# taz.de -- Niedersächsische Beamtenlaufbahn: Gefährliche Inkompetenz
> Über die reguläre Ausschreibung hinweg hat Niedersachsens Landeskabinett
> Hannovers Ex-Polizeipräsidenten Christian Grahl das Referat für
> Flurbereinigung zugeschanzt. Gut für Agrar-Konzerne, die gerade eine neue
> Bodenordnung durchsetzen.
(IMG) Bild: Obacht, Herr Grahl! Früher oder später schiebt Uwe Schünemann jeden ab.
BREMEN taz |Es hatte etliche BewerberInnen gegeben. Von mehr als zehn
KandidatInnen für die Referatsleitung "Landentwicklung und ländliche
Bodenordnung" ist die Rede. Ob ihre Qualifikation gereicht hätte, ist
unklar. Bekommen hat den Job schließlich Christian Grahl.
Hannovers Ex-Polizeipräsident ist bislang mit einer rechtshistorischen
Dissertation übers preußische Zivilprozesswesen des 18. Jahrhunderts und
als fideler Besucher hannoverscher Rotlicht-Kneipen hervorgetreten.
Letzteres hatte ihm Mitte November eine Strafversetzung in den
Statistik-Betrieb eingetragen, wo er eine Woche lang neues Wissen erwarb.
Aber auch nach dieser Kompetenz hatte die Ausschreibung nicht gefragt.
Das Stellenprofil umfasste umfangreiche Erfahrung in einer Reihe von
Gebieten: in der "Durchführung ländlicher Bodenordnungsverfahren"; mit
"Dorfentwicklungsprozessen und deren Steuerung"; mit den wichtigen
europäischen Programmen für "großräumige Landentwicklungsprozesse" und in
der Steuerung von Bundes- und EU-Subventionen.
Es ist schließlich auch ein heikles Terrain - während Finanzinvestoren die
Böden aufkaufen und Brüssel die gemeinsame Agrarpolitik neu ordnet.
Mindestens zwei der genannten vier Voraussetzungen "muss die Bewerberin
oder der Bewerber nachweisen können", so hatte es geheißen.
Grahl kann nichts davon. Deshalb wurden die Spielregeln geändert. "Das
Ausschreibungsverfahren zur Besetzung der Stelle ist eingestellt worden",
informiert in dürren Worten die Homepage des Agrarministeriums. "Die
Versetzung von Dr. Christian Grahl erfolgte auf der Grundlage eines
gemeinsamen Kabinettbeschlusses der Landesregierung", ist von der
Sprecherin des Ressorts zu erfahren.
Der Personalrat hatte kein Mitbestimmungsrecht, weil eine Stelle der
Besoldungsgruppe A 16 betroffen ist: Mit 6.251 Euro monatlich erhält Grahl
zwar zunächst 760 Euro weniger als zuvor. Also ist es keine Beförderung.
Aber bald wird die Stelle hochgestuft - und er kann jetzt ohne Angst vor
der Entlassung sämtliche Tittenbars, Puffs und Diskos von Hells-Angels-Chef
Frank Hanebuth aufsuchen.
"Das Landwirtschaftsministerium wird als Entsorgungsposten für einen
gescheiterten Polizeipräsidenten missbraucht", sagt Christian Meyer
(Grüne). Der wollte die Personalie Freitag im Agrarausschuss aufs Tapet
bringen. Die Mehrheit war dagegen. Jetzt kommt sie im Landtag zur Sprache:
"Wir bezweifeln, dass die Besetzung zulässig war", begründet Meyer die
Anfrage.
Tatsächlich ist die Besetzung eines Beamtenpostens klar geregelt (siehe
Kasten). Klagende KonkurrentInnen hätten gute Erfolgsaussichten, wenigstens
auf Schadenersatz für die entgangene Beförderung. Es wäre aber auch im
öffentlichen Interesse, das Referat durch eine, wie in der Ausschreibung
verlangt, "engagierte Persönlichkeit" zu besetzen, die "kraft fachlicher
Kompetenz neue Entwicklungen für die ländlichen Räume einzuschätzen" vermag
- und angemessen auf sie zu reagieren.
Denn da bewegt sich momentan viel. Gerade Euro-Krise und wachsende
Inflationsangst machen Boden zum beliebten Anlage-Objekt: Allein 2010
wurden in Niedersachsen Agrar- und Forstflächen für 436 Millionen Euro
aufgekauft, drei Millionen mehr als 2009. Die Preise für Ackerflächen sind
um vier, für Grünland fast um zehn Prozent gestiegen.
Der Aktienkurs von Flächenerwerbsspezialisten wie der bislang vor allem in
Mecklenburg-Vorpommern tätigen Hamburger KTG AG gehört aktuell zu den
verlässlichsten der Börse: Momentan steht sie bei 15,78 Euro, Analysten
empfehlen den Kauf bis 20 Euro. Niedersachsen hat viel Fläche. Die
Landesregierung stellt sich auf die Situation ein, indem sie einem blutigen
Laien die Zuständigkeit für ländliche Bodenordnung anvertraut.
Unmittelbareren Schaden anrichten kann Grahl, weil auch die Steuerung der
"Fördermittel zur ländlichen Entwicklung" zu seinen Aufgaben zählt. Das
sind vor allem die EU-Subventionen, die in Niedersachsen bei rund einer
Milliarde Euro liegen. "Wenn er das schlecht macht", so Meyer, "kann das
Land richtig Geld verlieren." Um es gut zu machen, sei aber "Inkompetenz
die falsche Voraussetzung".
4 Dec 2011
## AUTOREN
(DIR) Benno Schirrmeister
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(DIR) Kommentar Fürsorgepflicht: Grahl wird Wanderpokal
Hätte man Ex-Polizeidirektor Christian Grahl zum hochdotierten
Spaziergänger gemacht, wär's okay gewesen. Die Versetzung ins Agrarressort
aber kann dem Land schaden - und degradiert ihn zum Wanderpokal.