# taz.de -- Reiseschriftsteller in Mittelamerika: Ein begnadeter Reisender
       
       > Durch den Dschungel und fremden Kulturen, Städten, Revolutionen sehr nah:
       > John Lloyed Stephens war Forscher, US-Gesandter und Reiseschriftsteller.
       
 (IMG) Bild: Zeichnung von Frederick Catherwood: zerbrochene Götterstatue Copán (Honduras). Abbildung aus: John L. Stephens, Reiseerlebnisse in Centralamerika.
       
       Schon damals, 1841, beschäftigte er sich mit den Vermessungsarbeiten für
       einen Nicaragua-Kanal, der jetzt mithilfe der Chinesen gebaut werden soll.
       Und er schrieb auch, was bis heute unverändert scheint: „Der Staat Costa
       Rica erfreut sich zu jener Zeit eines Grades von Wohlstand und Gedeihen,
       worin kein anderer in der zerfallenen Confederation sich mit ihm messen
       kann.“
       
       Der Amerikaner John Lloyed Stephens (1805–1852) war reiselustig,
       interessiert, mutig, gut gebildet, erst Jurist, später Archäologe. Aber vor
       allem hatte er das Glück, dass ihn US-Präsident Martin Van Buren 1839 als
       politischen Beobachter der USA in die Zentralamerikanische Konföderation
       entsandte. Er reiste mit dem Londoner Architekten und Zeichner Frederick
       Catherwood. Sie nutzen die Zeit für gemeinsame Entdeckungsreisen und
       veröffentlichten gleich nach ihrer Rückkehr ihre „Reiseerlebnisse in
       Centralamerika, Chiapas und Yucatan“.
       
       Eine Neuausgabe dieser „Reiseerlebnisse in Centralamerika“ ist nun im
       Berliner Verlag der Pioniere erschienen. Es ist ein sehr liebevoll
       gestaltetes Buch, das mit umfassenden Fußnoten dem Leser von heute
       historische Erklärungen und Einordnungen vermittelt.
       
       Auf ihrer ersten Reise durch Mittelamerika entdeckten die wissbegierigen
       Abenteurer Stephens und Catherwood nicht nur andere Sitten und Gebräuche
       oder den alltäglichen Geschmack von Bohnen mit Reis, sie legten auch die
       kulturellen Stätten der Mayas wie Copacan und Palenque frei. Diese waren
       vom üppigen Tropenwald völlig überwuchert.
       
       ## Große Lust am Reisen und Entdecken
       
       Der Amerikaner Stephens zollte dieser Kultur Respekt. Als Erster beschrieb
       er sie als eigenständige Kulturleistung der hier lebenden Indianer, denn
       nach eurozentrischer Sicht konnten diese Kulturzeugnisse nicht von den
       einheimischen Indianern stammen, vielmehr vermutete man irgendwelche
       ausgestorbenen Kulturen vorzugsweise mit Bezug zur Alten Welt.
       
       „Ich neige mich der Ansicht zu, dass man zu dem Glauben an das diesen
       Ruinen zugeschrieben Hohe Allterthum keine hinreichenden Gründe hat; dass
       sie nicht das Werk eines Volkes sind, das von der Erde dahingeschwunden und
       dessen Geschichte unbekannt geworden ist, sondern dass sie, allen früher
       ausgesprochenen Muthmassungen entgegen, von den zur Zeit der Invasion der
       Spanier das Land bewohnenden Volksstämmen oder ihren nicht sehr fernen
       Vorfahren errichtet wurden“, schreibt Stephens. Sein Begleiter Catherwood
       kartierte die Entdeckungen säuberlich, zeichnete detailgetreu Tempel und
       Pyramiden.
       
       Catherwoods filigrane Zeichnungen und Stephens Reisebericht von ihrer
       Odyssee durch Dschungel, fremde Kulturen, Städte und Revolutionen war nach
       seinem Erscheinen 1842 ein Erfolg: innerhalb kürzester Zeit wurde das Buch
       sechs Mal aufgelegt. Die Kunde von fremden Welten, deren Alltagsleben und
       die spektakulären archäologischen Funde waren in einer medienarmen Zeit ein
       Ereignis. Und Stephens war ein zuverlässiger Berichterstatter und genauer
       Beobachter.
       
       Sein Reisebericht fließt dahin wie ein langer, ruhiger Fluss. Das Erstaunen
       über das „Mitspracherecht der Neger“ in Belize – in den USA war die
       Sklaverei damals noch nicht abgeschafft – schildert der Beobachter und
       Wissenschaftler genauso ruhig und klar wie seinen Anflug von Verliebtheit
       unterwegs oder die Entdeckung der Ruinenfelder von Copan: „Die Schönheit
       der Sculptur, des Waldes feierliche Stille, nur unterbrochen von dem
       Klettern der Affen und dem Geschwätz der Papageien, die Verödung der Stadt
       und das Geheimnis, das über ihr schwebte – alles zusammen erzeugt ein
       womöglich noch höheres Interesse als ich es jemals unter den Trümmern der
       alten Welt fand“, schreibt er.
       
       ## Ein großer Fan von Humboldt
       
       Seine Faszination fürs Reisen und Entdecken entwickelte der junge Anwalt,
       als er 1834 Italien, Griechenland und den Nahen Osten bereiste. Von Paris
       aus folgten Reisen durch Deutschland, Österreich, Polen und Russland.
       Anschließend reiste er nach Ägypten, besuchte Petra und das Heilige Land.
       Fasziniert von der altägyptischen Kultur und von Petra beschloss der Jurist
       Stephens Archäologe zu werden.
       
       1847 wurde er Direktor der Ocean Steam Navigating Company und Vizedirektor
       der Panama Railway Company. Er spielte eine zentrale Rolle bei Bauplanung
       und Finanzierung der Eisenbahnlinie durch Panama – der ersten kommerziell
       nutzbaren Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik und Wegbereiterin des
       Panamakanals. Als Direktor der Ocean Steam Navigation Company reiste er
       nach Deutschland. Dort traf er in Berlin den von ihm hochverehrten
       Alexander von Humboldt. Noch bevor die Eisenbahnlinie vollendet werden
       konnte, starb Stephens 1852 mit 47 Jahren an Malaria.
       
       Die Neuausgabe im Verlag der Pioniere ist ein wertvolles Buch der
       Reisekultur mit den Originalzeichnungen von Frederick Catherwood. Ein
       kluger, interessanter Wegbegleiter für Mittelamerika-Reisende, wenn auch
       sehr gewichtig.
       
       18 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edith Kresta
       
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