# taz.de -- Ende einer TV-Ära: MTV stellt Musikkanäle zum Jahresende ein
       
       > Ab 2026 wird MTV keine Musikvideos mehr zeigen. Das liegt auch daran,
       > dass das TV-Format nicht mehr in die heutige Zeit passt.
       
 (IMG) Bild: Madonna 1986 am Set des Videodrehs zu „Who's That Girl“ in New York
       
       afp | Ein Sender, der nur Musikvideos ausstrahlt – beim Start von MTV 1981
       eine bahnbrechende Idee. „Video Killed the Radio Star“ war
       bezeichnenderweise der erste Musik-Clip, der bei Music Television lief.
       Mehr als 40 Jahre später machen nun Streamingdienste und Social Media dem
       Musiksender den Garaus. Zum Jahresende schaltet der US-Mutterkonzern
       Paramount Skydance die internationalen MTV-Musikkanäle ab.
       
       Enttäuschte Fans und ehemalige MTV-Moderatoren bedauern das Ende einer Ära.
       Doch alles, was MTV zu einem kulturell „revolutionären“ Sender gemacht
       habe, existiere nicht mehr, sagt die Film- und Medienwissenschaftlerin
       Kirsty Fairclough von der Manchester Metropolitan University. Digitale
       Plattformen wie YouTube und TikTok „haben die Art und Weise, wie wir mit
       Musik und Bildern umgehen, völlig verändert“. [1][Das Publikum von heute
       erwarte „Unmittelbarkeit“ und „Interaktivität“], was Videos im Fernsehen
       nicht bieten könnten, erläutert die Expertin für Populärkultur.
       
       Der Sender sei erfolgreich gewesen, als das Internet noch in den
       Kinderschuhen steckte, sagt James Hyman, der in den 1990er Jahren Tanzshows
       für MTV Europe produzierte. „Es war so aufregend, weil das im Grunde alles
       war, was die Leute hatten.“
       
       Hyman und Moderatorin Simone Angel waren die Macher von MTV Party Zone –
       einer Sendung, die die Clubkultur feierte und damals noch neue Techno-,
       House- und Trance-Musik spielte. Beide verließen den Sender, als MTV Europe
       Anfang der 2000er Jahre in regionale Tochtergesellschaften aufgeteilt wurde
       und sich von Musikprogrammen weg zu Realityshows hin umorientierte. „Ich
       war untröstlich, als es zu einer Aufteilung in verschiedene Regionen kam.
       Für mich war das wie der Anfang vom Ende“, sagt die Niederländerin.
       
       ## In Deutschland seit 1997
       
       Grund für die schwindende Popularität von MTV war ihr zufolge die Abkehr
       von originellen, innovativen Musikinhalten, die für den Durchbruch wenig
       bekannter Künstler entscheidend waren. „Anfangs ging es MTV Europe nicht
       nur darum, möglichst viel Geld zu verdienen. Es war die
       Experimentierfreudigkeit, die den Sender so spannend machte.“
       
       Der [2][deutschsprachige MTV-Sender] ging 1997 an den Start und machte
       Moderatoren wie Kristiane Backer, Ray Cokes, Nora Tschirner und Christian
       Ulmen einem Millionenpublikum bekannt.
       
       Seit Paramount Anfang des Jahres mit Skydance fusionierte, versucht der
       Konzern, Kosten zu senken und kündigte im Oktober den Abbau von 1000
       Stellen an. Auch andere Kabelfernsehangebote stehen auf dem Prüfstand.
       
       Einige MTV-Musikkanäle werden in den Vereinigten Staaten weiterhin
       ausgestrahlt, in Deutschland soll Medienberichten zufolge MTV HD weiter
       verfügbar bleiben, allerdings mit einem Schwerpunkt auf Unterhaltung statt
       auf Musik.
       
       ## Archivbänder für die Öffentlichkeit
       
       „Das ‚M‘ in MTV stand für Musik, und das ist nun weg“, beklagt Hyman. „MTV
       hat die Popmusik wirklich grundlegend verändert“, resümiert
       Wissenschaftlerin Fairclough. Der Sender habe sowohl berühmte als auch
       unbekannte Künstler in die Wohnzimmer von Musikfans auf der ganzen Welt
       gebracht. Die Abschaltung von Sendern in vielen Ländern „markiert definitiv
       das Ende einer Ära in der Art und Weise, wie wir Musik erleben, sowohl
       visuell als auch kulturell“, sagt sie.
       
       Momente wie die Premiere von Michael Jacksons Musikvideo „Thriller“ und
       Madonnas Auftritt mit „Like a Virgin“ bei den ersten MTV Video Music Awards
       1984 prägten die kulturelle Debatte. „MTV war so mächtig, dass es die
       Jugendkultur definierte“, sagt Hyman und erinnert an den weitreichenden
       Einfluss des Senders auf Mode, Film und Musik.
       
       In Hymans Wohnzimmer in London wird das alte MTV wieder lebendig. Er hat
       die VHS-Kassetten der von ihm produzierten Sendungen sorgfältig aufbewahrt
       und schiebt sie in den Player: Es laufen Clips aus den 90er Jahren,
       experimentelle Musikvideos, Interviews.
       
       Seit bekannt wurde, dass die Musikkanäle vor dem Aus stehen, drängen Hyman
       und Ex-Moderatorin Angel Paramount dazu, Archivbänder der Öffentlichkeit
       zugänglich zu machen. „Für mich fühlt es sich an, als würde MTV schon seit
       langer Zeit künstlich am Leben erhalten“, sagt Angel. „Aber jetzt, wo
       tatsächlich der Stecker gezogen werden soll, ist uns allen plötzlich klar
       geworden, wie viel uns das bedeutet.“
       
       14 Dec 2025
       
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