# taz.de -- Digitalisierung in Schulen: Ersetzt Hannover heimische Software mit US-Big-Tech?
> In Hannover will die Stadtverwaltung ihre Schul-IT zentralisieren – ohne
> die beliebte Plattform IServ. Dagegen laufen Schulen und Eltern Sturm.
(IMG) Bild: Hat IServ, das Hannover abschafft, Anfang der 2000er mit Schülern entwickelt: Jörg Ludwig
Verkauft die Landeshauptstadt Hannover ihre Schul-IT an einen US-Konzern?
Wenn man nur die wütenden Stellungnahmen der hannoverschen Gymnasien,
[1][der GEW und] verschiedener Parteien liest, klingt das so.
Anfang Dezember verkündete die Stadt, dass sie bis zum Sommer des kommenden
Jahres alle Schulen, für die sie als Schulträger zuständig ist, zur Nutzung
der stadteigenen Plattform schulen-hannover.de verpflichten will.
Die [2][bei vielen Schulen beliebte und vielen Eltern bekannte
Schulplattform IServ] wird dann nicht mehr finanziert, weil das eine
Doppelstruktur darstellen würde und weil man den Support zentralisieren
möchte.
Zu den Softwareressourcen, die über schulen-hannover.de zur Verfügung
gestellt werden, würde dann auch Microsoft 365 gehören. Und weil
US-Tech-Konzerne nun einmal schwierige Partner sind, wird daraus in der
öffentlichen Wahrnehmung ganz fix eine David-gegen-Goliath-Geschichte.
## Von Jugend forscht zum Super-Start-up
Wobei [3][das braunschweigische Unternehmen IServ] schon dank seiner
Entstehungsgeschichte einen sehr hübschen David abgibt. IServ entstand
Anfang der 2000er Jahre aus einem schulischen IT-Projekt – ein
Informatiklehrer entwickelte zusammen mit interessierten Schülern ein
System für die Netzwerkverwaltung und Kommunikation zwischen Lehrern,
Schülern, Eltern und Alumni. Dafür gab es sogar eine Förderung von Jugend
forscht.
Das System wurde beständig weiterentwickelt und – zunächst eher durch
Mund-zu-Mund-Propaganda von weiteren Schulen eingesetzt. Mit der
Coronapandamie explodierte die Nachfrage. IServ lieferte zu diesem
Zeitpunkt genau das, was Schulen sich wünschten – während die
übergeordneten Stellen noch um Zuständigkeiten stritten oder mit der
Ausformulierung der Feinheiten des Digitalpaktes beschäftigt waren.
Der entscheidende Vorteil von IServ: Man lieferte im Grunde ein
Rundum-sorglos-Paket – von der Verwaltung der Hardware bis zu Modulen für
jede erdenkliche schulische Aufgabe, von der Klassenorganisation über den
Schulbuchverleih bis zur Organisation von Elternsprechtagen.
Für die Einrichtung benötigt man zwar ein bisschen technisches Know-how –
aber aufseiten des einfachen Anwenders nicht. Weil IServ aus dem
Schulbetrieb kommt und ganz genau weiß, wie Lehrer, Schüler und Eltern
ticken. Das ist etwas anderes als Programme, die eigentlich für Unternehmen
gemacht sind und dann mühsam an den Schulalltag angepasst werden müssen.
Und im Gegensatz zu [4][Microsoft bestanden hier auch nie
datenschutzrechtliche Bedenken]. Vor allem in Niedersachsen und NRW ist
IServ weitverbreitet. Auch im Umland von Hannover setzen viele Schulträger
weiter auf IServ, was bedeutet, dass die Landeshauptstadt hier
möglicherweise einen heiklen Sonderweg einschlägt.
## Die IServ-Fans sitzen vor allem in den Gymnasien
Der hat allerdings weniger damit zu tun, dass man sich von Microsoft hat
einfangen lassen als vielmehr damit, dass das, was früher IServs Stärke
war, nun möglicherweise zur Schwäche wird. Die „Alles aus einem
Guss“-Lösung, die IServ präsentierte, setzt sehr stark darauf, dass die
Schulen ihre IT-Hoheit behalten.
IServ funktionierte lange Zeit am besten auf schuleigenen Servern und mit
schuleigene Administratoren. Den Trend zu Cloud-Anwendung und Fernwartung
hat man spät vollzogen. Auch die Integration anderer Dienste und Programme
ist nicht ganz leicht.
