# taz.de -- Kolumne Darum: Giraffe schlägt Handy
       
       > Das erste Kind ragt über die Kindermesslatte hinaus. Machen die
       > Tierfiguren, die Größenspannen symbolisieren, irgendeinen Sinn? Auf jeden
       > Fall.
       
 (IMG) Bild: Einst unerreichbar, nun überholt: die Giraffe.
       
       Es ist soweit. Ein Kind überragt bald die Giraffe. Die Giraffe ist das
       Tier, dass auf unserer Kindermesslatte ganz oben steht. Symbolisch steht
       sie für den Größenbereich von 1 Meter 50 bis 1 Meter 60. Danach kommt
       nichts mehr.
       
       Vor zwölf Jahren haben wir die Messlatte angebracht. Da konnte die Tochter
       noch nicht stehen, und niemand wusste, dass drei Jahre später ein Sohn
       folgen würde. Als die Tochter stehen konnte, haben wir erstmals gemessen
       und die Größe auf der Messlatte notiert. Als Datum steht da: 11. Februar
       03, der Strich ist unterhalb des Schmetterlings, der die Größe zwischen
       zwischen 70 und 80 Zentimetern abdeckt.
       
       Das Kind wurde größer, erreichte den Schmetterling, lernte sprechen und
       wünschte sich sehnlichtst, auf der Höhe des „Pindin“ zu sein, des Pinguins
       also. 80 Zentimeter Größe aufwärts als Lebensziel. In Drei- bis
       Sechsmonatsetappen wuchsen danach die Striche auf der Messlatte in die
       Höhe: der Pinguin wurde im Dezember 2003 erreicht, der Hahn im November
       2004, der Schwan im Frühjahr 2006.
       
       Längst waren auf der anderen Seite der Messlatte auch Striche zu sehen –
       der Sohn konnte im Januar 2006 stehen, erreichte im Winter 09 die
       Schildkröte und im Sommer 2011 den Fisch. Derzeit reicht er bis zum
       Elefanten, Messbereich 1 Meter 40 bis 1 Meter 50.
       
       Ich mag die Tiere auf der Kindermesslatte. Sie sind aus Holz, hübsch
       anzuschauen und kindgerecht. Leider sind sie unrealistisch. Niemand wird
       später, wenn die Kinder erwachsen sind, sagen: „Weißt du noch in der
       Löwenphase?“ Oder: „Schwierige Zeit, als du dich im Hahn-Bereich
       bewegtest.“ Man wird eher sagen: „Die ständige Daddelei hat uns damals
       genervt.“ Oder: „Zum Glück hast du die Kifferphase schnell wieder
       überwunden.“
       
       Realistische Symbole also. Statt des Schmetterlings wären Windeln gut. Ein
       Bizeps passte auch: So starke Oberarme wie in der Zeit des permanenten
       Kinderrumtragens hatte ich nie wieder. Statt des Pinguins könnte dort eine
       durchgestrichene helfende Hand stehen. „Will selber!“, ist das Motto jener
       Phase.
       
       Der Hahn, also 90 Zentimeter bis ein Meter Größe, fällt in die Trotzphase.
       Um sich tretende Kinderfüße passten hier besser. Der Schwan deckt einen
       Meter bis einen Meter zehn ab. Hier müsste ein Bild zu sehen sein, das
       weinende Eltern beim Memory-Spielen mit ihren Kindern zeigt. Nie fielen
       Niederlagen in Merkspielen so deutlich aus.
       
       Im Schildkrötenbereich wächst das Kind im Vorschulalter. Wie symbolisiert
       man reines Glück? Der Fisch, 1,20 bis 1,30 Meter, könnte ein Lichtschwert
       sein; Star-Wars-Phase. Von 1,30 bis 1,40 deckt der Löwe alles ab. Ein
       Fußball könnte das auch oder, je nach Kind, ein dickes Buch bzw. eine
       tragbare Spielkonsole.
       
       Der Elefant steht für die Vorpubertät in der Größenordnung zwischen 1,40
       und 1,50 Metern – so wie auch ein vollgemülltes Zimmer oder die erstmals
       von innen verriegelte Tür im Bad. Die Giraffe schließlich müsste dem Handy
       weichen.
       
       Oberhalb der Giraffe ist noch ein bisschen Platz für eine Polizeiwache,
       einen Umzugskarton oder einen Online-Dauerauftrag. Was schreib ich hier
       denn eigentlich? Schmetterling, Fisch, Giraffe – bleibt bitte, wo ihr seid!
       
       15 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maik Söhler
       
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