# taz.de -- Interview Bundesanwalt Rainer Griesbaum: "Dschihad-Werbung ist strafbar"
       
       > Die Bundesanwaltschaft will islamistischen Terror verstärkt über das
       > Internet verfolgen. Wer Werbung für islamistische Organisationen macht,
       > wird hart bestraft.
       
 (IMG) Bild: Strafrechtlich nicht relevant: T-Shirts mit dem Konterfei von Osama Bin Laden.
       
       taz: Herr Griesbaum, will die Bundesanwaltschaft künftig Jagd auf
       muslimische Jugendliche machen, die sich Bin-Laden-Bildchen zuschicken? 
       
       Rainer Griesbaum: Wie kommen Sie denn darauf?
       
       Sie haben angekündigt, bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors
       verstärkt auch Propagandadelikte im Internet zu verfolgen. 
       
       Das stimmt. Der islamistische Terror besteht schließlich aus drei Säulen:
       der Durchführung von Anschlägen, der erforderlichen Logistik und, als
       dritte Säule, der Propaganda. Hierzu zählen etwa Leute, die Reden von
       Ussama Bin Laden verbreiten. Weil das meist im Internet stattfindet,
       sprechen wir vom virtuellen Dschihad.
       
       In einem Pilotverfahren wurde im vergangenen Jahr ein Mann zu drei Jahren
       Haft verurteilt, der im Internet Reden von Al-Qaida-Größen verbreitet hat.
       Finden Sie das nicht unverhältnismäßig hart? 
       
       Überhaupt nicht. Drei Jahre Haft sind eine angemessene Strafe. Der Mann hat
       in 22 Fällen versucht, Mitglieder und Unterstützer für al-Qaida zu werben.
       Das sind schwere Straftaten.
       
       Es ist doch gar nichts passiert. Der Mann hat in einem Chatroom einige
       Reden zum Anhören angeboten und einige Links auf andere Seiten verbreitet.
       Ob das irgendjemand beeindruckt hat, ist nicht nachgewiesen. 
       
       Die Werbung für eine terroristische Vereinigung ist immer strafbar,
       unabhängig von ihrem Erfolg. Und oft hat die Werbung ja auch Erfolg, vor
       allem wenn ein in der Szene angesehener Islamist junge Leute um sich
       schart. Ich bin mir sicher, als jemand, der seit fast 30 Jahren den
       Terrorismus bekämpft, dass wir solche strafrechtlichen Instrumente gegen
       terroristische Werbung brauchen.
       
       Auch gegen muslimische Jugendliche, die Bin Laden für eine Art Popstar
       halten? 
       
       Nein. Der Deutsche Bundestag hat 2002 beschlossen, dass die bloße
       Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen nicht mehr strafbar ist.
       Die Jugendlichen mit ihrem Bildchen-Tausch haben also nichts zu befürchten.
       
       Ärgert es Sie, dass Sie nicht mehr gegen die Sympathiewerbung für al-Qaida
       vorgehen können? 
       
       Nein, das war eine gute Entscheidung des Bundestags. Wir haben in
       Deutschland Meinungsfreiheit, deren Grenzen selbstverständlich respektiert
       werden müssen. Strafbar ist nach Paragraph 129a aber noch die Werbung um
       Mitglieder oder Unterstützung für eine Terrororganisation. Denn dabei
       entsteht eine Gefahr, die die Gesellschaft nicht akzeptieren kann. Das ist
       für die Bundesanwaltschaft viel wichtiger als die Verfolgung von
       Sympathiewerbung.
       
       Wenn ich ein Bin-Laden-T-Shirt trage, ist das also nicht strafbar? 
       
       Nein. Es ist nach Paragraph 129a auch nicht strafbar, wenn Sie öffentlich
       erklären, dass Sie al-Qaida gut finden, wenn Sie allgemein zum Heiligen
       Krieg aufrufen oder die Dschihad-Ideologie loben. Es macht keinen Sinn,
       dieses ganze diffuse Umfeld in die Terrorbekämpfung einzubeziehen. Das
       würde das Strafrecht überfordern.
       
       Aber warum ist dann die Verbreitung von Bin-Laden-Reden strafbar? Ist das
       keine straflose Sympathiewerbung? 
       
       Bin Laden ist die wichtigste Symbolfigur von al-Qaida. Wenn er zum Dschihad
       aufruft, dann ist dies zumeist auch als Aufruf zu verstehen, Mitglied von
       al-Qaida zu werden oder al-Qaida zu unterstützen, zum Beispiel durch
       Spenden. Das hat der Bundesgerichtshof 2007 auch so entschieden.
       
       Macht sich also jeder strafbar, der eine Bin Laden-Rede liest oder
       weitergibt? 
       