Man erkennt das sehr deutlich, wenn man sich ansieht, welche Schulen jetzt
protestieren: Es sind die Gymnasien und die Gesamtschulen. Hier hat man es
in der Regel nicht so schwer, im großen Kollegium technikaffine Lehrkräfte
zu finden, die sich der Einrichtung und Verwaltung eines maßgeschneiderten
Systems widmen.
An den Grundschulen oder sonderpädagogischen Einrichtungen sieht das oft
anders aus. Und die Berufsschulen setzen oft schon deshalb auf
Microsoft-Produkte, weil die in der Arbeitswelt, auf die ihre Schüler
vorbereitet werden sollen, eben auch zum Einsatz kommen. Von den rund 100
Schulen, für die Hannover als Schulträger zuständig ist, haben nur 43 ein
Problem mit der Abschaltung ihrer IServ-Struktur.
## Zentralisierung erwünscht, aber bitte nicht so
Diese spezielle Struktur von IServ wird vor allem deshalb jetzt zum
Problem, weil die Stadt Hannover eigentlich eine Reihe von IT-Aufgaben
zentralisieren möchte. Als Schulträger ist sie ja ohnehin für die
technische Infrastruktur und die Sicherheit der schulischen Systeme
verantwortlich, künftig soll noch mehr über das städtische Rechenzentrum
laufen und auch der Support stärker gebündelt werden. Dafür wurden auch
weitere Stellen geschaffen.
Im Grunde entspricht das dem, was in der Bildungslandschaft immer wieder
gefordert wird: Die Schulen müssen vor allem vom technischen Support
entlastet werden, damit Lehrer wieder das tun können, wofür sie eigentlich
angestellt wurden – nämlich unterrichten. Und nicht Passwörter
zurücksetzen, Updates aufspielen und Anwenderprobleme lösen.
Viele Schulen wünschen sich, dass sie selbst Techniker vor Ort anstellen
könnten. Das wiederum halten viele Branchenexperten für unrealistisch. Wenn
man schon Schwierigkeiten hat, ITler für die Verwaltung zu gewinnen – wo es
immerhin ein vielseitigeres Aufgabenfeld, abteilungsinternen Austausch und
Aufstiegsmöglichkeiten gibt –, wie soll man dann Leute für ein
Arbeitsumfeld begeistern, wo sie als Einzelkämpfer vor sich hin wursteln
müssten?
Gleichzeitig setzt eine stärkere Zentralisierung voraus, dass man
gemeinsame Standards hat. Das fühlt sich für die Schulen, die sich
frühzeitig auf den Weg gemacht haben und ausgefeilte eigene Strukturen
geschaffen haben, zwangsläufig wie ein Rückschritt an. Zumal sie
befürchten, mit dem massiven Arbeitsaufwand, den ein Systemwechsel
bedeutet, alleingelassen zu werden. Und am Ende vielleicht auch nicht immer
den prompten Support zu bekommen, den sie brauchen.
## Landesrechnungshof kritisiert Doppelstrukturen
Bei der Entwicklung der landeseigenen Bildungsplattform, auf der die
städtische letztlich aufsetzt, ist IServ bisher ziemlich außen vor. Der
Landesrechnungshof hat in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert,
dass hier Doppelstrukturen finanziert werden, weil man einerseits in die
Entwicklung der niedersächsischen Bildungscloud investiert und andererseits
Lizenzgebühren für private Anbieter wie IServ zahlt – obwohl am Ende beide
das Gleiche leisten sollen.
Hannover scheint daraus nun den Schluss gezogen zu haben, man müsste IServ
abschalten. Hamburg hat den umgekehrten Weg gewählt – hier hat man die
eigene Plattform eduport aufgegeben und stellt allen Schulen über das
Schuldock künftig IServ Hamburg als Kommunikationsplattform zur Verfügung.
Einen „Umzug“ müssen die Schulen trotzdem bewältigen – die alten,
schuleigenen IServ-Server werden zugunsten der zentralen Lösung
abgeschafft.
25 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.gew-nds.de/bezirke-und-kreise/kreisverband-region-hannover/detailseite?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=39947&cHash=c5e8a99aa3d154f05a88bce6495c5e1b
(DIR) [2] /Auf-der-Suche-nach-der-allein-selig-machenden-Cloud/!5735769/
(DIR) [3] https://iserv.de/unternehmen
(DIR) [4] https://www.lfd.niedersachsen.de/auftragsverarbeitung/handreichung-zur-auftragsverarbeitungs-vereinbarung-fur-microsoft-365-225721.html
## AUTOREN
(DIR) Nadine Conti
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