# taz.de -- Neuauflage von Guns-N'-Roses-Debüt: Kontrolle und Zügellosigkeit
       
       > „Appetite for Destruction“ war das Debütalbum von Guns N’ Roses. Jetzt
       > wird es mit dem Titelzusatz „Locked N’ Loaded“ erneut veröffentlicht.
       
 (IMG) Bild: Guns N' Roses 2017: Dizzy Reed, Richard Fortus, Duff McKagan, Axl Rose, Slash, Melissa Reese and Frank Ferrer (v.l.n.r.)
       
       Es wird gute Gründe gegeben haben, warum dieses Boxset nicht pünktlich zum
       30-jährigen Jubiläum im vergangenen Jahr erschienen ist. Irgendeine ganz
       abgefeimte Marketingstrategie oder das übliche Tantiemenhickhack mit dem
       Guns-N’-Roses-Gründungsgitarristen Izzy Stradlin, der schon der Reunion
       ferngeblieben ist, weil die alten Freunde „die Beute nicht gerecht
       aufteilen“ wollten.
       
       Aber eine höhere Wahrheit steckt auch in dieser verspäteten
       Wiederveröffentlichung. „Appetite For Destruction“ stieß bei seiner
       Erstveröffentlichung, damals, im Juli 1987, zunächst auf mäßige Resonanz.
       Alles sah nach einem bloßen Achtungserfolg für die Band aus, genau das
       hatte ihr Manager Alan Niven vorausgesagt, der dem Debüt seiner Schützlinge
       keine großen kommerziellen Sprünge zutraute. Die Spartenpresse erkannte
       noch am ehesten, was sie an „Appetite for Destruction“ hatte, geizte aber
       auch nicht mit Kritik. Guns N’ Roses galten vielen Halbinformierten als
       Aerosmith-, Besserinformierten als Hanoi-Rocks-Epigonen. Und das
       Mainstream-Lager, allen voran der Rolling Stone, zuckte nur mit den
       Schultern.
       
       Als die Band Ende September 1987 auf ihrer ersten Europa-Stippvisite in der
       Hamburger Markthalle vorbeischaute, reichte es noch nicht einmal für
       genügend Roadies. Szeneveteranen erzählen ihrer kuttentragenden Brut gerne,
       wie sie Slash, Izzy und Duff damals geholfen haben, die Amps rauszutragen.
       Eine talentierte Garagenband aus L.A. mit einem überlebensgroßen
       Selbstvertrauen und, zugegeben, einigen großartigen Songs, mehr waren sie
       1987 noch nicht.
       
       Der Hype begann erst im Jahr darauf – über den zweiten Bildungsweg. Als MTV
       das Video zu „Sweet Child O’ Mine“ einmal pro Stunde sendete, 24 Stunden am
       Tag, in Heaviest Rotation also, kletterte nach der Single auch das Album an
       die Spitze der Charts und wurde dann noch zum meistverkauften Debüt aller
       Zeiten.
       
       ## White-Trash-Depp Axl W. Rose
       
       Das „Locked N’ Loaded“-Boxset enthält viel Bekanntes in remasterten
       Versionen – neben dem obligatorischen Masterpiece das bald darauf
       zusammengestoppelte „Lies“-Album und alte B-Seiten mit Live- und
       Cover-Songs. Dass der wegen seiner dümmlichen Parolen inkriminierte Song
       „One In A Million“ fehlt, will man der Band jetzt als
       „Geschichtsklitterung“ auslegen.
       
       Ehrlich gesagt vermisse ich ihn nicht. Bestenfalls hat der White-Trash-Depp
       Axl W. Rose tatsächlich was dazugelernt, schlimmstenfalls will man einfach
       keinen Beifall von der falschen Seite, dem US-Präsidenten und seinen
       Alt-Right-Schergen. Beides kann man eigentlich nur gutheißen.
       
       Aufschlussreich sind die Alternativ-Versionen und Leftovers aus früheren
       Sessions. Sie führen einen zurück zu den Anfängen einer Band, die noch
       herumprobiert und an ihren Songs feilt. Gerade die rohen, verdaddelten oder
       unfertigen Urversionen werfen ein neues Licht auf die Qualität des
       endgültigen Materials. Schön zu hören ist das bei der grandiosen Coda von
       „Rocket Queen“, für den US-Kritiker Chuck Klosterman die besten zweieinhalb
       Minuten der achtziger Jahre.
       
       ## Am selben Strang ziehen
       
       In der „Sound City Session“-Version stimmt der Übergang nicht. Man schrubbt
       fahrig eine Tonleiter und dann folgt gleich die mäßig inspirierte
       Leadgitarre – von einer Dramaturgie kann hier gar keine Rede seine. In der
       Albumversion kündet eine kurze Fermate vom Stimmungswechsel, der sich dann
       durch ein auftrumpfendes Riff manifestiert, gefolgt von Fingerpicking, das
       den Boden bereitet für Axls inbrünstige Liebeserklärung.
       
       Und jetzt weiß auch Slash auf einmal genau, wie er seinem Freund mit einem
       Solo zur Hilfe kommen kann. Es rührt einen, wenn man hört, wie die beiden
       an einem Strang ziehen. Napoleon-Syndrom, Fehde, schmutzige Wäsche, all das
       ist noch in weiter Ferne.
       
       Die meisten unveröffentlichten Tracks entstammen den legendären, von
       Nazareth-Gitarrist Manny Charlton betreuten 1986er Sessions im „Sound
       City“-Studio, die Axl und Co schließlich enttäuscht abbrechen. Sie sind
       unzufrieden mit dem Sound und zweifeln stark daran, ob der englische
       Gentleman-Rocker ihre selbstzerstörerische Energie konservieren kann. Das
       hört man.
       
       Die „Shadow Of Your Love“-Version von Mike Clink, ein erster Test, ob es
       der neue Produzent bringt, zeigt gerade im direkten Vergleich mit der
       Charlton-Aufnahme, warum Clink schließlich den Zuschlag bekommt. Sein
       Gitarrensound ist direkter, weiter vorn im Mix, Slash hat hier bereits
       seinen unverwechselbaren Ton – und die Band findet die nötige Balance aus
       Kontrolle und Zügellosigkeit, die „Appetite“ als Ganzes auszeichnet.
       
       13 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
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