# taz.de -- Luxemburg-Liebknecht-Demo: „Ritual um des Rituals willen“
       
       > Am Sonntag findet zum Gedenken an die beiden Revolutionäre wieder die
       > traditionelle, reichlich nostalgische Großdemonstration statt.
       
 (IMG) Bild: Es gibt wieder jede Menge Nelken für Rosa...
       
       taz: Frau Dehmlow, wird es in diesem Jahr wieder eine
       Alternativveranstaltung zur traditionellen
       Liebknecht-Luxemburg-Demonstration geben? 
       
       Nina Dehmlow: Ja, wir als Rosa-und-Karl-Bündnis organisieren einen
       Gedenkspaziergang, der vom Halleschen Tor durch das alte Zeitungsviertel
       führt und bei dem wir uns an verschiedenen Stationen an Rosa Luxemburg und
       Karl Liebknecht erinnern wollen – wir rechnen dabei mit mindestens 200
       Teilnehmern und Teilnehmerinnen.
       
       Das ist nicht viel im Vergleich zu den vermutlich wieder Tausenden, die an
       der Liebknecht-Luxemburg-Demo teilnehmen werden. Ist der Versuch, einen
       Gegenentwurf zu etablieren, gescheitert? 
       
       Nein, das würde ich so nicht sagen. Natürlich kann man sagen, dass es, als
       wir 2013 mit dem Rosa-und-Karl-Bündnis gestartet sind, vielleicht teilweise
       Erwartungen gab, die sich so nicht erfüllt haben. Trotzdem ging es uns in
       erster Linie darum, uns selbst und allen anderen Menschen, die sich in der
       Liebknecht-Luxemburg-Demo nicht wiederfinden können, eine Alternative zu
       schaffen – daran halten wir auch weiterhin fest und die Richtigkeit dieses
       Gedankens lässt sich ja nicht an Teilnehmerzahlen festmachen.
       
       Dennoch veranstalten Sie in diesem Jahr keine große Demonstration mehr. 
       
       Das hat aber auch damit zu tun, dass wir andere Formen ausprobieren wollen.
       Der Gedenkspaziergang mit verschiedenen Stationen entspricht unserem Motto
       „fragend schreiten wir voran – fragend blicken wir zurück“ und hat somit
       einen stärkeren Bildungscharakter. Es geht uns um eine tiefere inhaltliche
       Beschäftigung mit Luxemburg und Liebknecht, die in dieser Form auf einer
       klassischen Demonstration gar nicht möglich wäre.
       
       Welche Kritik haben Sie an der traditionellen
       Liebknecht-Luxemburg-Demonstration? 
       
       Vorweg: Wir haben nichts gegen Gedenken, und auch nicht an sich gegen
       Traditionen. Aber zum einen ist es dieses sehr Ritualhafte, das Ritual um
       des Rituals willen, was uns stört. Zum anderen, und das ist noch wichtiger,
       kommt es bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration immer wieder zu einer
       Stalin-Glorifizierung, die uns schon immer Bauchschmerzen gemacht hat. Als
       dann 2012 eine Gruppe, die ein Transparent gegen die Verherrlichung von
       Stalin, Mao und Lenin entrollte, körperlich angegriffen wurde, ohne dass
       sich die Veranstalter und Veranstalterinnen im Nachhinein klar von dieser
       Aktion distanziert hätten, war für uns klar: Okay, wir machen jetzt was
       anderes.
       
       Trotz dieser Vorfälle und der umstrittenen Bezugnahme erfreut sich die
       Liebknecht-Luxemburg-Demo Jahr für Jahr sehr großer Beliebtheit. Warum,
       glauben Sie, ist diese Kundgebung für so viele Menschen so wichtig? 
       
       Das hat natürlich damit zu tun, dass viele der Teilnehmer und
       Teilnehmerinnen in der DDR sozialisiert wurden, also dass das Gedenken an
       Luxemburg und Liebknecht in deren Biografie einfach eine große Rolle
       spielt. Da geht es dann schon sehr um Traditionen à la „Das gehört halt
       einfach dazu“. Aber Luxemburg und Liebknecht sind nun einmal auch sehr
       wichtige linke Persönlichkeiten, die auch heute noch sehr relevant sind und
       wo schon viele Menschen das Bedürfnis haben, denen zu gedenken – auch wenn
       sie vielleicht nicht mit allem, was auf der Demo passiert, einverstanden
       sind.
       
       Sie wenden sich mit dem Rosa-und-Karl-Bündnis eher an ein jüngeres
       Publikum. Interessiert sich das denn überhaupt noch für die Gedanken
       Luxemburgs und Liebknechts? 
       
       Als Falken bieten wir jedes Jahr im Januar ein Wochenendseminar zu diesem
       Thema an. Dieses Mal haben wir über 200 Anmeldungen, so viele wie noch nie,
       das ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Ich würde schon
       sagen, dass junge Leute sich dafür interessieren – sie können vielleicht
       nur mit dem Format dieser traditionellen Gedenkdemonstration, die ja wie
       gesagt sehr ritualisiert ist, nicht so viel anfangen.
       
       Und was bedeutet die Beschäftigung mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
       für Sie ganz persönlich? 
       
       Sehr wichtig und vor allem nach wie vor absolut relevant ist natürlich die
       antimilitaristische Haltung der beiden. Bei Luxemburg finde ich persönlich
       aber auch ihre Auseinandersetzungen zur Frage des Verhältnisses zwischen
       der „Diktatur des Proletariats“ und bestimmten demokratischen
       Freiheitsrechten sehr wichtig, also ihre Haltung, dass es so etwas wie
       Meinungs- und Redefreiheit eben auch im Kommunismus und während der
       Revolution geben muss. In solchen Fragen war sie ja auch oft anderer
       Meinung als Lenin, weshalb ich auch diese Kette, die auf der
       Liebknecht-Luxemburg-Demonstration von Luxemburg über Lenin bis Stalin
       aufgemacht wird, sehr merkwürdig finde.
       
       10 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malene Gürgen
       
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