# taz.de -- Die Wahrheit: Weltfrieden im Kaufhaus
       
       > Tagebuch einer Vorfrühlingsucherin: Im neuesten Berliner Shoppingcenter
       > wird der Konsument mit billigen Weisheiten auf den Einkauf eingeschworen.
       
       Der Frühling naht, Spatzen krakeelen, und in der Berliner U 2 läuft die
       jüngste Entertainment-Offensive der BVG, bei der nach Prominenten jetzt die
       Bürger das Ansagen haben: „Na aber hallo! Hier ist der Kurti aus Schöneberg
       …“ Wer das bis zum Potsdamer Platz aushält, dem verspricht Udo Lindenberg
       „Hinterm Horissont geh’ss weiter!“ Nichts wie raus!
       
       An der frischen Luft erfasst einen Lust, zu flanieren, leider ist der
       Horizont von Shoppingcentern blockiert, deren Betreiber versuchen,
       potenzielle Kunden schon am U-Bahn-Ausgang mit aufgepinselten Fußabdrücken
       in die „Mall of Berlin“ zu leiten. Seit deren Eröffnung hört man von
       unbezahlten rumänischen Arbeitern, von Insolvenz und dem Berliner
       Brandschutzvirus. Bevor die exklusive Mall vielleicht in Rauch aufgeht,
       könnte man ja doch noch mal einen Blick reinwerfen.
       
       Überraschung! Auf dem Gelände des einst als schönstes Kaufhaus Deutschlands
       gerühmten Warenhauses Wertheim, dessen Besitzer ihr Eigentum den Nazis
       überlassen durften, geht es gar nicht ums Geldverdienen, sondern um nichts
       Geringeres als den Weltfrieden! Vor den Rolltreppen geben im Boden
       eingelassene Messingtafeln dem Konsumenten Weisheiten mit auf die Reise
       nach oben: „Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg.“
       Klar, Gandhi meinte damit den Weg zum Sneaker Store im zweiten Stock.
       
       „Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt
       West-Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu
       können: Ich bin ein Berliner“, proklamiert JFK ein paar Schritte weiter.
       Peace, Love and Understanding aus der Zitathitparade, shoppen im Zeichen
       internationaler Friedensbeschwörung.
       
       Auf der Homepage der Mall dudelt dazu ein offenbar eigens komponierter
       Song, in dem ein Sänger die Zukunft ausmalt: „One day I’ll buy you a big
       house in the middle of town …“ Er will mit seiner Freundin vom Dach jenes
       großen Hauses den Sonnenuntergang betrachten, morgens auf dem „Boulevard“
       Kaffee trinken, sich dabei, yeah, wie ein Filmstar fühlen, und dann zu Fuß
       – immerhin bleibt ihm die U 2 erspart! – zur nahe gelegenen Arbeit gehen.
       Im Ernst, das ist der Textinhalt. Aus diesen Informationen schließt man,
       dass es sich um den Hausmeister der Mall handelt, der von einer Übernahme
       träumt, was, siehe Wertheim, anderen Hausmeistern ja schon mal gelungen
       ist.
       
       Für die Zeit davor hat man den Shoppern Botschaften beispielsweise von
       Barack Obama unter die Füße geschoben: „Völker der Welt – schaut auf
       Berlin, wo eine Mauer fiel, ein Kontinent sich vereinigte und der Lauf der
       Geschichte bewies, dass keine Herausforderung zu groß ist für eine Welt,
       die zusammensteht.“ Peek & Cloppenburger aller Länder, vereinigt euch!
       
       Auf dem Heimweg durch den Tiergarten grübelt man noch ein bisschen über
       Grammatik und versucht sich vorzustellen, wie es aussieht, wenn ein
       Kontinent sich mit sich selbst vereinigt. Konvulsivisch? Wie viel schöner
       ist da doch die Vereinigung frühlingstoller Spatzen!
       
       5 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Frankenberg
       
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