# taz.de -- Augenzeugen sprechen über „Charlie“: Die Ideen leben weiter
       
       > Patrick Pelloux schreibt für „Charlie Hebdo“ und konnte am Tatort
       > Kollegen retten. Sigolène Vinson war in der Redaktion – und überlebte.
       
 (IMG) Bild: Patrick Pelloux gab ein bewegendes Interview.
       
       Patrick Pelloux ist Arzt, für Charlie Hebdo schrieb er eine Kolumne zu
       gesundheitspolitischen Themen. Er war am Mittwoch einer der ersten am
       Tatort des Attentats in Paris und ist in diesen Tagen einer von vielen, die
       in französischen Medien von ihren Erlebnisse, dem Schock und der Trauer
       berichten. „Es war schrecklich“, berichtet er im [1][französischen
       Fernsehen]. „Viele waren schon tot, denn man hatte sie ermordet – wie bei
       einer Exekution. Wir haben es geschafft, andere zu retten.“
       
       Pelloux muss sich immer wieder unterbrechen, um Luft zu holen und das
       Schluchzen zu unterdrücken. Am Mittwochvormittag befand er sich in der Nähe
       des Redaktionsgebäudes, als ihn der Hilferuf eines Grafikers von Charlie
       Hebdo erreichte: „Patrick, wir brauchen dich“. Pelloux kam und versorgte
       die Verletzten.
       
       Er gebe das Interview auch, um zu sagen, dass die Zeitschrift weitermachen
       werde, sagte er dem Sender iTélé – und um deutlich zu machen, dass kein
       Hass gegen die Muslime im Land aufkommen dürfe.
       
       Mittlerweile äußern sich auch immer mehr Redaktionsmitglieder von Charlie
       Hebdo öffentlich. In einem [2][Interview mit dem Radiosender France Info]
       erzählt der Journalist Laurent Léger, wie er das Attentat erlebt hat:
       „Plötzlich haben wir es knallen gehört, wir wussten nicht, was das war.
       Dann ging die Tür auf und da erscheint dieser kleine Mann, der 'Allahu
       Akbar' rief. Und dann hat er geschossen. Es roch nach Pulver. Ich habe mich
       hinter einen Tisch werfen können. Die Kollegen sind zu Boden gefallen.“
       
       ## „Ich werde dich nicht umbringen. Du bist eine Frau.“
       
       Zuerst habe Léger gedacht, es handele sich um einen Witz. „Wir sind ja
       ziemliche Witzbolde bei Charlie. Aber nein, im Gegenteil, es war Barbarei.“
       Léger widerspricht in dem Gespräch dem Gerücht, die Attentäter hätten die
       Namen der Journalisten gerufen, bevor sie sie erschossen. Er bestätigt
       dagegen, dass die Attentäter erklärt hätten, Frauen zu verschonen.
       
       Eine Frau, die das Attentat überlebt hat, ist Sigolène Vinson. Der New York
       Times [3][berichtet sie], sie habe sich auf den Boden geworfen, aber einer
       der Angreifer habe sie am Arm gepackt und seine Waffe auf ihren Kopf
       gerichtet. Anstatt abzudrücken habe er mit ruhiger Stimme auf sie
       eingeredet: „Hab keine Angst, ich werde dich nicht umbringen. Du bist eine
       Frau. Aber denke darüber nach, was du machst. Es ist nicht richtig.“
       
       Neben den Augenzeugenberichten der Überlebenden sind in französischen
       Medien auch immer mehr Stimmen von Angehörigen der Getöteten zu vernehmen.
       Jeanette Bougrab, die Partnerin des ermordeten Chefredakteurs Stéphane
       Charbonnier, beschrieb diesen im [4][französischen Fernsehen tf1] als
       „einen Kämpfer, der aufrecht leben wollte“. Er hätte mit der Angst gelebt,
       im vollen Bewusstsein, dass er getötet werden könnte. „Wenn sie einen Stift
       in die Hand nehmen, können sie sterben – so sieht es heute in Frankreich
       aus“, so Bougrab.
       
       Die Tochter des ebenfalls ums Leben gekommenen Karikaturisten Georges
       Wolinski, Elsa Wolinski, äußert sich ebenfalls öffentlich. [5][Dem
       Fernsehsender BFMTV sagt sie], sie habe immer gewusst, dass es ein Risiko
       für ihren Vater gegeben hätte, aber nie geglaubt, dass tatsächlich etwas
       passieren könne. Dennoch, so Wolinski, hätten die Attentäter aber nicht
       gewonnen. Die französische Gesellschaft sei in den letzten Jahren gespalten
       gewesen, aber nun zeige sich, dass man sich vereinigen und Frankreich einen
       Sinn geben könne – nämlich die Freiheit. „Sie haben meinen Vater ermordet“,
       erklärt Elsa Wolinski, „aber nicht seine Ideen“.
       
       9 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.itele.fr/france/video/limmense-emotion-de-patrick-pelloux-le-journal-va-continuer-ils-nont-pas-gagne-106912
 (DIR) [2] http://www.franceinfo.fr/actu/faits-divers/article/je-me-demande-encore-comment-j-ai-pu-en-rechapper-laurent-leger-survivant-de-l-attentat-628615
 (DIR) [3] http://www.nytimes.com/2015/01/09/world/europe/survivors-retrace-a-scene-of-horror-at-charlie-hebdo.html?_r=0
 (DIR) [4] http://videos.tf1.fr/jt-20h/2015/charlie-hebdo-charb-savait-qu-il-allait-mourir-declare-sa-compagne-8544470.html?xtmc=jeannette
 (DIR) [5] http://www.dailymotion.com/video/x2ec2k6_elsa-wolinski-ils-ont-tue-mon-pere-mais-pas-ses-idees_news
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luise Checchin
       
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