# taz.de -- Anschlag auf kanadisches Parlament: Täter als „Sicherheitsrisiko“ bekannt
       
       > Michael Z. wird erschossen, nachdem er einen Soldaten tötet und ins
       > Parlament eindringt. Die Hintergründe sind unklar, Premier Harper spricht
       > von „Terror“.
       
 (IMG) Bild: Einsatzkräfte haben den Tatort weiträumig abgesperrt
       
       CALGARY taz | Nathan Cirillo war ein junger Reservist, der stolz war auf
       sein friedfertiges Land. Der 24-jährige Unteroffizier aus dem kanadischen
       Hamilton empfand es deswegen als eine besondere Ehre, das Mahnmal des
       unbekannten Soldaten in Ottawa zu bewachen. Seine Aufgabe war rein
       zeremoniell und sein Gewehr war dabei stets ungeladen.
       
       So war es auch am Mittwochmorgen um kurz vor zehn Uhr, als ein schwarz
       gekleideter und mit Schal verhüllter Mann nahe des Denkmals aus dem
       Hinterhalt auftauchte. Der Attentäter feuerte in Cirillos Rücken, stieg in
       ein Auto, fuhr einige Meter und machte sich dann mit seinem geladenen
       Gewehr ins nahe gelegene Parlament. Dort tagten zu diesem Zeitpunkt die
       Fraktionen. Auch Premierminister Stephen Harper war vor Ort.
       
       Angekommen in den Hallen des Parlamentsgebäudes lieferte sich Michael Z.,
       ein 32 Jahre alter zum Islam konvertierter Kanadier, ein Feuergefecht mit
       den Sicherheitsbeamten, die ihn erschossen, bevor er weitere Menschen töten
       konnte. Zu diesem Zeitpunkt versuchten am Soldatendenkmal ein paar
       Passanten noch verzweifelt, dem schwer verwundeten Reservisten Nathan
       Cirillo erste Hilfe zu leisten. Am Ende vergeblich. Wenige Stunden später
       erlag der Soldat im Krankenhaus seinen Verletzungen.
       
       Was folgte waren chaotische und furchterregende Stunden, wie man sie in
       Kanada seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte. Auf der Suche nach
       möglichen Mittätern riegelte die Polizei die gesamte Innenstadt weiträumig
       ab. Die Menschen verschanzten sich an sicheren Orten, Eltern holten ihre
       Kinder aus den Schulen. Überall in Kanada wurden öffentliche Gebäude
       gesichert, Polizeieinheiten in Alarmbereitschaft versetzt und Kasernen
       geschlossen.
       
       ## Alarmzustand wieder aufgehoben
       
       Premierminister Harper, der rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden
       konnte, nannte den Anschlag in einer Fernsehansprache am Nachmittag einen
       „terroristischen Akt“, vor dem sich das Land nicht einschüchtern lasse. Um
       halb neun Uhr abends schließlich die Entwarnung. Die Behörden hoben den
       Alarmzustand im Stadtzentrum auf und erklärten Ottawa wieder für sicher.
       Die Mitarbeiter des Parlaments, die den ganzen Tag in den Gebäuden
       ausgeharrt hatten, wurden mit Bussen nach Hause gebracht. Wie das ganze
       Land standen viele unter Schock.
       
       Ob der mutmaßliche Schütze Michael Z. tatsächlich Mittäter hatte oder
       alleine handelte ist noch immer ungeklärt. Die Polizei gab bislang keinen
       Kommentar ab. Offenbar wird weiter nach möglichen Komplizen gefahndet. Auch
       über den Attentäter selbst gibt es bislang nur spärliche Informationen.
       Kanadische und amerikanische Medien berichten übereinstimmend, dass der aus
       Montréal stammende Mann zum Islam konvertiert sein soll, radikale Ansichten
       vertrat und den Sicherheitsbehörden bekannt war.
       
       Die Geheimdienste sollen Michael Z. laut kanadischer Medien als „Reisenden
       mit hohem Sicherheitsrisiko“ eingestuft haben, weswegen die Behörden ihm
       vor kurzem den Reisepass entzogen hatten. Zu seinen Vorstrafen zählen
       mittelschwere Vergehen wie Raub und Drogenbesitz, die allerdings schon
       länger zurückliegen.
       
       Insgesamt zwei Monate soll er wegen diverser Vergehen in kanadischen
       Gefängnissen verbracht haben. Auf dem Twitter-Account einer mit der
       Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) verbundenen Gruppe sollen mittlerweile
       Fotos von Michael Z. aufgetaucht sein. Er soll dort im Kämpferoutfit und
       mit Gewehr abgebildet sein.
       
       ## Zweiter Vorfall in 48 Stunden
       
       Das Attentat von Michael Z. war bereits der zweite derartige Vorfall
       innerhalb von nur 48 Stunden in Kanada. Beide Fälle weisen frappierende
       Parallelen auf: Am Montag hatte der mutmaßliche Islamist Martin
       Couture-Rouleau nahe Montréal zwei Soldaten mit dem Auto überfahren, bevor
       er von der Polizei erschossen wurde. Einer der Soldaten war später
       gestorben. Wie Michael Z. war auch Couture-Rouleau ein Konvertit, hatte
       sich radikalisiert und war ohne Reisepaß.
       
       Beide Konvertiten standen offenbar auf einer Liste von rund 90 Personen in
       Kanada, die Kontakte zur Terrorgruppe IS unterhielten und derzeit von den
       kanadischen Behörden wegen islamistischer Aktivitäten beobachtet werden.
       Warum die Ermittler und Geheimdienste die beiden Attentate trotz dieser
       Erkenntnisse nicht verhindern konnten, dürfte in Kanada noch für erhebliche
       Diskussionen sorgen.
       
       Das kanadische Parlament indes will am Mittwoch ein Zeichen setzen - und
       seinen normalen Dienstbetrieb wieder aufnehmen. Um Punkt zehn Uhr beginnen
       hoch oben auf dem Parlamentshügel zu Ottawa die Sitzungen, ganz wie sonst
       auch. „Unsere Demokratie läßt sich nicht einschüchtern“, twitterte Harpers
       Industrieminister James Moore noch am Abend. Auch die Wachen am Mahnmal des
       unbekannten Soldaten werden wieder ihre Plätze einnehmen.
       
       23 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Michel
       
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