# taz.de -- Disziplinar-Verfahren bei Front National: Die Katze lässt das Mausen nicht
       
       > Der Front National distanziert sich von ihrem Gründer Jean-Marie Le Pen.
       > Der schmollt, fühlt sich im Recht und provoziert weiter.
       
 (IMG) Bild: Wie ein Stehaufmännchen: Der Parteigründer ist nicht klein zu kriegen
       
       PARIS taz | Jean-Marie Le Pen (87) hatte nicht die Absicht, vor dem am
       Montag als Parteitribunal tagenden Exekutivbüro des Front National (FN) wie
       ein Angeklagter anzutreten. Als Parteigründer sei es „unter seiner Würde“
       sich vor einem Disziplinar-Ausschuss zu rechtfertigen. Er sei „vollkommen
       unschuldig“ und habe stets im Rahmen des Mandats als Parlamentariers (er
       ist noch Europa-Abgeordneter des FN) gehandelt: „Ein Parlamentarier wird
       dafür bezahlt, dass er redet. Ich spreche frei, was anscheinend gewisse
       Leute schockiert...“
       
       Die Führung der rechtsextremen Partei musste sich mit seinen zunehmenden
       verbalen Provokationen und Entgleisungen befassen und über eventuelle
       Sanktionen entscheiden. Pikant daran war, dass die heutige FN-Parteichefin
       niemand anderes als seine eigene Tochter, Marine Le Pen, ist. Sie hatte
       schon am Vortag öffentlich gesagt, dass sie nicht mehr wolle, dass sich ihr
       Vater im Namen der Partei äußere.
       
       Vorerst hat sich nun die Parteileitung nach einer Diskussion in gespannter
       Atmosphäre von Jean-Marie Le Pen distanziert: Die Partei könne „nicht alle
       Meinungen tolerieren“, sie missbillige darum die wiederholten Äußerungen
       von Jean-Marie Le Pen, namentlich jene im Blatt Rivarol. Der mehrfach wegen
       rassistischen und antisemitischen Äußerungen verurteilte Le Pen hatte dort
       Anfang April erneut den Holocaust und die Gaskammern als „Detail“ der
       Geschichte des Zweiten Weltkriegs verharmlost und Verständnis für die
       Anhänger des damaligen Chefs der Kollaboration mit den Nazis, Marschall
       Pétain, geäußert. Das hat das Exekutivbüro nun offiziell als
       „unverantwortliche“ Stellungnahme kritisiert.
       
       Le Pens Interview war nur die vorletzte seiner gezielten Provokationen
       gewesen. Beim traditionellen FN-Aufmarsch zu Ehren der Nationalheiligen
       Jeanne d'Arc am 1. Mai bestieg er während der Ansprache der Parteichefin in
       einem weithin sichtbaren roten Parka die Bühne, um sich demonstrativ
       bejubeln zu lassen. Er wollte damit zeigen, dass er im FN nach wie vor
       treue Anhänger hat und dass (im Extremfall) ein Parteiausschluss zu riskant
       wäre und zu einer Spaltung führen könnte.
       
       ## Die Differenzen sind offensichtlich
       
       Jean-Marie Le Pen war am Montagvormittag schon Stunden vor dem
       Sitzungsbeginn in der Parteizentrale an der Rue des Suisses in Nanterre
       eingetroffen und hatte den Journalisten erklärt, er denke keinesfalls
       daran, sich aus der Politik zurückzuziehen oder in den Ruhestand versetzen
       zu lassen. Auch wenn er von der Parteileitung desavouiert werde, könne er
       sich unbeeindruckt in seinem eigenen Namen äußern. Auch habe er die
       Absicht, seine Tochter Marine weiterhin als Parteichefin gegen außen zu
       unterstützen. Der greise Parteigründer schmollte ganz offensichtlich, doch
       wollte er nicht den Eindruck erwecken, dass er sich von der jüngeren
       Generation kalt stellen lässt.
       
       Die ideologischen Divergenzen, die deutlich unterschiedliche Auffassung von
       der Geschichte des zweiten Weltkriegs und des Faschismus sowie die Art des
       Auftretens in den Medien waren seit Langem offensichtlich. Jean-Marie Le
       Pen, der seine Partei immer wie sein Privateigentum oder einen
       Familienbesitz betrachtet hat, fühlte sich dadurch herausgefordert. Immer
       häufiger provozierte er seine Tochter Marine durch ausfällige und
       rassistische Äußerungen, die nicht in das Bild einer respektablen Partei
       passen, um das sie sich seit Jahren bemüht.
       
       Für Marine Le Pen ist der FN keine Extremistenpartei, ihr Vater dagegen
       fühlt sich genötigt, regelmäßig daran zu erinnern, woher diese Partei
       kommt, die er selber zusammen mit Nostalgikern des französischen
       Kolonialreichs und anderen Ultranationalisten als Sammelbecken diverser
       rechtsradikaler Bewegungen vereint hatte.
       
       Bereits vor dem Verdikt des Disziplinarausschusses hatte Jean-Marie Le Pen
       zur Kenntnis nehmen müssen, dass er heute im FN minoritär ist. Er musste
       auf Druck der Parteichefin auf seine Kandidatur an der Côte d'Azur bei den
       Regionalwahlen verzichten. Das kann er darum verkraften, weil an seiner
       Stelle seine Enkelin Marion Maréchal-Le Pen antritt, die ihm politisch
       näher steht als seine Tochter Marine. Zudem fühlt er sich wegen der
       gesamten Geschichte des FN dennoch im Recht: „Der Bach fließt nie zur
       Quelle zurück“, meinte er zu den Journalisten. Er bleibt „Ehrenpräsident“
       der Partei, deren Führung er 2011 vertrauensvoll seiner jüngsten Tochter
       übergeben hatte. Nur eine außerordentlicher Kongress könne ihm – wenn
       überhaupt – diesen Titel aberkennen.
       
       4 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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