# taz.de -- Markus Beckedahl über Netzneutralität: „Der Staat sagt: Macht mal!“
       
       > Alexander Dobrindt und Telekommunikationsunternehmen verhandeln über den
       > Netzausbau. Aktivisten sehen die Netzneutralität bedroht.
       
 (IMG) Bild: Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt und die Telekommikation – ganz nah beieinander.
       
       taz: Herr Beckedahl, Sie sagen, die Bundesregierung will die
       Netzneutralität dem Breitbandausbau opfern. Wie hängt das zusammen? 
       
       Markus Beckedahl: Telekommunikationsunternehmen versuchen, mehr aus den
       bestehenden Netzen herauszuholen. Sie wollen zu Gatekeepern werden und
       bestimmen, welche Inhalte bevorzugt werden. Nämlich die, für die sie Geld
       bekommen.
       
       Gleichzeitig ist Deutschland im europäischen Vergleich im hinteren
       Mittelfeld, was die Breitbandversorgung betrifft. Die Netze müssten
       ausgebaut werden. Die Bundesregierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag
       50 MBit pro Sekunde für alle Haushalte bis zum Jahr 2018, ist aber nicht
       bereit, dafür Geld auszugeben. Sie möchte den Breitbandausbau fördern,
       indem sie den Telekommunikationsunternehmen entgegenkommt. Im Tausch für
       weniger Regeln bei der Netzneutralität, sollen die Unternehmen den
       Breitbandausbau übernehmen.
       
       In der „Netzallianz Digitales Deutschland“, die für Bundesminister
       Alexander Dobrindt im März ins Leben gerufen hat, sitzen genau diese
       Telekommunikationsunternehmen und die Bundesregierung. Am Dienstag haben
       sie ein sogenanntes Kursbuch veröffentlicht, welches ihre Ziele
       konkretisieren soll. Was bedeuten diese für die Netzneutralität? 
       
       Im Kursbuch steht, dass Netzneutralität dem Breitbandausbau im Weg stehen
       würde. Die Telekommunikationsunternehmen sagen, wenn sie weniger Regeln
       vorgegeben bekommen, können sie flexibler reagieren und investieren. Bisher
       haben wir ein klares Marktversagen gesehen. Deutschland befindet im
       hinteren Mittelfeld der Breitbandversorgung, weil wir den Markt sich selbst
       überlassen haben und die Privaten nicht bereit waren, zu investieren. Ein
       Aufweichen der Netzneutralität könnte dazu führen, dass die
       Telekommunikationsunternehmen aus dem bestehenden Netz so viel Gewinn
       herauspressen, dass der wenig profitable Netzausbau noch unattraktiver für
       sie wird.
       
       Wer soll das dann übernehmen, wenn nicht die Telekommunikationsfirmen? 
       
       Es ist ganz klar, dass der Staat sich nicht heraushalten und sagen kann:
       Macht mal. Es sind Finland, Schweden und Australien, die beim schnellen
       Internet vorne liegen. Das sind riesige Flächenstaaten. Und das geht weit
       über 50 MBit/s hinaus, sie reden über 300 Mbit/s. Da hat der Staat das als
       Daseinsvorsorge begriffen und trägt einen Teil der Investitionen mit.
       
       Was sind die Tücken des „50 MBit/s für alle“, die im Koalitionsvertrag
       versprochen wurden? 
       
       50 MBits sind ziemlich unambitioniert. Eigentlich müssten auch wir über
       mindestens 300 MBit/s reden. Dazu ist das Ziel bis 2018 festgelegt, aber
       die jetzige Bundesregierung ist nur bis 2017 gewählt. Ein
       Taschenspielertrick ist zudem, dass die Regierung auch mit mobilem Internet
       argumentiert, als Alternative zum Glasflaserausbau.
       
       Mobiles Internet hat jedoch ein Problem: Wenn man alleine in einer
       Funkzelle ist, hat man theoretisch bis zu mehrere Hundert Megabit pro
       Sekunde zu Verfügung. Aber ist eine zweite Person dabei, hat man nur die
       Hälfte. Je mehr Leute sich eine Funkzelle teilen, desto langsamer wird das
       Netz. Bei Glasfaserkabeln gibt es dieses Problem nicht.
       
       Bisher beinhaltet das Kursbuch der Netzalianz und des Bundesministers nur
       Pläne. Werden sie sich mit diesen Vorhaben auf Bundesebene und im EU-Rat
       durchsetzen können? 
       
       Alexander Dobrindt kann der Telekommunikationslobby viel versprechen. Wir
       lassen uns mal überraschen, welche Position das federführende
       Wirtschaftsministerium in der Debatte um Netzneutralität einnehmen wird.
       Bisher ist das leider unklar.
       
       9 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bednarczyk
       
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