# taz.de -- Grüne und das Klimapaket: In der Zwickmühle
       
       > Mitmachen oder blockieren? Die Klimapläne der Groko setzen die Grünen
       > unter Druck. Sie suchen nach einer Strategie für den Bundesrat.
       
 (IMG) Bild: Wie umgehen mit dem Klimapaket? Annalena Baerbock und Robert Habeck überlegen noch
       
       Berlin taz | Als die Bundesregierung ihr umstrittenes Klimapaket vor gut
       einer Woche vorstellte, gab sich die Ökopartei noch selbstbewusst. „Die
       Grünen werden im Bundesrat versuchen, alles fürs Klima herauszuholen, was
       möglich ist“, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der taz. Ähnlich äußerte
       sich Parteichefin Annalena Baerbock.
       
       Inzwischen, nach ein paar Tagen des Nachdenkens, klingen die Grünen
       vorsichtiger. Baerbock räumte am Sonntag im Deutschlandfunk ein, dass viele
       Vorhaben der Groko gar nicht im Bundesrat landen werden – „um da jetzt auch
       keine falschen Erwartungen aufzumachen“. Bloß keine falschen Erwartungen
       wecken: Bei den Grünen sickert langsam, aber sicher die Erkenntnis ein,
       dass sie in einer Zwickmühle stecken.
       
       Stimmen sie den Koalitionsplänen zu, gelten sie als Abnicker, die eine viel
       zu zaghafte Klimapolitik gutheißen. Stimmen sie dagegen, sind sie
       Blockierer, die das, was auf dem Tisch liegt, verhindern. Wäre dem Klima
       geholfen, wenn die Grünen den CO2-Preis der Regierung stoppen? „Ein
       Ökosiegel auf völlig unzureichende Pläne der Groko zu kleben, ist für uns
       keine Option“, sagt Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. „Eine komplette
       Blockade halte ich aber auch für wenig sinnvoll.“ Kurz: Es ist ein Dilemma.
       
       Die Bundesregierung wiederum hat erkannt, wie wertvoll eine Kooperation mit
       den Grünen wäre – und legt fleißig Leimruten aus. CDU-Chefin Annegret
       Kramp-Karrenbauer wirbt seit Wochen für einen „nationalen Klimakonsens“.
       SPD-Umweltministerin Svenja Schulze zeigt sich offen für Verbesserungen im
       Bundesrat. Am Ende, sagt Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus im Spiegel,
       müssten die Grünen zeigen, „ob es ihnen nur um ihre reine Lehre geht“.
       
       ## Ein wunder Punkt der Grünen
       
       Solche Sätze zielen bei den Grünen auf einen wunden Punkt: Sie sehen sich
       ja als konstruktive Gestaltungskraft, die Verantwortung will und das
       Dagegensein verabscheut. Grünen-Chef Robert Habeck hat es neulich so
       ausgedrückt: „Wir sind doch jetzt schon längst in einer Rolle einer quasi
       Regierungspartei im Wartestand.“ Ein striktes Nein, das Fortschritte
       ignoriert, passt dazu nicht.
       
       Ein weiteres Problem der Grünen: Der Bundesrat, in dem sie wegen ihrer
       Regierungsbeteiligungen in neun Ländern eine starke Position haben, ist
       kein gestaltendes Gremium. Gesetze können hier gestoppt, aber nicht
       relevant verändert werden. Außerdem wird die Bundesregierung ihr Klimapaket
       in viele Einzelgesetze aufsplitten. Manche sind zustimmungspflichtig,
       andere nicht. Bis Ende des Jahres sollen diverse Kabinettsbeschlüsse
       vorliegen.
       
       Der Preis von 10 Euro pro Tonne Kohlendioxid, den die Grünen für viel zu
       niedrig halten, lässt sich wohl so gestalten, dass er nicht in den
       Bundesrat müsste. Gesetze mit steuerpolitischen Auswirkungen sind aber sehr
       wohl Ländersache, weil jene an Einnahmen beteiligt sind. Die geplante
       Erhöhung der Pendlerpauschale, die die Grünen für ökologischen Irrsinn
       halten, müsste also in der Länderkammer abgesegnet werden. Ebenso die Idee,
       Bahntickets durch eine Mehrwertsteuersenkung günstiger zu machen.
       
       Gegen mehrere zustimmungspflichtige Punkte haben die Grünen nichts.
       Günstigere Bahnfahrkarten finden sie richtig, mehr Geld für den
       öffentlichen Nahverkehr auch. Der entscheidende Hebel des Pakets ist aber
       der CO2-Preis. „Eingeführte Instrumente wie einen CO2-Preis können wir dann
       künftig anschärfen“, sagt Kellner – auch mit Blick auf eine mögliche
       Regierungsbeteiligung. Um in der Opposition Verschärfungen zu erreichen,
       könnten die Grünen damit drohen, andere Maßnahmen im Bundesrat abzulehnen,
       etwa die höhere Pendlerpauschale.
       
       ## Kinkerlitzchen für Fridays for Future
       
       Aber wann ist ein Erfolg ein Erfolg? Die Erwartungen an die Grünen sind so
       riesig, dass sie kaum zu erfüllen sind. Würden sie etwa die Groko dazu
       bringen, ihren CO2-Preis auf 20 Euro pro Tonne Kohlendioxid zu verdoppeln,
       wäre das realpolitisch betrachtet ein echter Sieg. Für Fridays for Future
       sind das Kinkerlitzchen. Die KlimaaktivistInnen haben während der
       Groko-Verhandlungen sogar einen Preis von 26 Euro als „Schlag ins Gesicht“
       aller DemonstrantInnen bezeichnet.
       
       Egal, was sie tun: Die Grünen können nur wenig gewinnen, aber viel
       verlieren. Kooperieren sie allzu willig mit der Regierung, verlieren sie
       ihre Street-Credibility. Bisher verschaffte ihnen die
       Fridays-for-Future-Bewegung Rückenwind. Bei der Europawahl entschied sich
       ein Drittel der unter 30-Jährigen für die Grünen. Manche Parteistrategen
       fürchten nun, dass sich die Wut der KlimakaktivistInnen auch gegen sie
       richten könnte. Da könne ein „wahnsinniger Politikverdruss“ entstehen,
       heißt es. Motto: Die Politik kriegt einfach nichts gebacken.
       
       Auch von ihrer eigenen Parteibasis dürfte die Grünen-Spitze Druck bekommen.
       Im November findet der Bundesparteitag in Bielefeld statt. Der Vorstand
       bastelt im Moment an seinem Leitantrag zum Klimaschutz, der am Wochenende
       fertig sein soll. Er erwartet diverse Änderungs- und Eilanträge mit dem
       Ziel, die eigenen Klimapläne anzuspitzen. Die Schlinge wird enger.
       
       Die Union weiß um die Zwangslage der Grünen-Spitze. Und müht sich, das
       Dilemma zu verschärfen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellte am
       Dienstag seine Mittelstandsstrategie vor – und konnte sich einen Seitenhieb
       auf Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und dessen
       Faible für die Autoindustrie nicht verkneifen. Er sei „sehr gespannt“, wie
       sich Kretschmann zur Frage positioniere, „wie teuer das Benzin an der
       Tankstelle werden soll“, sagte Altmaier. Der Diskussion sehe er „gelassen“
       entgegen.
       
       1 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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