# taz.de -- Mannheim nach der tödlichen Attacke: Seit 1607 von überall her
       
       > Mannheim trauert überparteilich um den jungen Polizisten Rouven Laur.
       > Versuche der AfD, die Tat eines Islamisten für eigene Zwecke
       > auszuschlachten, versanden.
       
 (IMG) Bild: „Rouven-Laur-Platz“: Mannheim trauert um den Polizisten, den sein Einsatz das Leben kostete
       
       Mannheim taz | „Gedenk- und Trauerstätte“ steht mit schwarzer Umrahmung an
       allen Zugängen zum Mannheimer Marktplatz. Politische Veranstaltungen und
       Kundgebungen sind auf dem Platz verboten. Bis zum 16. Juni soll vor allem
       Rouven Laur gedacht werden, [1][der hier vor genau einer Woche im Einsatz
       von einem mutmaßlichen Islamisten getötet wurde].
       
       Und die Mannheimer haben das die vergangenen Tage getan. Ein breiter
       Teppich aus Blumen und Botschaften hat sich rund um das barocke Standbild
       in der Mitte angesammelt. Ein selbstgemaltes Schild erklärt den Marktplatz
       gar zum Rouven-Laur-Platz. Auch am Freitag kommen Menschen
       unterschiedlichster Kulturen, legen Blumen ab, werden still, manche beten.
       
       Mannheim will mit dem Demonstrationsverbot unter anderem verhindern, dass
       die AfD am Abend direkt am Tatort eine kurzfristig angemeldete
       Wahlkampfveranstaltung abhalten darf. Sie soll zumindest nicht an diesem
       Ort aus dem Angriff eines mutmaßlichen Islamisten drei Tage vor der Europa-
       und Kommunalwahl politisches Kapital schlagen können.
       
       Doch selbst Organisatoren der Gegendemonstration, wie der grüne Stadtrat
       Gerhard Fontagnier haben Bedenken, ob das Versammlungsrecht so ein Verbot
       hergibt. „Immerhin waren wir am Montag mit 8000 Menschen dort“, sagt der
       erfahrene Aktivist. Da haben die Bürger Mannheims das erste Mal gemeinsam
       getrauert, Vertreter der Kirchen, ein Rabbi und ein Imam haben
       Friedensgebete gesprochen. Das Verbot kam erst später, doch war das nicht
       auch eine politische Veranstaltung?
       
       Man kann nicht sagen, dass die AfD sich lange mit Pietät aufgehalten hat.
       Die durch die Partei angemeldete Demo trägt den Titel: „Massenmigration und
       Linksextremismus in Ampel-Regierung und Medien den Stecker ziehen!“ Gegen
       das Demonstrationsverbot auf dem Marktplatz sind sie vor das
       Verwaltungsgericht gezogen. Vielen Mannheimern schwant Böses. Denn
       gleichzeitig hat ein Bündnis aus Gewerkschaften, linken Gruppen und Grünen
       zur Gegendemonstration aufgerufen. Als die AfD-Jugend JA am vergangenen
       Sonntag das erste Mal eine Kundgebung auf dem Marktplatz abgehalten hat,
       versuchte eine kleine Antifa-Gruppe, ihn mit Bengalos zu stürmen. Es kam zu
       unschönen Szenen.
       
       ## Ein Verfechter der Integration
       
       „Er war doch ein Mensch“, sagt ein junger Mann mit kurzen schwarzen Haaren
       und hellen Sportklamotten. Er ist mit seinem Freund über den Rhein aus
       Ludwigshafen gekommen, um zu trauern. „In Mannheim knallt es ja öfter, aber
       so etwas.“ Er schüttelt den Kopf. Er sei selbst Muslim, sagt er. „Aber die
       Polizei schützt uns doch alle.“ Eine ältere Dame mit regenbogenfarbenem
       Schal sagt, es habe ja in der Vergangenheit auch schon Probleme mit
       Polizeigewalt gegeben. Aber das ändere nichts daran, die Tat vom Freitag
       habe sie sehr erschüttert.
       
       Ja, der Polizist Rouven Laur war ein Mensch, daran erinnern seine Kollegen
       mit einem Herz, das eine Formation aus Beamten abseits des Medienrummels
       auf dem Ehrenhof der Universität bildet. Laur lebte mit seiner Familie in
       Neckarbischofsheim, einem kleinen Ort mit 4000 Einwohnern. Thomas
       Seidelmann, der Bürgermeister, der mit dem Polizisten befreundet war, sagte
       dem SWR, Laur habe Arabisch gelernt, um denen, mit denen er arbeitete,
       besser helfen zu können. Er sei ein Verfechter der Integration gewesen.
       „Dass ausgerechnet er unter diesen Umständen starb, ist kaum zu ertragen“.
       
       Als kurz vor halb elf [2][Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier] zusammen
       mit der Frau von Rouven Laur und begleitet von Ministerpräsident Wilfried
       Kretschmann und Landesinnenminister Thomas Strobl den Marktplatz betritt,
       ist es schon lange still geworden in der Stadt. Kurz davor zeigt sich eine
       Abordnung der Polizei vor den sicher tausend Trauernden auf dem Platz, es
       brandet Applaus auf.
       
       Steinmeier wird später in einem Statement an einen Mannheimer erinnern, der
       sich zusammen mit der Polizei dem Täter entgegengestellt hat und ihm für
       seine Zivilcourage danken. Der Mann ist selbst als Geflüchteter ins Land
       gekommen.
       
       ## Ein historisches Urteil?
       
       Kurz nach der Abreise Steinmeiers wird bekannt, dass das Verwaltungsgericht
       der AfD die Kundgebung auf dem Marktplatz erlaubt. Doch das ist nicht das
       letzte Wort. Später – die Polizei hat schon unzählige Mannschaftswagen auf
       dem Marktplatz postiert – melden die Agenturen, dass der
       Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in letzter Instanz entschieden hat, dass
       das Demonstrationsverbot am Tatort bestehen bleibt. Die AfD muss auf den
       nahegelegenen Paradeplatz vor dem Rathaus ausweichen. Um AfD und
       Gegendemonstranten zu trennen, hat die Polizei Kräfte aus Baden-Württemberg
       und Bayern zusammengezogen. Es dürfte einer der größten Polizeiaufmärsche
       jemals in der Stadt sein.
       
       Auf der Empore über dem Paradeplatz steht die Pressesprecherin des
       Mannheimer Oberbürgermeisters Christian Specht und schaut zu, wie die
       AfD-Leute ihre Bühne aufbauen. „Da haben wir vielleicht heute ein
       historisches Urteil erstritten“, sagt sie sichtlich zufrieden. Wenn es für
       Städte möglich ist, Orte zumindest zeitweise mit einem begründeten
       Demonstrationsverbot zu belegen, könnte das den Spielraum der Kommunen
       gegen extremistische Kundgebungen erweitern.
       
       Der Rest des Abends wird diesmal ruhig verlaufen. Die AfD versammelt kaum
       mehr als 600 Anhänger, der baden-württembergische Parteivorsitzende kündigt
       unter dem Gejohle seiner Unterstützer an, gegen die Entscheidung des
       Verwaltungsgerichtshofs vorzugehen. 3500 bunt gemischte Gegendemonstranten
       spiegeln wider, was ein überparteiliches Plakat schon die ganze Woche in
       Anspielung auf die Stadtgründung postuliert: „Wir kommen seit 1607 von
       überall her“.
       
       8 Jun 2024
       
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