# taz.de -- Bezirk droht obdachlosen Familien: „Rumänien ist viel schlimmer“
       
       > Das Campieren im Görlitzer Park ist „elend“, sagen drei Betroffene. Sie
       > suchen Arbeit und Wohnung – doch jetzt droht das Jugendamt, ihnen die
       > Kinder wegzunehmen.
       
 (IMG) Bild: Der Görlitzer Park in Kreuzberg ist bei Besuchern sehr beliebt, wenn auch nicht immer so voll wie am 1. Mai 2013. Für Flaschensammler ist er aber immer ein lohnendes Arbeitsgebiet.
       
       taz: Frau Rad*, Herr Zamfir* und Herr Marin*, wo leben Sie? 
       
       Alexandru Zamfir: Wir leben in Zelten im Görlitzer Park. Bis vor kurzem
       haben die Kinder und ich wegen meines Beins (er zeigt auf seinen am
       Oberschenkel amputierten Stumpf), im Auto geschlafen. Aber seit das
       Ordnungsamt unsere Autos abgeschleppt hat, trauen wir uns das nicht mehr.
       Jetzt schlafe ich in meinem Rollstuhl im Park, alle anderen auf dem Boden.
       
       Ioana Rad: Wir kamen im Juni aus Rumänien, wie schon seit vielen Jahren.
       Bislang sind wir im Winter zurückgegangen, wenn es zu kalt ist, um im Zelt
       zu leben – weil wir keine andere Möglichkeit hatten. Wir wollen nicht mehr
       zurück, sondern hier bleiben. Aber im Park ist es elend: Wir können nicht
       richtig kochen und schlafen, es gibt sogar Ratten! Wir wollen dort nicht
       sein, wir wollen für unsere Kinder ein besseres Leben.
       
       Vorigen Dienstag kamen Mitarbeiter des Jugendamts zu Ihnen und drohten, die
       Kinder wegzunehmen, wenn Sie keine Unterkunft fänden. Ist dies das erste
       Mal in all den Jahren? 
       
       Ioana Rad: Ja, das erste Mal. Sie sagten, sie kämen bald wieder. Seitdem
       kann ich nicht mehr schlafen. Eigentlich hatte ich schon einen Schulplatz
       für die Kinder, aber jetzt habe ich Angst, sie hinzuschicken. Vielleicht
       kommt das Jugendamt dorthin und nimmt sie mit?
       
       Hat Ihnen zuvor jemand Hilfe angeboten? 
       
       Ioana Rad: Nein, bis auf eine Sozialarbeiterin, die uns den Schulplatz
       besorgt hat. Die Leute vom Jugendamt haben erst gesagt, sie wollten uns
       helfen, die Kinder zum Arzt bringen. Aber am Ende des Gesprächs gaben sie
       uns einen Brief, in dem steht, dass sie uns die Kinder wegnehmen, wenn wir
       in ein paar Tagen noch da sind.
       
       Was wünschen Sie sich für Ihre Kinder? 
       
       Vasile Marin: Vor allem, dass sie zur Schule gehen können. Das ist der
       Hauptgrund, warum wir nach Deutschland gekommen sind.
       
       Ioana Rad: Ja, Schule und eine Wohnung. Wir brauchen irgendeine Form von
       Zukunft.
       
       Waren Sie beim Wohnungsamt? 
       
       Vasile Marin: War ich. Ich habe gesagt, ich würde auch nach Spandau gehen
       oder sonst wo hin. Ich habe ein Jahr in der Schule (die besetzte Schule in
       der Ohlauer Straße, Anm. d. Red.) gelebt. Die anderen Roma aus der Schule
       haben ja eine Wohnung bekommen. Aber ich war während der Räumung nicht
       dort, und so bin ich leer ausgegangen.
       
       Was sagt das Wohnungsamt? 
       
       Sie sagen, dass ich keine Wohnung bekomme, so lange ich keine Bescheinigung
       vom Jobcenter habe (zur Übernahme von Wohnkosten und Hilfe zum
       Lebensunterhalt, Anm. d. Red.). Beim Jobcenter war ich vor zwei Monaten,
       seitdem ist der Antrag in Bearbeitung.
       
       Wie verdienen Sie Geld? 
       
       Vasile Marin: Meine Familie sammelt Flaschen im Park.
       
       Alexandru Zamfir: Meine auch.
       
       Wie viel Geld bringt das ein? 
       
       Vasile Marin: Am Tag etwa 30 Euro pro Familie. Der Park ist groß, viele
       Menschen kommen zum Trinken her.
       
       Wie leben Sie in Rumänien? Es ist schwer vorstellbar, dass das Leben hier
       im Park besser sein kann als das Leben dort. 
       
       Vasile Marin: Dort ist es viel schlimmer. Wir haben gar keine Arbeit – hier
       können wir wenigstens Flaschen sammeln. Und mit dem Antrag beim Jobcenter
       haben wir eine kleine Chance. Dazu kommt, dass die Leute in Rumänien sehr
       rassistisch sind. Sie machen bei allem einen Unterschied zwischen Rumänen
       und Roma.
       
       Ioana Rad: Dort sind wir immer nur die Zigeuner. In der Schule schicken
       viele Lehrer uns Roma weg.
       
       Ihre Kinder können in Rumänien nicht zur Schule gehen? 
       
       Ioana Rad: Nein, dazu sind wir auch zu arm. Wir haben keine anständige
       Kleidung für sie, kein Geld für Bücher.
       
       Wie werden Sie in Berlin behandeln? Erfahren Sie Rassismus? 
       
       Vasile Marin: Ja, Polizei und Ordnungsamt sind rassistisch. Das hier (er
       zeigt auf ein Loch in seiner Jacke) war das Ordnungsamt, als sie uns vor
       ein paar Wochen aus den Autos gezerrt und sie weggefahren haben.
       
       Ioana Rad: Da haben sie auch unsere Kleidung und unser Essen aus den Autos
       auf die Straße geworfen. Alles, was wir nicht schnell genug wegtragen
       konnten, wurde weggeschmissen.
       
       Haben Sie die Autos wiederbekommen? 
       
       Vasile Marin: Ja, wir mussten 90 Euro bezahlen, dann konnten wir die Autos
       irgendwo in Brandenburg abholen.
       
       Ioana Rad: Manchmal kommt jetzt nachts die Polizei und weckt uns sehr
       unfreundlich auf. „Aufstehen, aufstehen!“ Die Kinder weinen, aber wir
       werden auf die Straße geschickt.
       
       Was wollen Sie jetzt tun? 
       
       Vasile Marin: Ich weiß es nicht. Wenn sie uns die Kinder wegnehmen, bringe
       ich mich um. Wir wissen nicht, wohin wir sonst gehen können.
       
       Alexandru Zamfir: An Herrn Wowereit, an alle Rumänen in Berlin: Helft uns,
       dass wir irgendeine Unterkunft finden, unsere Kinder in die Schule schicken
       und arbeiten können. Notfalls tut es auch ein Stück Land.
       
       Vasile Marin: Wir bitten auch die Bürgermeisterin von Kreuzberg: Nehmen Sie
       uns nicht die Kinder weg!
       
       *Name geändert 
       
       Das Gespräch wurde von einer Mitarbeiterin des Vereins Amaro Foro
       gedolmetscht.
       
       21 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) Roma
 (DIR) Obdachlosigkeit
       
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