# taz.de -- Ende von Musikvideos auf MTV: Social Media Killed the Music-TV-Star
       
       > MTV streicht ab 2026 Musikvideos aus ihrem Fernsehprogramm. Ein wohl
       > nötiger Schritt, der Anlass für einen nostalgischen Rückblick gibt.
       
 (IMG) Bild: Fans der Band Tokio Hotel bei deren Konzert in ihrer Heimatstadt Magdeburg, September 2005
       
       Wann haben Sie das letzte Mal ein Musikvideo gesehen? Und: Wann haben Sie
       sich dafür das letzte Mal auf die Couch gesetzt, eine Fernbedienung in die
       Hand genommen, den Fernseher eingeschaltet und dann ganz weit nach hinten
       gezappt, um MTV laufen zu lassen? Eben. [1][2026 ist deswegen Schluss].
       Music Television streicht die Musik zwar nicht aus dem Namen, aber aus dem
       Programm, und wird damit endgültig zu einem Sender für Reality-TV-Formate.
       
       Traurig, klar: der Tod eines popkulturellen Ankers, einer stilbildenden
       Institution, einer Medienmaschine, die Künstler zu Stars und Stars zu
       Superstars machen konnte. Einerseits. Andererseits sind die fetten Jahre
       schon lange vorbei. [2][„Video Killed the Radio Star“] hieß es, als der
       Sender 1981 in den USA an den Start ging und 16 Jahre später auch in
       Deutschland. „Social Media Killed the Music-TV-Star“ müsste es heute
       heißen. MTV liegt in Trümmern – und das schon seit dem Aufkommen von
       Youtube. Denken wir also lieber an die „guten alten Zeiten“.
       
       MTV brachte ikonische Riesenproduktionen von [3][Madonna] und Co in die
       Kinderzimmer und die Stars damit ganz nah zu ihnen. Die Videos zu
       [4][Michael Jacksons „Thriller“] oder [5][„Sabotage“ von den Beastie Boys]
       waren richtige Musikfilme, [6][Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“] der
       audiovisuelle Trost für Millionen depressiver Jugendlicher.
       
       ## Eine popmusikalische Bildungsreise
       
       Auch in Deutschland hinterließ MTV seine Spuren, nicht nur als Mittel zur
       Globalisierung des Pop. [7][Wir sind Helden] wurden nur deswegen so
       bekannt, weil jemand bei MTV an die Band glaubte und ihren Song [8][„Guten
       Tag“] in die Heavy Rotation hob. Bands wie [9][Tokio Hotel] wären ohne das
       Video zu [10][„Durch den Monsun“] nicht zu den größten Teenie-Stars ihrer
       Zeit geworden.
       
       Es war auch deswegen möglich, weil MTV die Macht darüber hatte, wer wie oft
       gespielt wurde. Man musste dann eben so lange dranbleiben, bis der heiß
       ersehnte Lieblingssong lief. Das kann man dogmatisch nennen, aber es war
       auch eine Art popmusikalische Bildungsreise, durch die man auf Songs stoßen
       konnte, die abseits der eigenen Komfortzone lagen.
       
       Das Gute daran war, dass dieser kunstfremde Wettbewerb die Kunstform
       Musikvideo auch in Deutschland für knapp 15 Jahre legitimierte. Aber machen
       wir uns auch nichts vor: MTV war trotz all des Glamours vor allem eine
       Werbeplattform. Musiklabels steckten viel Geld in teure Musikvideos, damit
       diese auf MTV laufen konnten und die CD-Verkäufe ankurbelten. Gleichzeitig
       schalteten sie Werbung. Eine Win-win-Situation für den Sender und ein
       Geschäftsmodell, das nun nicht mehr funktioniert.
       
       ## Ein Platz für postmigrantische Stimmen
       
       Noch etwas war damals neu: Durch Sendungen wie MTV Urban TRL wurde
       deutscher Gangsterrap erstmals für ein breites Publikum greifbar. Vor allem
       das Label [11][Aggro Berlin] profitierte davon. [12][Sido] tanzte im Video
       zu seinem ikonischen „Weihnachtssong“ jahrelang ab Anfang Dezember im roten
       Mantel und mit Totenkopfmaske über die Bildschirme.
       
       MTV war Fun, und MTV öffnete den Blick in andere Lebenswelten. Denn trotz
       all der Homophobie und Misogynie in den Texten verschaffte der Sender durch
       die Akzeptanz von Gangsterrap erstmals postmigrantischen Stimmen von
       [13][Kool Savas] bis [14][Bushido] im deutschen Pop breitenwirksame
       Aufmerksamkeit. Plötzlich konnte man in seinem Zimmer im schwäbischen Dorf
       etwas über die Struggles in Kreuzberg erfahren.
       
       Mittlerweile ist Rap Mainstream, Künstler:innen sprechen mit ihren Fans
       direkt in Twitch-Livestreams, und niemand will sich mehr von einem
       Fernsehsender die Playlist diktieren lassen. Was also bleibt von MTV?
       Vermutlich vor allem ein melancholisches Gefühl der Nostalgie, wenn
       Millennials und späte Boomer an die Stars ihrer Jugend denken. Und die
       traurige Gewissheit, dass das Musikvideo endgültig zu einem Nischenphänomen
       für Liebhaber geworden ist, wenn sogar MTV sie nicht mehr zeigen will.
       
       15 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [3] /Madonna-bei-Grammy-Awards/!5911179
 (DIR) [4] https://youtu.be/sOnqjkJTMaA?si=oDgWV2LuY5_ulfoG
 (DIR) [5] https://youtu.be/z5rRZdiu1UE?si=HxZV72LZnfaoi6pW
 (DIR) [6] https://youtu.be/hTWKbfoikeg?si=3pF83FmN1VASbhiZ
 (DIR) [7] /Wir-Sind-Helden-Saengerin-Judith-Holofernes/!5135520
 (DIR) [8] https://youtu.be/Vt8qY5KY9dQ?si=tcTRFI59U-8ou4Da
 (DIR) [9] /Tokio-Hotel-beginnen-Europatour/!6072793
 (DIR) [10] https://youtu.be/cnZvPQ6Swgs?si=aICfgLro1fU4u_5L
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