alle
       Parteien schlimm. AfD superschlimm. Trotzdem gut, dass die FDP weg ist.
       Obwohl.
       
       Schließlich Blaulichtstimmung. Menschenrechte sind in Gefahr. Und zwar
       unsere. Unfassbar, wie diese Massen blöder Touristen uns unser Kreuzberg
       wegnehmen wollen. Vor allem die Schwaben. Man hört ja nur noch Spanisch und
       Schwäbisch. Da müssen die Grünen unbedingt was machen.
       
       Und Airbnb ist die größte Schweinerei. Sozial ist das verheerend, da wird
       der Gesellschaft Wohnraum entzogen. Unser Treppenhaus sieht aus wie Sau.
       
       ## „Ich war noch niemals in New York“
       
       Also, entweder die Einreise von Touristen oder zumindest Schwaben wird
       kontingentiert, oder sie werden nach spätestens drei Tagen zurück in ihre
       Herkunftskäffer verfrachtet. Während des Aufenthalts haben diese Blödis
       sich jeden Tag bei der Kreuzberger Bürgermeisterin zu melden und sich an
       strenge Benimmregeln zu halten (Kiffen, Verwendung des Binnen-I,
       Transgenderquote). Sonst brennen hier bald die Rollkoffer.
       
       Wir hatten da ja im Frühjahr so ein Apartment, Upper East Side, total nett.
       Gehört Jeff. Schwuler Künstler. Schon etwas schmuddelig für unsere
       Verhältnisse. Aber dem hilft das total, weil Manhattan ist von den Mieten
       her echt noch mal eine andere Nummer.
       
       Wir überlegen ja jetzt auch.
       
       Ob wir unsere zweite Eigentumswohnung anbieten. Die steht doch sonst nur
       leer.
       
       Wie ich schon sagte: Alles vom Feinsten. Aber dann. Nach Mitternacht. Legt
       tatsächlich jemand „Ich war noch niemals in New York“ auf. Udo Jürgens!
       
       Und was machen diese ganzen, tja, Menschen? Sie hören auf, mitfühlend über
       die Probleme der Welt zu sprechen. Und singen das Lied mit. Auswendig. Da
       muss ich bei allem Respekt sagen: Scheißegal, ob dieser Mann in der
       nächsten Woche 80 wird. Aber so etwas geht einfach nicht.
       
       Was für ein schwarzer Samstag für Kreuzberg.
       
       28 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Unfried
       
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