# taz.de -- Bremer Wohnprojekte bedroht: Die gut gemeinte Gefahr
       
       > Ein neues Gesetz zum Schutz von KleinanlegerInnen könnte viele
       > selbstverwaltete Projekte in Bremen in die Insolvenz treiben.
       
 (IMG) Bild: Auch die Stadtkommune "Alla Hopp" in der Neustadt ist vom Kleinanleger-Schutzgesetz bedroht
       
       BREMEN taz | Mehrere selbstverwaltete Wohnprojekte in Bremen, aber auch die
       geplante [1][freie Gemeinschaftsschule] (FGS) sind existenziell bedroht.
       Und zwar von einem neuen Gesetz, das Verbraucher und Kleinanleger besser
       schützen soll. In einem offenen Brief wenden sich die Initiativen jetzt an
       Politiker aller Parteien.
       
       Moritz Holtappels wohnt im Viertel, zusammen mit zwölf anderen Menschen.
       Ihr Haus nennen sie „[2][Freies Haus]“, denn es gehört seit ein paar Jahren
       seinen Mietern. Das Geld dafür haben sie sich geliehen. Nicht nur bei der
       Bank, sondern auch bei Freunden und Mitbewohnern. Die bekommen dafür,
       anders als die Bank, keine Sicherheit, aber einen höheren Zinssatz als
       andere Anleger – derzeit bis zu zweieinhalb Prozent. Die Juristen nennen
       das „Nachrangdarlehen“. Ohne sie kommt kaum ein gemeinschaftliches
       Wohnprojekt aus, ohne sie gibt es in aller Regel auch von der Bank kein
       Geld.
       
       Nun hat das Bundeskabinett ein neues [3][Kleinanlegerschutzgesetz]
       beschlossen, im Frühsommer soll es vom Bundestag verabschiedet werden. Es
       ist eine Konsequenz aus der Prokon-Pleite, bei der 75.000 Anleger einen
       erheblichen Teil der investierten 1,4 Milliarden Euro verlieren werden. Der
       Referententwurf sieht vor, dass die Nachrangdarlehen wie eine
       Vermögensanlage behandelt werden, also wie eine Beteiligung an einem
       Unternehmen. Das bedeutet, das auch jedes Wohnprojekt künftig einmal im
       Jahr einen „Verkaufsprospekt“ herausgeben muss. Und der kostet schnell mal
       50.000 Euro.
       
       Für das „Freie Haus“ könnte das „fatale Folgen“ haben, sagt Holtappels. Die
       jährlichen Mieteinnahmen belaufen sich auf gerade mal 55.000 Euro. Auch
       andere gemeinschaftliche Wohnprojekte sind betroffen, „Mosaik“ etwa. Rund
       40 Menschen haben sich hier zusammengetan, Ende des Jahres soll ihr Haus in
       Huckelriede fertig sein. Dort könnten die Mieten nun um gut ein Drittel
       steigen, schätzt Holtappels, sollte das neue Gesetz beschlossen werden wie
       derzeit geplant. Ebenfalls betroffen: Die Stadtkommune „[4][Alla Hopp]“ in
       der ehemaligen Bonbonfabrik im Buntentor, die schon seit 1998 besteht. Die
       Miete müsste „radikal erhöht“ werden, sagt Volker Möhrchen von der
       Genossenschaft „Wohnen in Selbstverwaltung“, die „Alla Hopp“ trägt. Auch
       hier gehen die Darlehensgeber ein und aus, sagt Möhrchen, so wie in anderen
       Wohnprojekten; sie können sich also jederzeit davon überzeugen, ob ihr Geld
       gut angelegt ist. „Wir werden Opfer einer berechtigten
       Verbraucherschutzpolitik“, sagt Möhrchen. Neue Projekte dieser Art würden
       nicht mehr entstehen, fürchtet er – es sei denn, die Bewohner können auf
       ein Erbe oder andere Reichtümer zurückgreifen.
       
       Auch die FGS, die im Sommer an den Start gehen will, sieht „erhebliche
       Schwierigkeiten“ bei der Finanzierung auf sich zukommen. Die genauen Folgen
       seien aber noch „schwer abzuschätzen“, sagte Sprecher Martin Wandelt.
       
       Zwar sollen derlei Projekte von der Prospektpflicht ausgenommen bleiben,
       doch die Ausnahmen sind sehr eng gefasst. In der Praxis, so rechnen das
       Freie Haus, Alla Hopp und Mosaik vor, seien all jene Wohnprojekte von der
       Insolvenz bedroht, die zu klein sind, um die Kosten zu stemmen, aber zu
       groß, um als geringfügig durchzugehen. Das beträfe all jene solidarischen
       Unternehmungen, die mit mehr als 350.000 Euro, aber mit weniger als 20
       Millionen Euro arbeiten.
       
       Von der Reform bedroht sind bundesweit etwa 3.000 Wohninitiativen, kleinere
       Energieanlagen, freie Schulen oder Dorfläden. Nicht nur die drei Bremer
       Wohnprojekte, auch ihr bundesweiter Zusammenschluss, das
       [5][Mietshäuser-Syndikat], und die [6][GLS Bank], die viele solcher
       Vorhaben finanziert, fordern nun Änderungen. Schließlich wollten Union und
       SPD derlei bürgerschaftliches Engagement laut Koalitionsvertrag ja fördern.
       
       Der Bremer Finanzpolitiker und SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling
       machte sich am Freitag schon mal für die Betroffenen stark und versprach
       Änderungen: Zwar müsse man „unseriösen Geschäftemacher“ das Handwerk legen,
       aber: „Die SPD wird sich nicht zum Totengräber von altersgerechten
       Wohnprojekten, Kitas, Dorfläden und Energievorhaben machen, die
       genossenschaftlich organisiert sind.“
       
       Dabei war das Justizministerium von Heiko Maas (SPD) maßgeblich beteiligt.
       
       16 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.fgs-bremen.de
 (DIR) [2] http://www.syndikat.org/de/projekte/freies_haus_3d/
 (DIR) [3] http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Gesetze/2014-11-12-kleinanlegerschutzgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=2
 (DIR) [4] http://www.nadir.org/nadir/periodika/contraste/allahopp.htm
 (DIR) [5] http://www.syndikat.org/de/wirsindnichtprokon/
 (DIR) [6] http://www.syndikat.org/wp-content/uploads/2014/10/Positionspapier_GLS_Bank_2014-10-14.pdf
       
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