# taz.de -- Nach rassistischem Anschlag in Hanau: „Alles Kinder aus Deutschland“
       
       > Tausende nahmen am Samstag an einer Kundgebung in Hanau teil. Zu Wort
       > kamen auch Angehörige von Opfern des NSU.
       
 (IMG) Bild: Lange bevor die Kundgebung begann, versammelten sich die Menschen auf dem Hanauer Freiheitsplatz
       
       Hanau taz | Samstagnachmittag, [1][drei Tage nach dem rassistischen
       Massaker], auf dem Freiheitsplatz in Hanau. Lange bevor die Kundgebung
       beginnt, haben sich hier viele Menschen versammelt, mit Fahnen
       migrantischer und nicht-migrantischer Organisationen, Parteien und Vereine.
       Viele halten Bilder der Getöteten in ihren Händen. Andere umarmen sich.
       
       Knapp 100 weitere Personen stoßen aus einer Nebenstraße lautstark dazu.
       „Nationalismus raus aus den Köpfen“, rufen sie und ziehen vorbei an Susann
       Rohs. Die hat sich bei ihren beiden Söhnen eingehakt, alle drei blicken
       starr in die Menschenmenge. Die Mutter, die Tränen in den Augen hat, sagt:
       „Ich schäme mich für das, was in dieser Stadt passiert ist.“ Der Schock
       sitze tief, aber es sei auch schön, dass die Menschen [2][hier jetzt
       zusammen halten würden]. Die Frage sei: „Was passiert danach?“. Dass etwas
       geschehen muss, finden alle hier.
       
       Das Hanauer Bündnis „Solidarität statt Spaltung“ hat gemeinsam mit dem DGB
       an diesem Samstag zu einer bundesweiten Großdemonstration in Hanau
       aufgerufen, gegen Rassismus und menschenfeindliche Ideologien. Laut
       Veranstalter*innen sind 6.000 Menschen dem Aufruf gefolgt, die Polizei
       spricht von rund 3.000 Teilnehmer*innen. Eine Frau of color ist mit ihrer
       Familie aus Frankfurt angereist. „Was sollen wir denn sagen?“, fragt sie.
       „Wir wollen ein Zeichen setzen gegen den Hass.“
       
       Als die Kundgebung beginnt, kommen jene zu Wort, die schon sehr lange
       fordern, dass etwas passieren muss. Menschen, die heute die lange
       Geschichte des Rassismus im Nachkriegsdeutschland erzählen wollen.
       
       ## „Leider geht das Morden weiter“
       
       Da ist Mandy Boulgarides, die Tochter von Theodoros Boulgarides, der 2005
       in München als siebtes Opfer der [3][NSU-Rechtsterroristen ermordet wurde].
       Eine Sprecherin liest ihre Botschaft an die Angehörigen der Hanauer Opfer
       vor: „Keiner kann ansatzweise fühlen oder erahnen, was der Verlust für die
       Familie und Freunde bedeutet. Meine Familie und ich teilen Ihr Schicksal,
       wir wünschen Ihnen Stärke und Mut weiterzumachen.“
       
       Da ist die Botschaft von Osman Taşköprü, Bruder von Süleyman Tasköprü, der
       2001 in Hamburg mit drei Schüssen getötet wurde: „Leider geht das Morden
       weiter, weil solche Leute geduldet werden“.
       
       Da ist [4][Ibrahim Arslan], der beim rassistischen Brandanschlag in Mölln
       1992 drei Familienangehörige verloren hat, in Hanau selbst auf der Bühne
       steht und sagt: „Rassismus nicht zu nennen, ist genauso rassistisch wie
       diese Taten selbst.“ Er fragt: „Wann schliessen sich Polizei und Justiz der
       Intervention der Angehörigen endlich an?“
       
       Da ist [5][Rola Saleh], die Frau, die sich im Sommer 2018 den Rassisten von
       Chemnitz entgegengestellt hat, die jetzt sagt: „Was ist seitdem passiert?
       Seitdem hat sich nichts geändert!“ Sie schließt ihre Rede mit den Worten:
       „Es reicht in diesem Land nicht mehr, dass wir passiv demokratisch sind.
       Wir müssen alle Antifaschisten sein.“
       
       Da ist Candan Özer Yılmaz, die Witwe von Atilla Özer, der den
       [6][Nagelbombenanschlag des NSU in der Kölner Keupstrasse] schwer verletzt
       überlebt hat und 2017 verstorben ist. Sie sagt: „Ich wurde als Angehörige
       beschuldigt. Mein Mann hat bis zu seinem Tod mit einem Nagel im Kopf
       gelebt. Deutschland, du hast in Bezug auf Rassismus versagt!“
       
       Dann treten die Angehörigen der Opfer des Hanauer Anschlags auf die Bühne.
       Einer von ihnen sagt: „Das sind alles Kinder aus Deutschland.“ Und dann
       schreit er: „Kinder aus Deutschland!“
       
       Die Kundgebung endet mit einer Schweigeminute. Kurz nach 15 Uhr setzt sich
       der Demonstrationszug in Bewegung. Ganz vorne laufen Freund*innen und
       Angehörige der Opfer. Sie halten weiße Plakate mit der Aufschrift „Say
       their names“. Darunter stehen die Namen der Opfer. Das Banner, das einige
       von ihnen tragen, zeigt Bilder der Ermordeten. Daneben steht „Faschismus
       und Rassismus töten überall.“
       
       Die Demonstration endet an einem der Tatorte: Die Shishabar Midnight am
       Heumarkt, unweit des Freiheitsplatzes, ist immer noch mit weiß-rotem Band
       abgesperrt. Das Café wird von Polizisten bewacht. Überall stehen Kerzen,
       Rosen, Tulpen, bunte Sträuße neben den Bildern der Ermordeten.
       
       Die Demo hält an. Dann rufen alle Gekommenen einmal mehr alle Namen der
       Opfer.
       
       22 Feb 2020
       
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 (DIR) Jasmin Kalarickal
       
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