# taz.de -- Neues Versammlungsgesetz im Norden: Drohnen und Schikanen
       
       > Schleswig-Holsteins geplantes Versammlungsgesetz beinhaltet viele
       > Einschränkungen von Grundrechten und nur wenig Lockerungen.
       
 (IMG) Bild: Neues Versammlungsrecht: Bald wird es teuer, sich den Nazis in den Weg zu setzen.
       
       HAMBURG taz | Gesetzesverschärfung oder liberalisierung? Der von der
       schleswig-holsteinischen Landesregierung vorgelegte Entwurf eines
       Versammlungsgesetzes, das die Rechte von DemonstrantInnen, aber auch der
       Polizei bei Demonstrationen und Kundgebungen regeln soll, wird im
       nördlichsten Bundesland kontrovers diskutiert. Befürworter sehen in dem
       Paragrafenwerk, das nach erneuter Überarbeitung wohl im Januar mit der
       Mehrheit von SPD, Grünen und SSW den Landtag passieren wird, eine deutliche
       Liberalisierung. Dagegen warnen dessen Kritiker: „Versammlungsfreiheit in
       Gefahr!“
       
       Grund für die Novellierung ist laut Burkhard Peters, Mitglied der grünen
       Landtagsfraktion, „dass das Gesetz von 1953 völlig veraltet ist, und einer
       zeitgemäßen Rechtsprechung nicht mehr entspricht“. Der
       schleswig-holsteinische Richterverband sieht deshalb in dem bislang
       vorgelegten Entwurf zwar Fortschritte in Hinsicht auf ein modernes
       Versammlungsrecht, das den Gesichtspunkt der Grundrechtsausübung
       hervorhebe, gleichzeitig aber auch „noch Überprüfungs- und
       Änderungsbedarf“.
       
       Das Gesetz enthalte „viele Verbesserungen, aber auch zahlreiche
       Verschlechterungen“, sagt Martin Schaar von der schleswig-holsteinischen
       Strafverteidigervereinigung. Zu den Liberalisierungen gehöre, dass viele
       Vergehen, die bisher als Straftaten gelten, demnächst nur noch
       Ordnungswidrigkeiten sind. Dazu zählen Verstöße gegen das Vermummungsverbot
       oder auch Sitzblockaden.
       
       Gleichzeitig wurden die Bußgelder für viele Ordnungswidrigkeiten drastisch
       erhöht, für die Teilnahme einer als Ordnungswidrigkeit bewerteten
       Sitzblockade etwa von bislang höchstens 500 auf nun bis zu 1.500 Euro glatt
       verdreifacht.
       
       „Solche Bußgelder sind ähnlich abschreckend wie die bisherigen
       Straftatbestände“, glaubt Martin Schaar. Bußgelder soll es demnächst auch
       hageln, wenn eine Demonstration nicht mit allen Details angemeldet werden –
       etwa nicht jeder der eingesetzten Ordner im Vorfeld benannt wird. „Die
       Organisation einer Demonstration wird so deutlich erschwert“, warnt Schaar.
       
       „Die Verschärfungen im Polizeirecht aber überwiegen deutlich die
       Liberalisierung bei den bisherigen Straftatbeständen“, befindet der Kieler
       Rechtsanwalt Björn Elberling, Mitglied des Bündnisses für
       Versammlungsfreiheit Schleswig-Holstein. Dem Bündnis stoßen vor allem die
       ausgeweiteten Befugnisse der Polizei sauer auf. In Zukunft können Demos
       auch von Hubschraubern und Mini-Drohnen aus überwacht werden.
       
       „Diese Überwachung hat einen abschreckenden Effekt, der viele Menschen von
       der Wahrnehmung ihres Versammlungsrechts abhalten wird“, befürchtet
       Elberling. Auch die Strafverteidigervereinigung hält die „weitgehende
       Videographierung“ für verfehlt und Patrick Breyer, Landtagsabgeordneter der
       Piraten sieht durch die Videoflut gar das Demonstrationsrecht als „Quelle
       der Demokratie“ im Grundsatz gefährdet.
       
       Für den Grünen-Politiker Peters ist das Unsinn: „Es geht nicht um
       Aufzeichnungen, die Einzelne fokussieren und anschließend gespeichert
       werden, sondern um Übersichtsaufnahmen die es der Polizei ermöglichen, sich
       einen Überblick über die Demo zu verschaffen.“
       
       Tobias von Pein (SPD) ergänzt: „So etwas wie in Köln wird es hierzulande
       nicht geben.“ Dort hatte sich die Polizei nach der islamophoben Demo von
       Rechtsgesinnten und Hooligans gerühmt, durch die abgespeicherten
       Überblicksaufnahmen die Gesichter von Straftätern identifizieren zu können.
       
       Ein weiterer Knackpunkt: Personen können durchsucht und ihnen darf
       präventiv die Demo-Teilnahme verboten werden, wenn es etwa Anhaltspunkte
       gibt, sie würden sich vermummen. „Wir lehnen es ab, Menschen von vornherein
       mehr oder weniger willkürlich von einer Versammlung auszuschließen“, sagt
       der Pirat Breyer.
       
       Auch die Strafverteidiger klagen: „Das Teilnahmeverbot ist eine sehr
       weitgehende Maßnahme auf Grundlage einer in der Praxis nicht überprüfbaren
       Gefahrenprognose.“
       
       12 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Theresa Glöde
 (DIR) Marco Carini
       
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