# taz.de -- Wahl in Sachsen-Anhalt: Hat dieses Dorf bald einen Neonazi als Bürgermeister?
       
       > Der Bundesvorsitzende der Jungen Nationalisten will Bürgermeister in
       > Völpke werden. Das zeigt, wie Neonazis von der Diskursverschiebung
       > profitieren.
       
 (IMG) Bild: JN-Chef Sebastian Weigler bei der rechtsextremen 1.-Mai-Demo dieses Jahr in Gera
       
       Auf den Wahlplakaten hat Sebastian Weigler das Logo seiner Partei
       weggelassen. Und doch verrät ein Detail, welche es ist. Neben den Farben
       des kleinen Orts Völpke in Sachsen-Anhalt, rot, grün und weiß, hat Weigler
       beim Design einen orange-goldenen Ton verwendet. Die Farbe der Partei „die
       Heimat“, die bis 2023 NPD hieß.
       
       Weigler ist Beisitzer des Bundesvorstands der Neonazi-Partei und leitet
       außerdem [1][deren Jugendorganisation], die Jungen Nationalisten (JN). In
       den vergangenen Jahren zogen die [2][JN vor allem durch politische Aktionen
       gegen Queere] und [3][Gewalttaten gegen Andersdenkende deutschlandweit
       Aufmerksamkeit] auf sich. Nun will Weigler Bürgermeister in Völpke werden.
       
       Die Gemeinde liegt im Westen von Sachsen-Anhalt, zwischen Magdeburg und
       Braunschweig. Früher war die innerdeutsche Grenze keine zehn Kilometer
       entfernt. Es gibt einen Fußballverein, einen Männergesangsverein und die
       Freiwillige Feuerwehr. Junge Familien ziehen aus der Großstadt in die
       Idylle. So kam auch der 32-jährige Weigler vor wenigen Jahren aus
       Braunschweig nach Völpke.
       
       Am Sonntag dürfen etwas mehr als 1.000 Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben.
       Der amtierende Bürgermeister und sein Stellvertreter treten nicht mehr an,
       vier andere bewerben sich auf das Ehrenamt. Wenige hundert Stimmen werden
       für den Sieg reichen. Hat der Bundesvorsitzende einer Neonazi-Organisation
       eine Chance? Voraussichtlich ja. Nicht, weil in Völpke so viele Neonazis
       leben. Sondern, weil sich der Diskurs verschoben hat.
       
       ## Wahl im rechtsextremen Kontext
       
       Völpke sei nicht isoliert zu betrachten, sagt die Journalistin Lotta
       Kampmann von „Recherche Nord“. Das Medienkollektiv beobachtet seit Jahren
       die Neonaziszene. Zuletzt widmeten [4][sie sich besonders intensiv den JN].
       
       Bei Völpke sei relevant, dass das Dorf in Sachsen-Anhalt liegt. Seit
       einiger Zeit ziehen Neonazis aus dem Westen in das Bundesland. Und nächstes
       Jahr könnte Sachsen-Anhalt einen Ministerpräsidenten bekommen, der [5][der
       rechtsextremen AfD angehört]. Die wirbt offen mit „Remigration“ und will
       Demokratiebildung einstampfen. In Umfragen liegt sie vorne. „Es hat sich
       was verschoben, und das ist größer als die JN“, sagt Kampmann.
       
       Das zeige sich auch in Völpke. „Das sind nicht unbedingt Neonazis. Die
       schlagen sich eher auf die Seite von Herrn Weigler, weil er sich gegen ‚die
       da oben‘ positioniert“, erklärt Kampmann. „Es ist gesellschaftlich
       akzeptierter, rechtsextreme Positionen zu vertreten.“
       
       Dass Weigler seit den 2000ern in der Neonaziszene aktiv ist, spiele für
       diese Menschen keine Rolle mehr. Dabei ist er als Bundesvorsitzender der JN
       einer der einflussreichsten Neonazis in Deutschland. Seit er 2022 den
       Vorsitz übernahm, habe er die [6][Jugendorganisation verändert], berichtet
       Kampmann. Bei den JN gehe es nun mehr um Disziplin, Kaderstrukturen und
       völkische Indoktrination.
       
       Aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen versuchen die JN ihren Bezug zum
       Nationalsozialismus zu verschleiern. Doch teilweise ist er offensichtlich.
       Zum Beispiel ist auf einem Aufkleber, den die JN über ihren Online-Shop
       vertreiben, ein Motiv zu sehen, das von einem Plakat der NSDAP übernommen
       wurde. Das bewarb 1932 den ersten nationalsozialistischen Reichsjugendtag.
       Für den Aufkleber haben die JN nur die Hakenkreuz-Flaggen aus dem Motiv
       entfernt. Im Impressum des Online-Shops steht Sebastian Weigler. Auf
       Anfrage der taz äußert er sich nicht dazu.
       
       ## Geist der Hitlerjugend
       
       Wie es intern zugeht, darüber berichtete unter anderem die
       [7][RTL-Reporterin Angelique Geray]. Sie recherchierte undercover bei den
       JN. Dabei filmte sie, wie Weigler zu JN-Mitgliedern bei einem Treffen in
       Sachsen sprach. Dabei wies der Bundesvorsitzende darauf hin, dass die
       Hitlerjugend die dortigen Räume in den 30er Jahren für Schulungen benutzt
       habe. „Vielleicht hat der ein oder andere diesen gewissen Geist, den man da
       drinnen verspürt, schon wahrgenommen“, sagte er.
       
       Die Recherche zeigt zudem: Die Mitglieder treten uniformiert auf, weißes
       Hemd, schwarze Hose. Bei jeder Gelegenheit singen sie, teilweise Mordlieder
       über politische Gegner, antisemitische Texte oder solche, in der sich die
       Sänger:innen in die Tradition von Adolf Hitler stellen.
       
       Hinzu kommen Berichte über getanzte Hakenkreuze, nationalsozialistische
       [8][„Feuerreden“ bei Sonnenwendfeiern] und „Rasseschulungen“, sagt Lotta
       Kampmann von Recherche Nord. Es sei unverständlich, dass
       Sicherheitsbehörden nicht konsequenter gegen die JN vorgehen.
       
       ## Ein Weigler, zwei Gesichter
       
       Doch in Völpke tritt Weigler anders auf. Er hat vier Kinder, engagiert sich
       bei der Feuerwehr und ist ein hilfsbereiter Nachbar. Eine Katze wurde
       gefunden? Weigler kontaktiert die Besitzer:innen. Ein Flohmarkt in Völpke?
       Weigler kümmert sich.
       
       Als eine Mitbewerberin bei der Bürgermeisterwahl auf Facebook seine
       Gesinnung thematisiert, wirft er ihr vor, sie hetze gegen ihn und spalte
       die Dorfgemeinschaft. Er habe sich selbst noch nie als Neonazi gesehen.
       Dafür bekommt er Zuspruch. Mehrere Facebook-Nutzer:innen werfen der anderen
       Kandidatin vor, sie versuche, Weigler schlecht zu machen. Im Wahlkampf
       solle seine politische Einstellung außen vor bleiben. Stattdessen solle es
       um Inhaltliches gehen.
       
       Im Gespräch mit der taz äußerten Bewohner:innen, die Weigler kritisierten,
       die Bitte, dass ihr Name nicht öffentlich genannt wird. Eine Person sagte,
       sie wolle nicht ins Fadenkreuz geraten. Eine andere gab an, sie mache sich
       Sorgen, welche Folgen es für ihre Kinder haben könnte, wenn sie sich offen
       gegen den JN-Chef positioniert. „Es ist schwer zu sagen, wie das nächste
       Woche wird“, sagt einer am Telefon. Er befürchtet, mit Weigler als
       Bürgermeister könnte Völpke [9][zu einem Treffpunkt für Neonazis] werden.
       
       30 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [6] /Neonaziszene-in-Ostberlin/!6106603
 (DIR) [7] https://www.stern.de/politik/deutschland/undercover-bei--jungen-nationalisten----heil-dir--endlich-ein-maedchen--35681470.html
 (DIR) [8] /Neonazis-feiern-Sonnenwende/!6099662
 (DIR) [9] /Nazis-wollen-Kuhhandel/!5714385/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Muschenich
       
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