# taz.de -- Debatte Ebola: Virus Angst
       
       > Die Epidemie in Liberia ist schwer zu bekämpfen, weil sie die Traumata
       > des Bürgerkrieges wiederbelebt. Und weil zu wenig Hilfe von außen kommt.
       
 (IMG) Bild: Familien werden auseinandergerissen: Ebola in Liberia.
       
       Seit Wochen appelliert Ärzte ohne Grenzen dringend an die internationale
       Gemeinschaft, sie im Kampf gegen das tödliche Virus Ebola zu unterstützen.
       Erst jetzt findet die Organisation Gehör, unterstützt vom Hilferuf der
       liberianischen Präsidentin an Bundeskanzlerin Merkel.
       
       Doch die Hilfe reicht bei Weitem nicht aus, um das Virus zu bremsen, und
       läuft viel zu langsam an, so berichten es Kolleginnen vor Ort. Der Aufbau
       von Isolierstationen, die Entsendung von medizinischem Personal und
       logistische Unterstützung sind erste wichtige Schritte zur Bekämpfung der
       Krise. Doch schon jetzt müssen auch die psychosozialen Konsequenzen der
       Epidemie in den Blick genommen werden. „Nicht nur Ebola, auch die Angst ist
       ansteckend“, berichtet die liberianische Landesdirektorin von medica
       mondiale, Caroline Bowah. Täglich sind wir derzeit mit unseren Kolleginnen
       in Monrovia in Kontakt.
       
       Zusammen mit anderen liberianischen Organisationen fordern unsere
       Kolleginnen, dass die Hilfe endlich in großem Maßstab anläuft – zuvorderst
       die medizinische Versorgung der Kranken und die Isolierung von
       Verdachtsfällen. Aber auch psychologische Unterstützung ist nötig. „Die
       Epidemie löst massive Traumatisierungen aus“, so Caroline Bowah, „viele
       haben Todesangst.“
       
       Morgens wachen die Menschen mit dem Klang von Sirenen auf. Es sind
       Krankenwagen, die Tote oder Infizierte abholen. Den ganzen Tag liegt diese
       penetrante Geräuschkulisse über Monrovia. Der Weg zur Arbeit führt vorbei
       an Krankenhäusern, vor denen Kranke liegen. Menschen geben sich nicht mehr
       die Hand.
       
       Im Radio täglich neue Schreckensszenarien über die rasante Ausbreitung des
       tödlichen Virus. Frauen, die wie unsere liberianischen Kolleginnen noch zur
       Arbeit gehen, sorgen sich gleichzeitig um ihre Familien zu Hause – aber
       auch um ihre Nachbarschaft. In Carolines Bowahs Nachbarhaus stehen derzeit
       zwei junge Frauen unter Quarantäne. Nachdem ein Angehöriger sich mit Ebola
       infiziert hat und abgeholt wurde, müssen sie 21 Tage in ihrem Haus
       ausharren. „Wir bringen täglich frische Lebensmittel vorbei“, erzählt sie.
       „Ich rufe sie regelmäßig über Handy an, um sie zu beruhigen.“
       
       ## Abschiede ohne Umarmungen
       
       Solche Szenen gibt es massenhaft in Liberia; Familien werden
       auseinandergerissen. Es gibt Abschiede ohne Umarmungen, Beerdigungen ohne
       ein letztes Geleit. Eine Freundin von Caroline Bowah war von Ebola
       betroffen und hat überlebt. Sie schildert die Furcht in den
       Isolierstationen – bis hin zu Suizidgedanken. Überlebende, die in ihre
       Gemeinschaften zurückkehren, werden oft stigmatisiert. So groß ist die
       Sorge vor Ansteckung. „Es ist dringend nötig, dass Menschen in den
       Isolierstationen mit erfahrenen BeraterInnen sprechen können, aber auch
       deren Angehörige – alle in ihrer Angst und Trauer.“
       
       Nach dem 14 Jahre währenden, brutalen Bürgerkrieg muss die liberianische
       Gesellschaft bereits ihre Kriegstraumata verarbeiten. Die Ebola-Epidemie,
       der Verlust an Sicherheit, die eingeschränkte Mobilität,
       auseinandergerissene Familien, Verluste von FreundInnen und
       Familienangehörigen, die Sorge darüber, wie die Seuche sich
       weiterentwickeln wird, aber auch die Angst vor Hunger, der durch massiv
       steigende Lebensmittelpreise und Verknappung droht, wecken viele
       Kriegserinnerungen und lösen Retraumatisierungen aus.
       
