# taz.de -- Kampf gegen IS: Die Türkei im Zwiespalt
       
       > Die türkische Regierung will militärisch gegen IS in Syrien vorgehen.
       > Doch der Kampf gegen den Terrorismus belastet schon jetzt den
       > Friedensprozess mit der PKK.
       
 (IMG) Bild: Durch den Krieg in Syrien entzündet sich auch der Konflikt zwischen Türken und Kurden erneut. Hier ein türkischer Kurde bei einer Demonstration im September
       
       ISTANBUL dpa | Die Türkei hat Panzer aufgefahren, die Kanonen sind auf
       Syrien gerichtet. Östlich und westlich der umkämpften syrischen Stadt
       Kobane steht die Terrormiliz IS bereits an der Grenze des Nato-Partners.
       Verzweifelt leisten kurdische Volksschutzeinheiten in Kobane (arabisch: Ain
       Al-Arab) Widerstand gegen die hochgerüsteten Extremisten. Nach massivem
       Druck aus dem Westen holt sich die Regierung in Ankara am Donnerstag vom
       Parlament die Erlaubnis, militärisch gegen IS und andere Terrorgruppen
       vorzugehen – in Syrien und im Irak. Doch ein Einmarsch türkischer Truppen
       würde nicht nur Ungewissheiten, sondern auch große Gefahren bergen.
       
       Das Parlamentsmandat ist ein Jahr gültig. Ob und wann es die türkische
       Regierung nutzt, ist allerdings offen. Die Türkei schloss militärische
       Unterstützung im Kampf gegen IS lange ganz aus. Als Begründung gab sie vor
       allem die Sorge um 46 türkische Geiseln an, die sich in der Gewalt der
       Extremisten befanden. Seit die Geiseln wieder frei sind, ist dieser Grund
       weggefallen und der Druck auf Ankara steigt, vor allem vonseiten der USA.
       Gleichzeitig wird die Belastung der Türkei durch die wachsende Zahl der
       Flüchtlinge aus Syrien immer größer.
       
       Seit der Freilassung der Geiseln schwört der strenggläubige Präsident Recep
       Tayyip Erdogan die mehrheitlich sunnitischen Türken auf ein mögliches
       Vorgehen gegen IS ein. „Diese Brutalitäten können nicht akzeptiert werden“,
       sagte er. Den Verdacht, es könne sich beim Kampf gegen IS um einen Kreuzzug
       gegen muslimische Glaubensbrüder handeln, versuchte Erdogan im Keim zu
       ersticken. Die IS-Gräueltaten „haben nichts mit unserer Religion zu tun“,
       sagte er. „Wir können dabei nicht zuschauen.“
       
       Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage teilt die Mehrheit der Türken
       diese Ansicht: 52 Prozent der Befragten sprachen sich nach Angaben des
       Meinungsforschungsinstituts Metropoll für eine Beteiligung ihres Landes an
       einer internationalen Militäroperation gegen IS aus. Die Umfrageergebnisse
       widersprechen auch dem im Westen verbreiteten Bild, wonach IS in der Türkei
       viel Zustimmung genießt: Gerade einmal 1,3 Prozent der Befragten äußerten
       Sympathie für die Terrormiliz.
       
       ## Die Türkei ist gegen den IS und gegen ein unabhängiges Kurdistan
       
       Erdogan ist für die Einrichtung einer militärisch geschützten Pufferzone
       auf syrischem Territorium - am liebsten mit internationaler Beteiligung.
       Doch bislang hat kein Land aus dem Anti-IS-Bündnis auch nur eine vage
       Bereitschaft erkennen lassen, Bodentruppen gegen die Terrormiliz
       einzusetzen. Die Kurden, die im Norden Syriens gegen IS kämpfen, sind
       lehnen einen türkischen Einmarsch ab. Sie befürchten, dass die Türkei als
       Besatzungsmacht die Entstehung einer autonomen kurdischen Region verhindern
       möchte.
       
       Die Türkei ist in einer schwierigen Lage: Sie ist gegen den von den
       Terroristen proklamierten Islamischen Staat und gegen ein unabhängiges
       Kurdistan, dem sich die türkischen Kurden irgendwann anschließen könnten.
       Die Volksschutzeinheiten in Kobane sind zudem eng mit der in der Türkei
       verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden. Inzwischen belastet der
       Konflikt in Syrien auch den angestrebten Friedensprozess zwischen der
       Regierung und der PKK. Die PKK wirft Ankara vor, IS zu unterstützen. Erste
       PKK-Kommandeure sprechen von einem Ende des Waffenstillstands und einer
       Rückkehr zum bewaffneten Kampf gegen die Türkei.
       
       Auch unabhängig von den Kurden wäre ein Einmarsch riskant. Nach
       Medienberichten kämpfen an der Seite von IS rund 1000 Türken, die in ihre
       Heimat zurückkehren und dort Anschläge verüben könnten. Südlich von Kobane
       bewachen zudem 36 türkische Soldaten ein Mausoleum mitten im syrischen
       IS-Gebiet - sie wären leichte Beute für die Extremisten. Außerdem ist kaum
       zu erwarten, dass IS-Kämpfer bei einem Einmarsch des türkischen Militärs
       die Pufferzone kampflos räumen würden.
       
       Die Türkei könne sich „mit IS eine blutige Nase holen“, meint ein
       westlicher Sicherheitsexperte. Die Soldaten müssten mit Heckenschützen und
       Sprengsätzen rechnen. „Die können da nicht durchrauschen.“ Bei einem
       Einmarsch stelle sich auch die Frage, wie die türkische Bevölkerung auf
       Verluste reagieren würde. Selbst wenn die Pufferzone stehen sollte, sei
       offen, wie es weiterginge. „Denn IS wird ja nicht weg sein. Und der Krieg
       wird nicht zu Ende sein.“
       
       1 Oct 2014
       
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