# taz.de -- Debatte Minsk-Abkommen: Alles ist offen
       
       > Die zweite Vereinbarung von Minsk ist ein positives Zeichen, doch zu
       > wolkig, um den Krieg zu beenden. Flankierende Maßnahmen sind nötig.
       
 (IMG) Bild: Ein prorussischer Kämpfer legt die Füße hoch
       
       Angesichts der stetig eskalierenden Kämpfe in den vergangenen Wochen und
       möglicher US-Waffenlieferungen an die Kiewer Regierung ist die jüngste
       Minsker Vereinbarung wohl das Maximum, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf
       diplomatischem Weg zu erreichen war. Ein Waffenstillstand, wenn er denn
       halten sollte – und das ist keineswegs sicher, würde dem Sterben ein Ende
       setzen und den vom Krieg ausgezehrten Menschen eine Atempause verschaffen.
       
       Das allein wäre schon viel für ein Land, in dem seit dem Ausbruch des
       Konflikts über 5.000 Menschen getötet und laut UN 600.000 zu Flüchtlingen
       geworden sind. Aber was kommt danach? Oder anders gefragt: Taugt Minsk II
       als tragfähige Grundlage für eine langfristige politische Lösung der Krise,
       mit der am Ende alle beteiligten Seiten leben können?
       
       Das ist mehr als zweifelhaft. Denn die Vereinbarung bleibt in vielen der 13
       Punkte wolkig und ist – je nach Interessenlage – ganz unterschiedlich
       auslegbar. So sollen schwere Waffen hinter zwei Frontlinien zurückgezogen
       werden, wodurch die Geländegewinne der prorussischen Kämpfer seit dem
       ersten Minsker Abkommen vom 5. September 2014 nachträglich legitimiert
       werden. Den Prozess überwachen soll die OSZE. Zumindest bislang hatte die
       jedoch keine Möglichkeiten und Mittel, eine solche Aufgabe auch
       wahrzunehmen.
       
       Die Umsetzung des Abzugs ausländischer Truppen und Söldner wirft ebenfalls
       Fragen auf. Schließlich behauptet Moskau bis heute, im Donbass würden keine
       russischen Soldaten kämpfen, sondern allenfalls einige versprengte
       Gestalten in Uniform, die Urlaub im Nachbarland machten. Erst Ende 2015
       sollen Ukrainer wieder vollständig die russisch-ukrainische Grenze
       kontrollieren. Das ist nicht wenig Zeit für Nachschub an Kriegsgerät in
       Form von Hilfskonvois aus Russland.
       
       ## Moskaus Ansinnen mitzumischen
       
       Auch der politische Fahrplan bleibt diffus. Der ukrainische Präsident Petro
       Poroschenko mag es als Erfolg verkaufen, dass in der Vereinbarung nicht von
       einer Autonomie der beiden Gebiete Lugansk und Donezk die Rede ist, sondern
       nur von einer „Dezentralisierung“. Doch was diese in der Praxis bedeutet –
       darüber dürfte es wohl sehr unterschiedliche Vorstellungen geben.
       
       Kiew geht von Sonderrechten aus (beispielsweise Selbstverwaltung und ein
       besonderer Status für die russische Sprache). Für die prorussischen Kämpfer
       und Russlands Präsidenten Wladimir Putin ist eine Dezentralisierung
       gleichbedeutend mit einem Status, der den beiden Regionen privilegierte
       Beziehungen zu Russland sowie ein Vetorecht gegenüber Entscheidungen der
       Kiewer Zentralregierung einräumt. Es braucht nicht viel Fantasie, um
       dahinter Moskaus Ansinnen zu erkennen, beim Nachbarn weiter kräftig
       mitzumischen.
       
       Doch trotz aller Sollbruchstellen in der Vereinbarung, die vielleicht auch
       der Kürze der Verhandlungszeit geschuldet sind: Das Dokument könnte zum
       Ausgangspunkt einer friedlichen Lösung werden. Dazu braucht es „nur“ den
       politischen Willen. Dieser hängt aber davon ab, wie Putin und Poroschenko
       die Einigung zu Hause „verkaufen“ können.
       
       So sieht sich der ukrainische Präsident mit Regierungsvertretern
       konfrontiert, die immer noch glauben, den Konflikt militärisch lösen zu
       können und einen wie auch immer gearteten Kompromiss als Verrat empfinden.
       Auch Putin, der den Konflikt in der Ukraine im Sinne einer Stabilisierung
       seiner eigenen Macht propagandistisch geschickt ausschlachtet, kann nicht
       einfach einlenken. Wie sollte der Verteidiger aller Russen seinen
       Landsleuten erklären können, dass er der „faschistischen Junta in Kiew“
       jetzt doch das Feld überlässt?
       
       Doch einmal abgesehen von Zwängen, eigenen Interessen und der Gefahr, dass
       auch diese Vereinbarung wieder scheitert: Es muss weiter verhandelt werden,
       und zwar schnell.
       
       13 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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