# taz.de -- Zwischen den Rillen: Sinnsuche eines Allrounders
       
       > Aus der Provinz in die Großstadt: Der Rapper Mortis verarbeitet auf
       > seinem Debütalbum „Hollywoodpsychose“ seinen Werdegang.
       
 (IMG) Bild: Mortis rappt nicht nur, er produzierte sein erstes Album in Eigenregie
       
       Idyllische Wälder, plätschernde Bäche und Sonnenstrahlen, die lautlos durch
       die Baumwipfel scheinen. Der Südharz. Nur einen Atemzug später erschüttern
       dumpfe Technobässe die Fassade im plötzlich grellen Neonlicht. Kalter
       Zigarettenrauch schleicht sich durch den Hinterhof eines Wohnblocks.
       Berlin.
       
       Marc Junge, besser bekannt als Mortis, ist der Protagonist seines ganz
       persönlichen Rap-Films. Die Geschichte des Dorfkinds, das in die große
       Stadt zieht, ist zwar nicht die innovativste. Doch Mortis hält auf seinem
       Debütalbum „Hollywoodpsychose“ bewusst die eigenen Fäden in der Hand. Das
       rappte er nämlich nicht nur solo, sondern produzierte alle 13 Tracks in
       Eigenregie.
       
       „Baute im Studio Beats, anstatt Fußball zu spielen“, heißt es da. Musik ist
       Mortis’ Lieblingsbeschäftigung, er tüftelt wie besessen an seinem Sound.
       Daraus resultieren dichte Klangteppiche, sorgfältig ausgewählte
       Soul-Samples und gesungene Hooklines, die derweil schon als inoffizielles
       Erkennungsmerkmal für Mortis’ Version von HipHop fungieren.
       
       Bis jetzt beschränkt sich Mortis’ Bekanntheitsgrad noch auf die Rapszene,
       ein Anfänger ist er keineswegs: Unter dem Namen Mortis One veröffentlichte
       er bereits einige Mixtapes; als Mortis folgte dann Anfang des Jahres die EP
       „Der Goldene Käfig“ beim HipHop-Label Showdown Records.
       
       Trotz der Rap-Sozialisierung ist „Morti“, wie er liebevoll in der Szene
       genannt wird, weder Gangster noch Hipster. Stattdessen macht er Pop mit
       mehrheitlichen Rap-, aber auch genreübergreifenden Elementen und
       gitarrenlastigeren Melodien. Sein Elternhaus spielt dabei auch eine Rolle,
       denn seine Eltern hören gerne Manowar und Metallica. Das hat den Sound
       seines Albums mitgeprägt.
       
       ## Coming-of-Age-Story
       
       Textlich bewegt sich „Hollywoodpsychose“ durch die vergangenen zehn Jahre
       in Mortis’ Leben. Auf dem Album erstreckt sich das von seinen Rap-Anfängen
       in der Provinz, dem 18. Geburtstag und dem damit verbundenen Umzug zu
       seinem DJ nach Hannover, wo er sich nur auf einer Matratze in dessen Flur
       einquartierte, über Berlin, nächtliche Erlebnisse, Partys, Alkohol und dem
       finanziellen Über-die-Runden-kommen.
       
       Mortis spart sich die hochtrabenden oder politischen Themen, zwischen den
       Zeilen schwingen dennoch philosophische Lebensfragen mit. Fragen, die das
       Leben eines Endzwanzigers mit sich bringen. Sinnsuche, die auch durch das
       Wort „Psychose“ im Albumtitel angedeutet wird. Sie wird durch seine
       atmosphärischen Instrumentals untermalt, aber nie konkret ausformuliert.
       
       Die Idee zum Albumtitel sei aber durch einen YouTube-Kommentar entstanden,
       in dem ein Nutzer über den Rapper schrieb, das er „voll die
       Hollywoodpsychose“ hätte, sagt er selbst.
       
       „Hollywoodpsychose“ ist die musikalische Coming-of-Age-Story eines
       mittlerweile jungen Erwachsenen. Er erzählt seine Entwicklung vom Exzess
       zur ernsthaften Existenz. Mortis wirkt mit seinen 29 Jahren als Künstler
       noch unbefangen. Er hat seinen Stil gefunden, hat aber hinsichtlich seiner
       musikalischen Qualität und Live-Performance auch noch Luft nach oben.
       
       Da Frauen in der Rapszene nach wie vor in der Minderheit sind, wirkt es
       allenfalls wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, dass der einzige
       Feature-Gast auf dem Album weiblich ist. Die Rap-Moderatorin Visa Vie
       eröffnet gemeinsam mit ihm den Trackreigen mit der berechtigten Frage: „Wer
       ist dieser Mortis?“ Es ist kein Geheimnis mehr: Der Mann ist ein
       Allround-Talent und hat das HipHop-Game verstanden. Der YouTuber hatte
       übrigens Unrecht, Mortis erleidet keinen Realitätsverlust. Und Berlin ist
       auch nicht Hollywood.
       
       12 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nora Pfützenreuter
       
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