# taz.de -- 1. Mai: Die DGB-Demo: Bier, Bratwurst, Mindestlohn
       
       > Selbstbewusst feiern die Gewerkschaften den Tag der Arbeit am
       > Brandenburger Tor. Nicht nur die Durchsetzung des Mindestlohns hat ihre
       > Popularität steigen lassen.
       
 (IMG) Bild: 1. Mai in Berlin: DGB-Kundgebung am Brandenburger Tor
       
       Bier und Bratwurst gehen immer noch am besten auf dem 1. Mai-Fest des
       Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Brandenburger Tor. Wer
       Schweinefleisch- und alkoholfreie Verköstigung möchte, muss etwas länger
       suchen. Dabei verändert sich sonst so manches hin zu mehr Internationalität
       bei dem Gewerkschaftsfeiertag. „Es kann uns hier nicht auf Dauer gut gehen,
       wenn es den Menschen andernorts schlecht geht“, sagt Reiner Hoffmann,
       DGB-Vorsitzender seit einem Jahr, bei seiner Rede auf der Bühne vor dem
       Brandenburger Tor. Es müsse deshalb Arbeit nicht nur in Deutschland und
       Europa, sondern auch „im Rahmen der internationalen Lieferketten gerecht
       bezahlt“ werden. Geiz, etwa beim Kauf von in Asien produzierter
       Billigkleidung, sei „nicht geil, sondern skrupellos“: „Und wenn wir als DGB
       gute Arbeit für die Welt von morgen fordern, dann ist Welt dabei ganz
       wörtlich gemeint“, so der DGB-Vorsitzende.
       
       Hoffmann unterscheidet sich dabei in Sachen Präsenz und Charisma von seinem
       Vorgänger Michael Sommer etwa ebenso wie der neue Regierende Bürgermeister
       Berlins Michael Müller von seinem Vorgänger Klaus Wowereit (beide SPD).
       Hoffmann dröhnt nicht, er spricht bloß. Er mobilisiert nicht, er stellt
       fest. Dass der Applaus des Publikums auf seine Sätze manchmal etwas dünn
       bleibt, wirkt dennoch nicht wie mangelnde Begeisterung, sondern vielmehr
       wie der Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins: Ist doch klar, was der
       Mann da sagt.
       
       Selbstbewusst: So ist auch die Stimmung auf dem Protestmarsch der
       GewerkschafterInnen zu Fest und Kundgebung am Brandenburger Tor. Mehrere
       Tausend TeilnehmerInnen starten um 10 Uhr ab dem Hackeschen Markt, darunter
       Türken und Armenier, Griechen, Spanier, Chilenen und Gewerkschafter aus Sri
       Lanka. Und immer mehr junge Leute: Mit Konfettikanonen und Tanzmusik geben
       sie dem Umzug, der früher oft eher gemessen daherkam, ein flotteres
       Gesicht.
       
       Auch bei der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), zuständig etwa
       für die in Berlin stark wachsende Branche Hotel- und Gastgewerbe, freut man
       sich über mehr junge Mitglieder: „Bewundern“ müsse man die jungen Leute
       dafür, dass sie sich so engagierten – etwa für die Einführung des
       Mindestlohns und einen Tarifvertrag beim Burgerbräter McDonalds, sagt eine
       ältere Gewerkschafterin am NGG-Stand auf dem DGB-Fest. Denn viele
       Mitglieder würden eigentlich studieren und nur nebenbei im Gastgewerbe
       jobben.
       
       Dabei ist es nicht nur der von ihnen erfolgreich durchgesetzte Mindestlohn,
       der die Popularität der Gewerkschaften steigert. „Viele junge Leute
       verstehen wieder, dass es ohne Gewerkschaften nicht geht“, sagt ein
       IG-Metaller am Stand seiner Gewerkschaft. Um 13 Prozent sei die Zahl
       jugendlicher Mitglieder in den vergangenen Jahren bundesweit gestiegen. In
       Berlin sei ein Problem die geringe Ausbildungsquote, ergänzt sein Kollege,
       Betriebsratsmitglied bei einem Fahrstuhlhersteller: Nur noch vier Azubis
       hat sein Betrieb jährlich – bei insgesamt 800 Beschäftigten.
       
       Und a propos Michael Müller: Der Regierende Bürgermeister begleitet nicht
       nur den gesamten Demonstrationszug. Auch auf dem Fest geht er von Stand zu
       Stand, im Schlepptau erstens den Berliner SPD-Vorsitzenden Jan Stöß und
       zweitens seine fachpolitischen Experten für Verkehr, innere Sicherheit und
       Arbeit. Zudem sind die SPD-SenatorInnen für Bildung, Sandra Scheeres, und
       Arbeit, Dilek Kolat, mitsamt Staatssekretären vor Ort, ebenso der
       Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh.
       Auch der neue Regierende trägt dem wieder wachsenden Selbstbewusstsein der
       Gewerkschaften offenbar Rechnung.
       
       1 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Aktivismus
 (DIR) Tag der Arbeit, Tag der Proteste
 (DIR) Essen
 (DIR) Schwerpunkt Neonazis
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bilanz Mai-Demonstration in Berlin: Rekordverdächtige Randerscheinung
       
       Am 1. Mai war die linksradikale Demonstration in Berlin so groß und
       friedlich wie nie. Doch die großen Themen gingen im ganzen Gedrängel unter.
       
 (DIR) 1. Mai in Berlin: Revolutionäre haben’s eilig
       
       Flott und soft wie selten verläuft die Revolutionäre 1.-Mai-Demo, die
       angekündigte Hausbesetzung scheitert. Zehntausende feiern auf dem Myfest
       
 (DIR) 1. Mai in Nordrhein-Westfalen: Naziaufmarsch in Essen
       
       Mehrere hundert Neonazis demonstrierten am 1. Mai durch Essen. Dabei wurden
       sie von einer großen Zahl Gegendemonstranten blockiert.
       
 (DIR) Bilanz 1. Mai in Deutschland: Insgesamt friedlich
       
       Trotz Naziüberfall in Weimar und Zusammenstößen zwischen Polizei und
       Demonstranten in Hamburg, war der Feiertag so friedlich wie selten.