# taz.de -- Ausschreitungen in Leipzig: Das Gefühl, das Richtige zu tun
       
       > Eine Demo für den getöteten Asylbewerber eskaliert. Eingeworfene Scheiben
       > und Polizeikessel sind die Folge. Doch nicht alle randalierten.
       
 (IMG) Bild: Der Polizeikessel am Donnerstagabend in Leipzig
       
       LEIPZIG taz | In einer Leipziger Studenten-WG dreht sich das Gespräch um
       vergangenen Donnerstag. Über SMS und persönliche Absprachen hatten sich
       rund 600 bis 800 Personen versammelt, um gegen Pegida, Legida und für die
       Aufklärung des Mordes an Khaled Idris Bahray zu protestieren. „Dem
       Getötetem friedlich zu gedenken und ein energisches Zeichen gegen
       Fremdenhass zu setzen“, das sei das Anliegen gewesen. Dem seien auch jene
       gefolgt, die früher nicht auf die Straße gegangen wären. Sie hatten das
       Gefühl, das Richtige zu tun.
       
       Donnerstagabend: Es war laut, das Lauftempo schnell. „Kahled, das war Mord“
       oder „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“ riefen sie in
       die Nacht. Vermummt waren die wenigsten. Es gab keinen Grund dafür.
       Plötzlich werden Rauchbomben gezündet. „Wir konnten hören, dass etwas
       passiert, aber was genau und wo, das haben wir nicht mitbekommen. Dazu war
       es zu unübersichtlich.“, schildert einer der WG-BewohnerInnen die
       Situation.
       
       Dann wird der Demonstrationszug getrennt. Vorn lief etwas aus dem Ruder.
       Zerstörung. Die Polizei schätzt den Schaden auf eine Höhe von mehreren
       10.000 Euro. Frühestens nach diesem Wochenende könne man genaue Angaben
       machen.
       
       „Die Demo war plötzlich führungslos. Wir hatten keine Ahnung wie es
       weitergeht und blieben einfach zusammen in einer großen Menge.“, beschreibt
       ein WG-Mitglied, dass sich zu dem Zeitpunkt im hinteren Demozug befand, die
       Situation. Das nutzte die Polizei. Rund 150 bis 200 der
       DemonstrationsteilnehmerInnen wurden eingekesselt. Dann ließen die Beamten
       sie warten.
       
       ## Versorgung aus der Nachbarschaft
       
       Aus den Umliegenden Häusern brachten AnwohnerInnen Essen und Tee. Eine Frau
       stellte sich mit ihrem Cello vor den Hauseingang und spielte ein kleines
       Konzert für die Wartenden. Zweieinhalb Stunden standen sie da. Anwälte, die
       sie über ihre Rechte aufklären wollten, ließ man nicht sprechen. Die
       spärlichen Durchsagen der Polizei seien nicht verständlich gewesen.
       
       Dann wurden die DemonstrantInnen einzeln abgeführt. Eine Beschuldigung
       wegen schweren Landfriedensbruchs, Leibesvisitationen und Beschlagnahmung
       von Handys und Smartphones folgten. Letzteres sei zur Sicherung von
       Beweismitteln auf Anordnung der Leipziger Staatsanwaltschaft geschehen,
       teilte die Leipziger Polizei mit. Auf die Frage, ob auch eine
       Funkzellenauswertung stattgefunden habe, konnte zunächst keine Auskunft
       gegeben werden, da die Ermittlungen noch andauern.
       
       In der WG-Küche der DemonstrantInnen ist man sicher: „Wer randalieren will,
       spricht sich nicht übers Handy ab.“ Unter den gut 200 Menschen seien viele
       „Muttis, Hippies und Studierende - Alternative eben“, einige direkt aus der
       Unibibliothek. „Von denen wurden auch die Laptops konfisziert. So geht doch
       kein Randalier zur Demo!“
       
       ## Die große Enttäuschung
       
       Sie sind enttäuscht. Das schlimmste Gefühl sei, dass der Anlass des
       friedlichen Gedenkens missbraucht wurde, für die Zerstörungswut Einzelner,
       die den Schutz der Masse nutzten. „Hätten wirklich 800 Leute randaliert,
       wie es viele Medien behaupten, würde Leipzig heute ganz anders aussehen.
       Die kleine Gruppe der Randalierer ist davongekommen. Wir Eingekesselten
       sind die Bauernopfer.“
       
       Was bleibt, ist Unmut und Unsicherheit. Trotz allem will die WG kommenden
       Mittwoch wieder Legida entgegentreten - friedlich, aber entschlossen.
       
       17 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Robert Weinhold
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Pegida
 (DIR) Dresden
 (DIR) Leipzig
 (DIR) Schwerpunkt Pegida
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Khaled Idris Bahray
 (DIR) Polizei
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Legida-Aufmarsch in Leipzig: Das Volk schwächelt
       
       Die Großmobilisierung blieb aus. In Leipzig versammelten sich deutlich
       weniger Islamfeinde als angekündigt. Es kamen vor allem Hools.
       
 (DIR) Islamfeindliche Demo in Leipzig: 4.000 Polizisten für die Legidisten
       
       Pegida hat Zwangspause, in Leipzig wird demonstriert. Zehntausende werden
       erwartet. Die Politik ist sich uneins, ob man mit den Islamfeinden in den
       Dialog treten soll.
       
 (DIR) Demonstration in Dresden: Erinnern an Khaled Idris Bahray
       
       Tausende sind in der sächsischen Landeshauptstadt auf die Straße gegangen.
       Sie forderten Aufklärung im Fall des getöteten Asylbewerbers aus Eritrea.
       
 (DIR) Erstochener Flüchtling in Dresden: Spurensicherung mit Verzögerung
       
       Mehr als 24 Stunden vergingen, bis die Polizei mit Spezialisten anrückte.
       Staatsanwalt Haase verteidigt das Vorgehen, Volker Beck erstattet Anzeige.
       
 (DIR) Toter Asylbewerber in Dresden: An Messerstichen gestorben
       
       Ein Flüchtling aus Eritrea ist in Dresden erstochen worden. Ein
       rassistisches Motiv wird befürchtet, Pegida-Anhänger nutzen den Fall zur
       Hetze.