       Die Menschen sind zutiefst verunsichert. Existenzielle Ängste aus der
       Bürgerkriegszeit werden reaktiviert. Dieses tief eingravierte Misstrauen
       ist eine der Ursachen für panische Überreaktionen, die mit der Epidemie
       einhergehen. Findet dies zu wenig Beachtung, kann hier eine Quelle für
       neue, länger anhaltende gewaltsame Konflikte entstehen.
       
       Gleichzeitig werden mit der Epidemie alle strukturellen und politischen
       Probleme von Liberia nach dem Krieg aufgedeckt. Die Regierung genießt wenig
       Vertrauen bei der Bevölkerung, zu massiv ist die Korruption, zu gering die
       Friedensdividende. Das unkoordinierte Vorgehen, schlecht kommunizierte
       Quarantänemaßnahmen und Repressionen seitens Militär und Polizei sorgen für
       weiteres Misstrauen und Verunsicherung.
       
       Seit einiger Zeit beobachten wir im Südosten des Landes, wo wir seit 2006
       zusammen mit der Deutschen Welthungerhilfe tätig sind, dass in
       Krankenhäusern nach dem Rückzug von medizinisch-humanitären Organisationen
       Ärztemangel herrscht. Oft sind keine Medikamente vorhanden, mal fehlt
       Benzin für Krankenwagen. Das Bildungssystem krankt nach wie vor.
       
       ## Armut als Nährboden
       
       Vor allem aber ist die große Armut ein Nährboden für das Virus. Wo Menschen
       aus nur einer Schüssel essen, dasselbe Wasser zum Waschen nutzen, gemeinsam
       nur ein Handtuch besitzen, kann sich die Seuche viel schneller ausbreiten.
       Dazu kommt: Große Teile des ländlichen Liberia sind während der Regenzeit
       vom Rest des Landes so gut wie abgeschnitten. Informationen erreichen viele
       Dorfgemeinschaften nicht.
       
       Doch das Bild einer uninformierten Masse, die dem Westen nicht traut und
       ihre Kranken versteckt, ist zu eindimensional. Gleichzeitig mit den
       Fallzahlen wächst auch die Solidarität. Wo die Regierung versagt, ist die
       Zivilgesellschaft umso aktiver. Viele Menschen – zuvorderst Frauen – sind
       in der Nachbarschaftshilfe engagiert, geben Lebensmittelpakete und Kleidung
       vor Isolierstationen ab, versorgen Menschen, die in Quarantänestationen
       ausharren müssen, betreiben Aufklärung mit allen verfügbaren Mitteln. Sie
       muntern sich gegenseitig auf und setzen dem Elend vor der Haustür viel
       Menschlichkeit entgegen.
       
       Diesen Mittwoch trifft sich ein Aktionsbündnis liberianischer
       zivilgesellschaftlicher Organisationen, um das Engagement besser zu
       koordinieren. Es gibt Berichte, dass ein aufgebrachter Mob Kranke durch die
       Straßen hetzte. Aber es gibt eine andere Seite.
       
       Unser Appell: Unterstützt jetzt und langfristig den Aufbau solider
       Gesundheitssysteme. Trauma-sensible psychosoziale Beratung für Betroffene,
       Angehörige und Gemeinden ist dabei unabdingbar, damit Aufklärungs- und
       Hilfsmaßnahmen von der Bevölkerung angenommen werden, die HelferInnen
       psychisch stabil bleiben und die Epidemie erfolgreich bekämpft werden kann.
       
       3 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sybille Fezer
       
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