       Nein. Es ist weder verboten, solche Reden zu lesen, noch sie aus dem
       Internet herunterzuladen. Es ist nur strafbar, solche Reden zu verbreiten,
       um damit für al- Qaida neue Mitglieder und Unterstützer zu werben. Ob dies
       die Absicht war, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.
       
       Ein Fernsehsender dürfte also eine Bin-Laden-Rede dokumentieren? 
       
       Natürlich, denn hier geht es nicht um Werbung, sondern um Information, die
       straflos ist. Wenn aber ein radikaler Islamist eine solche Rede an andere
       Islamisten schickt, um ihre Kampfbereitschaft zu wecken, dann ist das
       strafbar. Es kommt also immer auf die Umstände an.
       
       Wird dabei nicht die Gesinnung bestraft? 
       
       Nein. Bestraft wird die Werbung. Die Gesinnung ist nur ein Indiz dafür,
       dass ein entsprechender Vorsatz bestand.
       
       Was ist mit islamistischen Drohvideos? 
       
       Wir gehen davon aus, dass diese als Unterstützung einer terroristischen
       Vereinigung strafbar sind, weil das Ziel hier ist, den Gegner
       einzuschüchtern und zu demoralisieren.
       
       Sie sehen darin also keine straflose Sympathiewerbung? 
       
       Ich bitte Sie, wenn mit Anschlägen gedroht wird oder wenn gezeigt wird, wie
       eine Geisel geköpft wird, das ist doch keine bloße Sympathiewerbung. Das
       ist vielmehr terroristisch motivierte, psychologische Kriegsführung gegen
       die westlichen Gesellschaften.
       
       Wie ermitteln Sie eigentlich gegen islamistische Internet-Täter? 
       
       Es gibt grundsätzlich zwei Wege: Entweder gegen jemanden wird ohnehin
       ermittelt und dabei fällt auch das Handeln im Internet auf. Oder wir
       studieren die Veröffentlichungen im Internet und hoffen, dass jemand dabei
       eine Kleinigkeit über sich mitteilt und sich so verrät.
       
       Sie haben also keine neuen Hightech-Methoden? 
       
       Nein, das ist klassische Ermittlungsarbeit. Wir fügen Puzzleteil zu
       Puzzleteil, bis wir ein Gesamtbild haben.
       
       Wenn Sie einen Internet-Chatroom über längere Zeit überwachen, dann fallen
       dabei große Datenmengen an. Haben Sie überhaupt die Kapazitäten, das alles
       auszuwerten? 
       
       Das macht ja in den meisten Fällen nicht die Bundesanwaltschaft selbst,
       sondern in der Regel das Bundeskriminalamt. Aber es stimmt, die Datenmengen
       sind gewaltig.
       
       Und dann wird in solchen Chats in der Regel nicht deutsch gesprochen. 
       
       Nein, wir müssen sehr viel übersetzen lassen, aus dem Arabischen, aus dem
       Kurdischen, aus vielen anderen Sprachen.
       
       Wäre es nicht besser, diese Kapazitäten auf die Verhinderung von
       Terroranschlägen zu konzentrieren? 
       
       Sie bauen hier einen künstlichen Gegensatz zwischen Anschlägen und
       Propaganda auf. Propaganda soll zu Anschlägen führen. Wer gegen die
       Propaganda angeht, verhindert auch Anschläge. Außerdem haben wir genügend
       Ressourcen, um alle Terrordelikte zu verfolgen.
       
       Zumindest die Sympathiewerbung für Terrorgruppen müssen Sie heute nicht
       mehr verfolgen, während es in den 70er- und 80er-Jahren noch hunderte
       Ermittlungsverfahren gegen RAF-Sympathisanten gab. Hätte man den Paragraph
       129a nicht viel früher entschärfen müssen? 
       
       Nein, Werbung für die RAF war nie so diffus wie etwa Werbung für den
       Dschihad. Bei der RAF ging es um eine inländische Terrororganisation mit
       einer konkreten Ideologie.
       
       Warum musste man es bestrafen, wenn jemand "RAF lebt" an einen
       Brückenpfeiler sprüht? 
       
       Auch früher wurde sehr genau geschaut, wer hat das zu welchem Zweck
       gemacht. Da wurden keine Dumme-Jungen-Streiche bestraft. Nach der
       Deeskalationserklärung der RAF 1992 gab es auch kaum noch Anklagen. Wenn
       etwa ein Punker ein T-Shirt mit RAF-Emblem trug, dann haben wir darin keine
       Werbung für die Terrorgruppe RAF mehr gesehen, sondern nur noch eine
       plakative Systemkritik, die schon damals straflos war.
       
       24 Feb 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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