# taz.de -- Prozess gegen Boston-Bomber beginnt: Zerstörung per Schnellkochtopf
       
       > Knapp zwei Jahre nach dem Anschlag auf den Boston-Marathon startet das
       > Verfahren gegen Dzhokhar Tsarnaev. Ihm droht die Todesstrafe.
       
 (IMG) Bild: Bei dem Anschlag in Boston wurden 3 Menschen getötet und 264 weitere verletzt.
       
       BOSTON taz | Knapp zwei Jahre nachdem zwei hausgemachte Bomben in
       Schnellkochtöpfen in der Zielgeraden des Marathons drei Menschen getötet
       und mehr als 260 verletzt haben, beginnt am Montag in Boston der Prozess.
       Einziger Angeklagter ist der heute 21-jährige Dzhokhar Tsarnaev. Wegen des
       Einsatzes von „Massenvernichtungswaffen“ und Verschwörung sowie 28 anderen
       Anklagepunkten droht ihm die Todesstrafe. Sein sieben Jahre älterer Bruder
       Tamerlan kam bei einer Schießerei mit der Polizei im April 2011 ums Leben.
       
       Am 15. April 2013, dem „Patriotentag“, an dem die beiden in Rucksäcken
       deponierten Bomben beim 117. Boston Marathon explodierten, fühlten sich
       US-AmerikanerInnen umgehend an den 11. September 2001 erinnert. Noch am
       Abend kündigte Präsident Barack Obama an: „Wir werden den oder die
       Verantwortlichen finden und dieser Sache auf den Grund gehen.“
       
       Damals befand sich die Millionenstadt Boston im Ausnahmezustand. Die
       Polizei hatte alle EinwohnerInnen aufgefordert, in ihren Wohnungen zu
       bleiben, und jagte nach den Attentätern. Drei Tage später verhaftete sie
       den schwer verletzten jüngeren Tsarnaev. Der 19-Jährige hatte sich in ein
       Boot auf einem Trockendock in einem Garten im Stadtteil Watertown
       geflüchtet. Dort fand die Polizei Texte mit Sätzen wie: „Wir Muslime sind
       ein einziger Körper. Wer einen von uns verletzt, verletzt alle“.
       
       Dzhokhar Tsarnaev, Sprössling einer aus Tschetschenien stammenden Familie,
       galt als Beispiel für gelungene Integration. Er hatte in Boston Freunde und
       Freundinnen, war ein guter Student und naturalisierter
       US-Staatsangehöriger. Nach dem Attentat kam heraus, dass sein älterer
       Bruder Tamerlan bei einem Familienbesuch im Kaukasus Kontakte zu
       bewaffneten Islamisten gehabt haben soll. Und dass die lange vor dem
       Attentat aus den USA in den Kaukasus zurückgekehrte Mutter Tsarnaevs am
       Telefon von einem „Dschihad“ gesprochen haben soll.
       
       ## Todesstrafe möglich
       
       Doch Warnungen der russischen Polizei an den FBI über verdächtige
       Aktivitäten von Tamerlan Tsarnaev verhallten. Nach dem Attentat sprachen
       „Sicherheitsexperten“ wie der Republikaner Peter King zunächst von einem
       „Versagen des FBI“. Später lenkte der Kongressabgeordnete seine Vorwürfe
       gegen Moskau um. Wenn Moskau alles gesagt hätte, was es über die Tsarnaevs
       wusste, wäre es nicht zu dem Attentat gekommen, sagte King. Putin konterte,
       es gebe keine „russische Fährte“.
       
       Der liberale Bundesstaat Massachusetts hat die Todesstrafe bereits 1982
       abgeschafft. Nach Meinungsumfragen lehnen die meisten Bostonians auch im
       Fall Tsarnaev ab, dass die Todesstrafe verhängt wird. Doch die
       Obama-Regierung ist ständig auf der Hut vor dem Vorwurf, „schwach im Umgang
       mit Terroristen“ zu sein. Justizminister Eric Holder, angeblich ein Gegner
       der Todesstrafe, gestattete der Anklage, im Fall des mutmaßlichen
       Boston-Bombenlegers die Todesstrafe nach Bundesgesetz zu erwägen.
       
       Wenn am Montag die langwierige Auswahl der zwölf Geschworenen beginnt,
       kommen nur solche KandidatInnen in Frage, die grundsätzlich bereit sind,
       die Todesstrafe zu verhängen.
       
       ## Der Angeklagte plädiert auf nicht schuldig
       
       Der Prozess wird voraussichtlich mehrere Monate dauern. In der ersten Phase
       muss die Schuldfrage von Dzhokhar Tsarnaev geklärt werden. In der zweiten
       geht es um das Strafmaß. Laut Anklageschrift hat Dzhokhar Tsarnaev mehrere
       Schriften von Befürwortern eines Dschihad gegen Ungläubige auf seinem
       Computer gespeichert. Der Angeklagte soll auch die Bomben-Bastelanleitung
       heruntergeladen, ein bei dem Anschlag benutztes Handy gekauft und einen der
       Bombenrucksäcke deponiert haben.
       
       Der Angeklagte, der seit dem Attentat meist in Isolation in einem Bostoner
       Gefängniskrankenhaus war, bestreitet seine Schuld. Seine VerteidigerInnen,
       darunter Judy Clarke, haben vergeblich versucht, den Prozess zu verschieben
       und an einen anderen Ort zu verlagern. Als nächstes geht es ihnen darum,
       das Leben ihres Mandanten zu retten.
       
       5 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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