# taz.de -- Neuer Chef beim FC St. Pauli: Zäh im Abgang
       
       > Mitglieder wählen Oke Göttlich zum neuen Klubchef. Warum ein
       > erfolgreicher Präsident ausgetauscht wird, leuchtet aber nicht allen
       > Wahlberechtigten und schon gar nicht dem scheidenden Amtsinhaber ein.
       
 (IMG) Bild: Punkte gesammelt: Der künftige Präsident des FC St. Pauli, Oke Göttlich, spricht vor seiner Wahl vor den Mitgliedern.
       
       HAMBURG taz | „Dann hätte man mich mal fragen können“ – mit diesem
       Zwischenruf machte der scheidende Präsident Stefan Orth auf der
       Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli am Sonntag ein Fass auf, das bis
       dahin alle Akteure versucht hatten, geschlossen zu halten. Zuvor hatte
       Aufsichtsratschef Marcus Schulz tausend anwesenden Vereinsmitgliedern
       erklärt, warum sein Gremium nicht erneut Orth, sondern den Musikunternehmer
       Oke Göttlich der Versammlung als neuen Klubchef vorschlage.
       
       Mehrere Redner monierten, sie hätten so keine wirkliche Wahl. Ein
       „Wettbewerb der Ideen“ durch zwei gegeneinander antretende Kandidaten hätte
       dem Verein „gut zu Gesicht gestanden“. Schulz betonte, weder Orth noch
       Göttlich hätten sich einer Kampfkandidatur gestellt.
       
       Doch das sah Zwischenrufer Orth in Bezug auf seine Person anders. Er
       betonte, da stehe wohl „Aussage gegen Aussage“ und machte so die Gräben
       deutlich, die in den vergangenen Wochen zwischen Präsidium und Aufsichtsrat
       entstanden sind. Die ansonsten in ruhigen Bahnen verlaufende Versammlung
       hatte ihren Eklat.
       
       Ein erfolgreiches Präsidium, das die Sanierung der Vereinsfinanzen und den
       Stadionneubau entscheidend voranbrachte, durfte auf Geheiß der Kontrolleure
       nach vierjähriger Amtszeit nicht erneut kandidieren – dieser Ausgangslage
       mussten sich die im Hamburger Congresscentrum versammelten Mitglieder
       stellen. Stattdessen sollte ein neuer „Präsi“ kommen, der nach Ansicht der
       Aufsichtsräte noch besser sein könnte als der alte.
       
       „Führung, Strategie, Kommunikation“, sagte Schulz, seien die Punkte, in
       denen Göttlich stärker sei als sein Vorgänger. Vor allem ein strategischer
       Kopf ist den Räten wichtig: Immer mehr Fußballvereine verkämen zu
       millionenschweren Marketingabteilungen von Großkonzernen, die
       Profiabteilungen würden aus den Klubs ausgesourct und dem Mitgliederwillen
       entzogen – da müsse der FC St. Pauli einen ganz eigenen Weg gehen, um im
       Haifischbecken Profifußball als ein etwas anderer Verein zu überleben.
       
       Diesen zu finden, traut der Aufsichtsrat Göttlich eher zu als seinem
       Vorgänger Orth. Göttlichs Firma, die die Interessen unabhängiger Labels in
       einem von Großkonzernen dominierten digitalen Musikmarkt vertritt und mit
       diesem Nischenprodukt Millionen umsetzt, gilt ihnen als Blaupause. Orth
       hingegen schätzen sie eher als soliden Verwalter, denn als visionären Kopf
       ein. Doch Orth sieht sich anders und zeigte sich auf der Versammlung als
       zerknirschter, weil zu Unrecht um Amt und Würde gebrachter Präsident.
       
       Göttlich hingegen lobte in seiner Antrittsrede erst einmal die Fans, „die
       gestern nach Hannover gefahren sind, um sich den Hooligans
       entgegenzustellen“, und sammelte so Punkte auf der Gesinnungsebene. Er
       wolle „die Werte und Ideale“ des Klubs „noch aktiver fördern“ und zugleich
       die internen Strukturen der Entscheidungsfindung, Personalauswahl und
       Leistungskontrolle professionalisieren.
       
       Präziser wurde der 38-Jährige nur, als er sich gegen einen Antrag
       aussprach, der Verein möge sich „öffentlichkeitswirksam gegen eine
       Bewerbung der Stadt Hamburg um die Ausrichtung von Olympischen Spielen
       aussprechen“. Für eine solche Festlegung sei es zu früh, fand Göttlich.
       
       Ohne Gegenkandidatur war die Wahl des jüngsten Vereinspräsidenten im
       bezahlten Fußball Formsache. Die Wortbeiträge vieler Mitglieder, die die
       Austauschprozedur kritisierten und die nicht verstanden, warum ein
       gemeinsames Präsidium mit Orth und Göttlich im Team nicht für einen
       „weicheren Übergang“ sorge, fanden im Wahlergebnis ihren Niederschlag.
       Göttlich bekam knapp 80 Prozent der Stimmen – 217 der 1.058 gültig
       votierenden Mitglieder verweigerten ihm ihre Stimme.
       
       17 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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