# taz.de -- UN-Völkermordtribunal für Ruanda: Parteichefs des Genozids schuldig
       
       > Die beiden Führer der ruandischen Regierungspartei während des
       > Völkermords scheitern mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung zu
       > lebenslanger Haft.
       
 (IMG) Bild: Weltgericht für Völkermord: Richter am UN-Ruanda-Tribunal.
       
       BERLIN taz | Ruandas einstige Regierungspartei MRND (Nationale
       Republikanische Bewegung für Demokratie und Entwicklung), die das Land
       während des Völkermords an über 800.000 Tutsi 1994 regierte, ist als
       Organisation für den Genozid verantwortlich. Dies ist der wichtigste
       Schluss aus dem Urteil, das das UN-Ruanda-Tribunal im tansanischen Arusha
       zum Abschluss des Berufungsverfahrens gegen den ehemaligen Präsidenten und
       den ehemaligen Vizepräsidenten der MRND gefällt hat. Die im Februar 2012
       verhängten lebenslangen Haftstrafen wegen Völkermord gegen Mathieu
       Ngirumpatse und Edouard Karemera werden bestätigt.
       
       Die MRND entstand nach dem Militärputsch von Juvénal Habyarimana in Ruanda
       1973 und regierte bis 1990 als Hutu-Einheitspartei. Nachdem 1990 Exiltutsi
       aus Uganda unter dem Namen RPF (Ruandische Patriotische Front) in Ruanda
       den Kampf gegen die Regierung aufnahmen, führte die Regierung Habyarimana
       einerseits das Mehrparteiensystem ein und baute andererseits mit der
       MRND-Jugendmiliz „Interahamwe“ einen massiven Gewaltapparat auf. Die
       organisierte Vernichtung der Tutsi begann am Abend des 6. April 1994,
       nachdem Präsident Habyarimana beim Abschuss seines Flugzeuges über der
       Hauptstadt Kigali starb, und endete erst mit dem Sieg der RPF drei Monate
       später. Drei Viertel aller Tutsi Ruandas starben während dieses
       Völkermords.
       
       Das UN-Tribunal hat zwar in seinen bisherigen Urteilen eine gezielte
       Vorplanung des Völkermords durch das Habyaramina-Regime nicht als erwiesen
       erkannt, wohl aber seinen organisierten Charakter: Die Hutu-Miliz
       Interahamwe und das Militär spielten demnach eine führende Rolle bei der
       Ausführung der Massaker, die Strukturen der MRND und des Staates bei ihrer
       Organisation. Insofern sind die Parteichefs der MRND doppelt
       verantwortlich. Sie übten „entscheidende Macht“ über die Partei und
       „effektive Kontrolle“ über die Miliz aus und sorgten dafür, dass die
       Interahamwe-Jugendmilizionäre militärische Ausbildung erhielten und
       Waffenlager anlegten.
       
       Die Bestätigung dieses Urteils in der Berufung folgt auf einige
       überraschende Freisprüche in Arusha, zum Beispiel im Februar für den
       Kommandeur der Gendarmerie während des Völkermords, General Augustin
       Ndindiliyimana. Der General erhielt vor zwei Wochen ein Visum für Belgien,
       wo bereits der 2009 freigesprochene Habyarimana-Schwager Protais
       Zigiranyiazo lebt.
       
       Seit seiner Gründung 195 hat das UN-Völkermordtribunal insgesamt 95 Ruander
       angeklagt. Fünf davon sind inzwischen verstorben, vier flüchtig; zehn Fälle
       wurden an die ruandische Justiz abgegeben und vier Anklagen zurückgezogen.
       Von den restlichen 72 Angeklagten sind 42 verurteilt und in Haft, teils mit
       laufenden Berufungsverfahren; 30 wurden freigesprochen oder haben ihre Haft
       bereits abgesessen. Das Tribunal soll bis Jahresende seine Arbeit beendet
       haben, und was dann noch übrig ist, wird an Ruandas Justiz übergeben.
       
       Die Durchleuchtung der Arbeitsweise der MRND ist nicht nur von historischem
       Interesse. Aus der einstigen Staatspartei wurde nach dem Ende des
       Völkermords im Exil die RDR (Sammlung für Demokratie und Rückkehr nach
       Ruanda). Der politische Teil der RDR mauserte sich später zur in Ruanda
       nicht zugelassenen Oppositionspartei FDU (Vereinigte Demokratische Kräfte),
       der im Kongo kämpfende militärische Teil zur FDLR (Demokratische Kräfte zur
       Befreiung Ruandas). Deren Präsident und Vizepräsident, Ignace Murwanashyaka
       und Straton Musoni, stehen seit 2011 in Stuttgart vor Gericht.
       
       29 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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