# taz.de -- Der FC St. Pauli in der Krise: Fehleranalyse mit Zettel-Ewald
       
       > Als Aufstiegskandidat war St. Pauli in der Zweiten Liga gestartet. Zur
       > Winterpause ist das Team auf den letzten Tabellenplatz abgestürzt.
       
 (IMG) Bild: Ratlos auf St. Pauli: Die Spieler nach der Heimniederlage gegen Darmstadt, im Hintergrund geht Trainer Meggle
       
       HAMBURG taz | Ausgerechnet der erste Tiefpunkt, den Ewald Lienen mit seiner
       neuen Mannschaft erleben musste, macht ihm Mut: Nach der knappen
       1:2-Niederlage gegen den Zweitliga-Tabellenführer FC Ingolstadt am
       Mittwochabend war St.-Pauli-Trainer Ewald Lienen mit der Leistung des
       Tabellenletzten der Zweiten Liga „nicht unzufrieden“. Vor allem lobte
       Lienen die Defensivarbeit des Teams, das er an diesem Abend gerade mal
       einen Tag betreut hatte.
       
       Anfang der Woche hatten sich am Millerntor die Ereignisse überschlagen:
       Nach der 0:1-Heimniederlage gegen Darmstadt kam nach Informationen der taz
       ein Signal aus der sportlichen Leitung des Vereins, dass schnelle
       personelle Veränderungen jetzt notwendig seien, um den Absturz in die
       Dritte Liga doch zu verhindern.
       
       Tags darauf folgte „das große Aufräumen“ (Hamburger Abendblatt), das
       „Erdbeben am Millerntor“ (Bild). In einer erst am frühen Dienstagmorgen
       endenden Sitzung stellten Präsidium und Aufsichtsrat die Weichen: Ewald
       Lienen, seit Wochen als einer von vielen externen Beratern mit der
       Vereinsführung in ständigem Austausch und zuletzt beim rumänischen
       Erstligisten FC Otelul Galati unter Vertrag, wurde als Cheftrainer
       verpflichtet. Sein Vorgänger Thomas Meggle, mit dem Präsidium und
       Aufsichtsrat langfristig zusammenarbeiten wollten, wurde nach nur
       100-tägigem Einsatz auf den Posten des Sportchefs beordert. Und für den
       bisherigen Sportchef Rachid Azzouzi war kein Platz mehr, er wurde
       beurlaubt.
       
       „Wir mussten in dieser Situation neue Reize setzen, um unsere sportlichen
       Ziele noch zu erreichen“, sagte Präsident Oke Göttlich, der noch vor
       wenigen Tagen erklärt hatte, „handelnde Personen auszutauschen“ würde nur
       für „noch mehr Verunsicherung“ sorgen.
       
       ## Unaufhaltsame Dynamik
       
       Zu diesem Zeitpunkt lautete der Plan des neuen Präsidiums noch: In der
       Winterpause sollte zusätzliche sportliche Kompetenz ans Millerntor geholt
       werden, ohne jedoch Azzouzi oder Meggle zu feuern. Die Heimniederlage gegen
       Darmstadt setzte aber eine Dynamik in Gang, der sich die Verantwortlichen
       nicht entziehen konnten. Schnell wurde Lienen geholt, er ist nach Roland
       Vrabec und Thomas Meggle bereits der dritte Trainer in der laufenden
       Zweitligasaison.
       
       2012 war Azzouzi nach Hamburg gekommen, um das Team zu verjüngen. Die von
       ihm zusammengestellte Mannschaft spielte noch in der vergangenen Saison
       lange um den Aufstieg mit. Doch in dieser Spielzeit kriselte es sportlich,
       im Herbst wurde von den Mitgliedern ein neues Präsidium installiert und der
       Aufsichtsrat fast komplett ausgewechselt, und nun musste Sportdirektor
       Azzouzi dran glauben.
       
       Warum aber, was in der einen Saison klappte, in der anderen misslingt, weiß
       man im Klub nicht. „Es fehlen Schlüsselspieler“, sagt Thomas Meggle. Unter
       den Fans herrscht die Vermutung vor, dass zu viele Spieler sich nicht genug
       mit dem Verein identifizieren. Akteure wie Michael Görlitz, Tom Trybull
       oder Ante Budimir riefen in den vergangenen Wochen ihr Potenzial nicht
       einmal ansatzweise ab und wurden auf die Ersatzbank oder gar gleich auf die
       Tribüne geschickt. Und die verbliebenen Spieler wirkten oft verunsichert
       und mutlos.
       
       ## 14 Profis gleichzeitig nicht einsatzfähig
       
       Zudem muss man konstatieren, dass manchmal auch schlicht Spieler fehlten,
       um einen im Profifußball ausreichenden Kader zu bilden: In der vergangenen
       Woche etwa waren zur gleichen Zeit 14 Profis nicht einsatzfähig.
       
       „In dieser Situation haben wir uns für einen erfahrenen und akribisch
       arbeitenden Trainer entschieden“, begründet Oke Göttlich das Votum für
       Lienen, der bereits bei 14 Vereinen arbeitete. Mit dem 61-Jährigen, dessen
       Markenzeichen es ist, während der Spiele Notizen auf Zettel zu schreiben,
       verbindet sich die Hoffnung, dass er die entscheidenden Details findet und
       verändert, die es braucht, um den Umschwung zu bewirken.
       
       Der Gegner vom Mittwoch, Ingolstadt, kann da als Vorbild dienen: Vor einem
       Jahr schwebte er noch in Abstiegsgefahr, nun aber ist er Tabellenführer und
       das, als was St. Pauli zu Saisonbeginn galt: Aufstiegskandidat.
       
       20 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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