# taz.de -- Neues Zulassungsverfahren für Pestizid: Pflanzengift wird geschont
       
       > Hat das Bundesinstitut für Risikobewertung die Gefahren von Glyphosat
       > heruntergespielt? Wichtige Studien wurden ignoriert, sagen
       > Umweltschützer.
       
 (IMG) Bild: Fast die Hälfte aller Felder in Deutschland werden mit Glyphosat behandelt
       
       Berlin taz | Im neuen Zulassungsverfahren für das meistverkaufte Pestizid,
       Glyphosat, hat das staatliche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
       Umweltschützern zufolge Gefahren heruntergespielt. Die Behörde habe
       wichtige Studien zu Erbgutschäden und Krebs „nicht berücksichtigt oder
       fehlerhaft ausgewertet“, kritisierten die Organisationen BUND, Campact und
       das Pestizid-Aktions-Netzwerk. Das BfR habe für die EU Glyphosat untersucht
       und die Chemikalie für unbedenklich befunden. Die Internationale
       Krebsforschungsagentur der WHO jedoch stufte das Unkrautvernichtungsmittel
       im März als „wahrscheinlich krebserregend“ ein.
       
       Mit Glyphosat töten Landwirte auf rund 40 Prozent aller Felder in
       Deutschland unerwünschte Pflanzen. Immer wieder werden Reste in
       Lebensmitteln gefunden. Besonders zugenommen hat der Glyphosat-Verbrauch
       weltweit, weil die meisten gentechnisch veränderten Pflanzen gegen den
       Stoff resistent sind. Doch Mitte 2016 läuft die Zulassung der EU für die
       Chemikalie aus, weshalb die Hersteller einen neue Erlaubnis beantragt
       haben.
       
       Vergangenen März hat das BfR deshalb einen Bericht über die Risiken
       abgeschlossen. Diese Untersuchung schweige über „oxidativen Stress“, eine
       Stoffwechsellage, die Krebs verursachen kann, schreibt der Toxikologe Peter
       Clausing in einer Analyse des bisher geheimgehaltenen Berichts, den er nach
       eigenen Angaben einsehen konnte. Zudem lasse die Behörde „nahezu ein
       Drittel aller Publikationen“ zu Erbgutschäden (Gentoxizität) weg. „Hinzu
       kommt, dass mindestens eine wichtige Studie zur Gentoxizität vom BfR
       verzerrt und mit falschen Zahlen dargestellt wurde“, heißt es in dem
       Bericht weiter.
       
       Gemeint ist die Publikation „[1][Koller et al. (2012)“]. Das BfR behauptet
       Clausing zufolge, dass die Untersuchung Erbgutveränderungen in menschlichen
       Zellen bei einer Konzentration von 200 Milligramm Glyphosat pro Liter
       zeige. In Wirklichkeit habe die Studie aber diese Effekte schon bei 20
       Milligramm belegt. Außerdem habe die Behörde unterschlagen, dass in der
       Studie ein wichtiger Test auf Gentoxizität positiv gewesen sei. „Es fällt
       schwer zu glauben, dass diese Ergebnisse ohne jeden Zweck ausgelassen
       wurden“, urteilt der Toxikologe.
       
       ## Widerspruch bei den Untersuchungen
       
       Einen Tierversuch mit Glyphosat, der zu erhöhten Krebsraten führte, habe
       das BfR unzulässig abgewertet. So hat die Behörde laut Clausing die
       Erhöhung als statistisch nicht signifikant bezeichnet, obwohl dem der
       Statistiktest widerspreche, den die Industrieländerorganisation OECD
       empfehle. Weiterhin argumentiere das BfR, die Erhöhung liege innerhalb der
       normalen Schwankungsbreite bei dem verwendeten Mäusestamm in dem
       betreffenden Labor. An anderer Stelle schreibe die Behörde dagegen, die
       Qualität der historischen Vergleichsdaten sei sehr niedrig. „Ich traute
       meinen Augen nicht“, als er diesen Widerspruch gelesen habe, sagte
       Clausing. „Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass das BfR die Beweislage
       gegen Glyphosat absichtlich geschwächt hat.“
       
       Der BUND warf Zulassungsbehörden wie dem BfR vor, „wie Dienstleister der
       Pestizidhersteller“ zu handeln. Er fordert, dass unabhängige
       wissenschaftliche Institute die Substanzen untersuchen. Die Studien sollten
       über einen industrieunabhängig verwalteten Fonds finanziert werden, der
       sich aus Gebühren der Hersteller speise.
       
       Das BfR ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme zunächst unbeantwortet, da
       die zuständigen Mitarbeiter am Montag wegen einer Anhörung im Bundestag
       keine Zeit hätten.
       
       29 Sep 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22331240
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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