# taz.de -- Analyse zum Grünen-Parteitag: Partei der Frauen
> Jung, weiblich, mutig – und pragmatisch statt moralistisch: Kolumnist Udo
> Knapp meint, die Parteispitze um Brantner, Lang und Co. könnte eine neue
> Phase grüner Politik einleiten.
(IMG) Bild: Gesicht der Zukunft? Bundesvorsitzende Franziska Brantner formuliert auf dem Parteitag Grundsätze
[1][taz FUTURZWEI] | Die neue Grüne Führungselite wird von jungen Frauen
dominiert. Das war bei der 51. Bundesdelegiertenkonferenz in [2][Hannover]
klar zu sehen. Sie brauchen keine Quoten mehr, sie sind die Partei.
Das wird sich zu einem Alleinstellungsmerkmal in der Parteiendemokratie der
Republik weiterentwickeln. Generell präsentierte sich am vergangenen
Wochenende die nächste Generation des Grünen Führungspersonals – viele
davon sind sich angstfrei und reflektierend artikulierende junge Leute.
Sie kommen aus großen und aus kleinen Kreisverbänden, aus Städten und aus
vielen ländlichen Gemeinden. Sie sind Bürgermeister, Abgeordnete, auf allen
Ebenen der Selbstverwaltung. Sie sind in ihren lokalen Zusammenhängen dicht
bei den Leuten und gut verankert. Das und die mittlerweile 180.000
Mitglieder geben ihnen politisches Selbstvertrauen.
## Inszeniertes Selbstlob
Allerdings verhilft das Korsett einer Redezeit von drei Minuten zwar vielen
Delegierten zu einem Auftritt, es verhindert aber ein sich aufeinander
beziehendes Argumentieren bei der Suche nach Antworten auf die anstehenden
Epochen-Fragen.
Fast alle Redner fallen, getrieben von der Uhr, in den hohen Ton
moralischer Überlegenheit, sie werden laut, was allein auf Beifall der
Delegierten zielt. Die gesetzten Reden der aktuellen Parteihelden können so
nicht hinterfragt werden.
Dieses inszenierte Selbstlob wird für das Formulieren der nächsten
strategischen Wegmarken der Partei nicht gebraucht. Es langweilt nur.
[3][Franziska Brantner], [4][Ricarda Lang] und [5][Cem Özdemir] haben in
ihren Reden angedeutet, wo sie [6][die Grünen] im Ringen um Macht und
Einfluss in den nächsten Jahren sehen. Das Alleinstellungsmerkmal der
Grünen, das Steuern der Transformation ins nachfossile, digitale
[7][KI]-Zeitalter halten sie für gesetzt.
Klimapolitik findet aber im Augenblick in der Gesellschaft kaum Widerhall,
der sich in Politik übersetzen ließe. Warum das so ist, wurde auf dem
Parteitag nicht beantwortet.
Es wurde nur polemisch als Kritik an den Großkapitalisten und Lobbyisten
und als Prinzipienlosigkeit des Kanzlers adressiert. Offenbar glauben die
Grünen, dass sie das konstatierte Desinteresse an Klimapolitik durch eine
grundsätzliche Remedur ihres eigenen Auftretens in der Mitte der
Gesellschaft in Zustimmung verwandeln können.
## Die vier Grundsätze der Franziska Brantner
Parteichefin Franziska Brantner formulierte dafür vier Grundansätze.
1. Ehrlichkeit: Grüne sollten alle Probleme der Politik in ihrer
Wirklichkeit so adressieren, wie sie sich tatsächlich stellen. Sollten ohne
jedes Vorurteil oder parteiliche Brille sagen, was ist und Lösungen auf
dieser Grundlage erfinden und auf den Weg bringen. Konkret: Wenn innerhalb
der [8][Nato] oder der [9][EU] gemeinsame Anstrengungen wegen der
russischen Bedrohung nicht möglich seien, müsse eben eine Europäische
Verteidigungsunion mit den Staaten gegründet werden, die dazu bereit sind.
2. Eigenverantwortung vor Ort: Auf dem Weg in die ökologische Zukunft
sollten Grüne nicht darauf warten, dass zentrale Ebenen der Politik die
Transformation auf den Weg bringen. Sie sollten sich mit denjenigen in
Wirtschaft und Gesellschaft verbünden, die schon jetzt erfolgreich an der
Transformation arbeiten. Diese Kräfte seien viel stärker als alle Versuche,
den bereits voranschreitenden ökologischen Umbau wieder zurückzudrehen.
3. Generationen zusammenbringen: Es mache keinen Sinn, die Jungen und die
Alten gegeneinander in Stellung zu bringen. Wichtiger sei es, die
unabweisbaren Verteilungsfragen, die durch die Demographie entstehen, im
Konsens so aufzulösen, dass sie als gemeinsames Zukunftsprojekt gelebt
werden könnten.
4. Internet aus der Verfügungsgewalt der Tech-Milliardäre befreien: Die
Oligopolisten missbrauchten die neuen Medien und KI als Propagandamaschinen
zur Demontage der Bürgerrechte, der freien Rede und der
Informationsfreiheit. Die neuen Medien gehörten auf gesetzlicher Grundlage
ins System demokratisch kontrollierter Institutionen integriert und
reguliert.
## Die Grünen als mutige Partei
„Zukunft mit Haltung“ nennt die Bundestagsabgeordnete Ricarda Lang in ihrer
Rede diesen strategischen Ansatz. Haltung definiert sich bei ihr als offen
nachvollziehbar, aber konsequent pragmatisch. Sie verlangt für alle
politischen Vorschläge der Grünen eine Substanz, die Mehrheiten finden
kann.
Sie will dafür die Institutionen so aufstellen, dass sich in und mit ihnen
Zukunfts-Entwürfe entfalten können. Vor allem verlangt sie Furchtlosigkeit.
Die Grünen als mutige Partei könnten Wege öffnen, die Zukunft schaffen.
Cem Özdemir, Kandidat für das Ministerpräsidentenamt von
[10][Baden-Württemberg], sieht die Grünen an der Seite der [11][Arbeiter]
und Unternehmer in den [12][Autoindustrien]. Denn sie werden die Last der
Transformation tragen müssen.
„Wir können auch Auto“, sagt er und noch ein paar andere Dinge, die man
sich auf Grünen-Parteitagen bisher nicht traute. Für Özdemir muss das
Machbare das entscheidende Tool der Transformation werden. Nur
erfolgreiches Brückenbauen öffnet aus seiner Sicht Wege in eine ökologische
und zugleich demokratische Gesellschaft.
## Einer pragmatisch aufgestellten Politik verpflichtet
Wenn man pathetisch sein will, kann man sagen: Brantner, Lang und Özdemir
leiten eine neue Phase Grüner Politik ein. Sie wollen aus den Grünen ein
überzeugendes und funktionierendes Instrument der ökologischen
Transformation formen. Mit einer Politik, die nicht von moralischer
Selbstüberhebung bestimmt wird, sondern mit breiten Allianzen den konkreten
Wandel anführt.
Dieser Anspruch ist deshalb so schwierig umzusetzen, weil er das
konservative und das linke Lager-Denken aufgibt und sich allein einer
pragmatisch aufgestellten Politik verpflichtet. Dafür müssen konkret
ausformulierte Zukunftsprojekte aufgelegt und diskutiert werden; sei es zur
Rente oder zur [13][Energiewende]. Davon sind die Grünen auch nach diesem
Parteitag immer noch weit entfernt.
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2 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Udo Knapp
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