# taz.de -- Kolumne German Angst: Beleidigte, vereinigt euch!
       
       > Der Deutschen liebstes Hobby ist das Beleidigtsein. Wolf Biermann hat den
       > Sound dazu kreiert. Viele eifern ihm nach: rumpelig, laut und
       > vorwurfsvoll.
       
 (IMG) Bild: Der Sound des Gerechten.
       
       Überall sehe ich Beleidigte und Eingeschnappte. Ist es nur ein Spleen? Ich
       glaube nicht. Es begann mit Wolf Biermanns Auftritt im Bundestag: trotzig
       abstehender Bart, der beleidigte Ton in der Stimme, und überhaupt seit dem
       Ende der DDR noch beleidigter. Keine Angst: Hier wird es nicht um Biermann
       gehen. Es geht um das chronische Beleidigtsein.
       
       Aber Biermann hat eben den Sound des Eingeschnappten kreiert.
       Pampamapapamm! So klingt selbstgerechter Ärger, so klingt es, wenn die Hand
       des Gerechten auf die Saiten haut. Rumpelig, vorwurfsvoll. Laut. Beleidigt.
       In einem Comic würde sich nun über dem Kopf eine schwarze Wolke
       zusammenziehen.
       
       Beleidigte sah man zuletzt viele. Vielleicht liegt es daran, dass jetzt die
       Tage so kurz sind, es tatsächlich dunkler wird. Ich werde aber den Eindruck
       nicht los, dass das etwas besonders Deutsches ist. Ein liebes Hobby, das
       man in Deutschland mindestens seit 1945 pflegt. Eine kollektive Psychose,
       die vielleicht von einer notorischen Selbstüberschätzung kommt und in
       Angriff übergeht, wenn andere etwas anders sehen. Beleidigte ducken sich
       hierzulande nämlich nicht – sie schimpfen! Rampampamm: Wir sind
       wieder/immer noch/doch wer. So in etwa.
       
       ## Dunkle Wolke über Alice Schwarzer
       
       Eine schwarze Wolke jedenfalls hat sich jüngst auch über dem Kopf von Alice
       Schwarzer zusammengezogen. Die hatte eine Twitter-Kampagne für ihre Emma
       gestartet: #EMMAistfürmich. Sie ging nach hinten los: Der Hashtag wurde
       geflutet mit kritischen Statements, feministischen und antifeministischen.
       Tja. Aber auch schlechte PR ist wirkungsvoll und die Medien bissen an.
       
       Alice Schwarzer hatte keinen Grund, sich zu beklagen. Tat sie aber. Und so
       erschien auf Emma.de eine – rampampamm! – verschnupfte Replik. Gegen diese
       „Netzfeministinnen“, sehr persönlich: „Wer ist da eigentlich peinlich?“,
       fragt Emma.de und behauptet, der Hashtag wurde von Feministinnen gekapert,
       „die möchten, dass Emma endlich den Mund hält“.
       
       Spiegel-Online-Kolumnist Jan Fleischhauer wäre gerne auf diesen Zug
       aufgesprungen, aber er fühlt sich – rampampamm! – ebenfalls von den
       „Netzfeministinnen“ auf den Schlips getreten. Ihm wird das alles zu
       kompliziert. Diese Feministinnen nämlich wollen alle verschiedene Sachen.
       Wissen diese Frauen nicht, was sie wollen sollen? Der neue Feminismus
       ziele, statt ins Allgemeingültige, „ins Sektenhafte“, schreibt er. Frauen
       sind also nicht mehr „die Frau“. Eigentlich kein Grund, beleidigt zu sein.
       
       ## Niemand tut, was er soll
       
       Und auch andere tun nicht, was sie sollen. Helmut Kohl und sein Anwalt
       Thomas Hermes gehen gegen Heribert Schwan vor, weil dieser korrekt zitiert;
       der Bundespräsident ist beleidigt, weil ein Linker Ministerpräsident werden
       könnte; die Verschwörungstheoretiker und Putin-Versteher schmollen, weil
       die Erde keine Scheibe mehr ist und man gar nicht hinunterfällt, wenn man
       einen Gedankenschritt zu viel tut. Rampammpamm. Ein ganzes Orchester hätte
       uns durch die vergangenen Wochen begleiten können.
       
       Ein Zustand ist das, dieses offensive Beleidigtsein. Deutschland wird immer
       mehr zu einer chronisch beleidigten Nation, vereint in einem Bauchgefühl.
       
       16 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sonja Vogel
       
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