# taz.de -- Gutachten zu Klimafolgen: Den eigenen Untergang überdauern
       
       > Der Internationale Gerichtshof hat in einem Rechtsgutachten festgestellt:
       > Auch im Meer versunkene Länder verlieren nicht ihre Staatlichkeit.
       
 (IMG) Bild: Tuvalu: Wie genau untergegangene Inselstaaten fortdauern könnten, das ist bislang noch unklar
       
       Es war besonders für die Inselstaaten im Pazifik ein großer Erfolg: [1][Der
       Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte in der vergangenen Woche
       festgestellt], dass Staaten ein Recht auf Entschädigung haben für die
       Folgen des Klimawandels, die sie erleiden. „Das Gutachten des IGH ist mehr
       als ein rechtlicher Meilenstein – es ist die Anerkennung gelebter
       Realitäten im Pazifik und ein Aufruf zu Gerechtigkeit“, betont Stuart
       Minchin, Generaldirektor der Pacific Community, einer zwischenstaatlichen
       Organisation mit insgesamt 27 Mitgliedsländern.
       
       Was aber bedeutet das Urteil für Inselstaaten, deren Territorium wegen des
       steigenden Meeresspiegels noch in diesem Jahrhundert vollständig
       untergegangen sein wird? Mit dieser Prognose sehen sich Atolle wie Kiribati
       oder Tuvalu konfrontiert, die nur ein bis zwei Meter hoch aus dem Meer
       herausragen. Denn laut der US-Weltraumbehörde NASA, die auch viel
       Klimafolgenforschung betreibt, könnte der Meeresspiegel im Pazifik ohne
       vermehrte Anstrengungen für den Klimaschutz bis 2100 um bis zu 98
       Zentimeter steigen.
       
       Das Pacific Islands Forum fordert deshalb seit 2021 die Festschreibung und
       Anerkennung der Gebiete von Inselstaaten ungeachtet des steigenden
       Meeresspiegels. In dem rechtlich nicht bindenen Gutachten urteilte nun auch
       Den Haag erstmals, dass das „Verschwinden konstitutiver Elemente“ – der
       Landmasse zum Beispiel – nicht notwendigerweise den Verlust der
       Staatlichkeit bedeute. „Damit bekräftigt der IGH einen kürzlich
       veröffentlichten Bericht der Völkerrechtskommission, laut dem die
       Verschiebung von Seegrenzen landeinwärts zu rechtlicher Instabilität führen
       würde“, erläutert Harj Narulla vom International Institute for Environment
       and Development.
       
       Allein, wie genau untergegangene Inselstaaten fortdauern könnten, das ist
       bislang noch unklar. Rechtlich erhielten ehemalige Inseln zunächst den
       Status von Binnengewässern, erklärt Tom Sparks, Anwalt für internationales
       Recht. Auch die von den Vereinten Nationen definierten Seegrenzen eines
       Staats hätten laut dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs
       weiterhin Bestand, sollte der Staat sich irgendwann auf dem Meeresgrund
       befinden.
       
       Das bedeutet also, dass die Entscheidungsgewalt über maritimes Gebiet und
       damit auch über Rohstoffe auf dem Meeresgrund bei den Menschen bleibt, die
       emigrierte Staatsbürger*innen des untergegangenen Inselstaates sind.
       „Es geht nicht nur um Geografie, sondern um Souveränität, wirtschaftlichen
       Zugang, Sicherheit, Zugang zu Klimafinanzierungen und ums Überleben“, sagt
       Minchin von der Pacific Community.
       
       ## Verlust von Einfluss
       
       Jurist Sparks hingegen hat Zweifel, ob die internationale
       Staatengemeinschaft die territoriale Souveränität untergegangener Staaten
       dauerhaft respektieren würde. Vereinzelt gibt es zwar bereits Abkommen, die
       genau das garantieren sollen, beispielsweise zwischen Neuseeland und Nauru,
       oder zwischen Australien und Tuvalu. Sparks befürchtet jedoch, dass genau
       die Inselstaaten, die in der Vergangenheit wichtige Motoren für eine
       internationale Gesetzgebung waren, die den Klimaaspekt nicht aus dem Blick
       verliert, ohne eigenes Territorium an Einfluss verlieren könnten.
       
       So will auch die Pacific Community alles daran setzen, die Inseln zu
       erhalten – notfalls, indem man Sand aufschüttet. Hoffnungsvoll stimmt sie
       [2][das IGH-Gutachten, das auf einer Initiative von 27
       Jurastuden*tinnen von acht pazifischen Inseln beruht]. „Absolut
       inspirierend“, sei das Ergebnis, findet auch Sparks.
       
       1 Aug 2025
       
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