# taz.de -- Vorwurf von Wahlmanipulation: Bauschaum-Attacken im Auftrag Putins?
> 100 Euro soll ein Mittelsmann dafür geboten haben, Autos zu beschädigen.
> Die Ermittler folgen einer Spur nach Russland.
(IMG) Bild: Da hat sich jemand Gedanken gemacht und weiß: Für die Deutschen hört der Spaß auf, wenn es um Autos geht
dpa | Knapp ein Jahr nach der Serie von Bauschaum-Attacken auf fast 300
Autos in vier Bundesländern [1][verfolgen die Ermittler eine Spur nach
Russland.] Was zunächst wie Sachbeschädigung aussah, soll in Wirklichkeit
ein plumper Versuch, gewesen sein, die Bundestagswahlen zu beeinflussen.
Wer der Auftraggeber der Aktionen in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg
und Berlin war, ist bislang nicht abschließend geklärt. Die Aussage eines
Tatverdächtigen deutet allerdings darauf hin, dass dieser in Russland zu
suchen ist.
An einer Vielzahl von Fahrzeugen wurden zwischen dem 8. Dezember und dem
11. Dezember vergangenen Jahres die Abgasrohre mit Bauschaum befüllt. Die
Täter brachten an den Autos jeweils Aufkleber mit einem Bild des damaligen
Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) und der Aufschrift „SEI
GRÜNER!“ an. Für die Autobesitzer war das ärgerlich. Denn ist der
Montageschaum erst einmal ausgehärtet, lässt er sich nicht mehr so leicht
entfernen. Laut Staatsanwaltschaft wurde der Bauschaum teilweise auch nur
oberflächlich an den Autos aufgetragen.
Im Bereich des Polizeipräsidiums Ulm wurden den Angaben zufolge
Sachbeschädigungen an 113 Fahrzeugen zur Anzeige gebracht. Hunderte
Kilometer entfernt, im brandenburgischen Schönefeld, meldeten sich die
Besitzer von 43 Fahrzeugen, die das gleiche Problem hatten. In Bayern
wurden zehn Autos beschädigt, in Berlin beschädigten die Täter 110
Fahrzeuge.
Die Staatsanwaltschaft Ulm, die in diesem Ermittlungsverfahren den Hut
aufhat, teilt auf Anfrage mit, ein 18-jähriger Tatverdächtiger habe
angegeben, „dass die Taten durch einen wohl serbischen Staatsangehörigen
aus Russland, dessen Identität noch ungeklärt ist, in Auftrag gegeben
worden seien, um das Wahlverhalten der Bundesbürger und dadurch das
Ergebnis der Bundestagswahl vom 23.02.2025 zu beeinflussen“. Dieser habe
den Beschuldigten für jedes Fahrzeug 100 Euro als Prämie geboten.
## Verfassungsschutz geht von „typischem Muster“ aus
„Diese Angaben konnten bislang durch weitere Beweismittel aber nicht
bestätigt werden“, sagt Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger. Auch die
vier weiteren bisher ermittelten Beschuldigten machten Angaben, bestritten
aber die Vorwürfe.
„Aufgrund Inhalt und Gestaltung des an den betroffenen Fahrzeugen
hinterlassenen Aufklebers und des gewählten Tatzeitraums kurz vor den
Bundestagswahlen ist eine beabsichtigte Beeinflussung des Meinungsbildes
und somit von möglichen Wählern naheliegend“, heißt es von der
federführenden Staatsanwaltschaft in Ulm.
Die Vorgehensweise entspreche einem typischen Muster, heißt es vom
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). „Aktionen wie diese, sollen die
Gesellschaft polarisieren und spalten“, sagt BfV-Vizepräsidentin Silke
Willems. Aktuelle Themen – in diesem Fall die Klimapolitik – würden
aufgegriffen und es werde versucht, die öffentliche Meinung zu
beeinflussen.
Eingesetzt würden dafür [2][sogenannte „Low-Level-Agenten“], erklärt
Willems. So nennt der Verfassungsschutz Menschen, die im Auftrag
ausländischer – meist russischer – Nachrichtendienste Straftaten in
Deutschland begehen, ohne selbst Mitarbeiter des ausländischen
Geheimdienstes zu sein. Die zumeist über soziale Medien rekrutierten
Handlanger machten sich „zum willigen Werkzeug fremder Mächte“. Im Falle
einer Verurteilung drohten ihnen erhebliche Freiheitsstrafen.
## Polizei kontrollierte Mietfahrzeug
Ins Rollen gekommen war der Stein, als einer Polizeistreife in Schönefeld
im Dezember ein Transporter mit drei jungen Männern auffiel, die mehrere
Kartuschen mit Bauschaum bei sich hatten, wie er etwa zum Abdichten von
Fenster- und Türrahmen verwendet wird. Kurz nach der Kontrolle des in Ulm
angemieteten Mietfahrzeugs gingen die ersten Anzeigen von Autobesitzern
ein.
Das Trio – ein 17 Jahre alter bosnisch-herzegowinischer Jugendlicher aus
dem bayerischen Kreis Günzburg, ein 20-Jähriger mit serbischer und
kroatischer Staatsangehörigkeit aus dem Alb-Donau-Kreis und ein 18 Jahre
alter deutscher Mann aus Ulm – hatte bei einer Kontrolle in Tatortnähe
mehrere Bauschaumdosen bei sich. Die jungen Männer konnten aus Sicht der
Polizei nicht überzeugend erklären, warum sie die Dosen mit sich trugen.
## Dutzende Beweisbilder auf dem Handy
Bei allen Beschuldigten gab es Hausdurchsuchungen. Auf einem Handy wurden
74 Tatbeweisbilder entdeckt. Bei einem der Beschuldigten fanden die
Ermittler weitere Dosen mit Bauschaum sowie eine Kassenquittung vom 9.
Dezember 2024 über den Einkauf weiterer Bauschaumdosen.
Im Laufe der weiteren Ermittlungen gerieten laut Staatsanwaltschaft zwei
rumänische Staatsangehörige – eine 19 Jahre alte Frau und ein 29 Jahre
alter Mann aus dem Alb-Donau-Kreis – ins Blickfeld. Den Angaben zufolge
wurden vom Handy des 29-Jährigen, das auch die Frau genutzt haben soll, in
der Nacht des 9. Dezembers über 50 Tatbeweisbilder auf den
Mobilfunkanschluss eines der drei Männer, die bei der Kontrolle aufgefallen
waren, geschickt. Der 29-Jährige gab demnach an, das Handy sei von der
19-Jährigen, einer Verwandten, genutzt worden, was sich nach Angaben der
Ermittler auch verifizieren ließ. Der Verdacht gegen den 29-Jährigen sei
dadurch weitgehend entkräftet, hieß es.
Sämtliche Beschuldigte befinden sich laut Staatsanwaltschaft auf freiem
Fuß. Die Finanzermittlungen dauerten noch an. Angaben dazu, wer womöglich
welchen Tatbeitrag geleistet habe, könnten derzeit nicht gemacht werden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte zuletzt öffentlich vor Versuchen
russischer Geheimdienste, für Spionage und Sabotage in Deutschland
sogenannte Wegwerf-Agenten zu rekrutieren, gewarnt. Deren Taten werden von
den Sicherheitsbehörden als Teil der hybriden Bedrohung, der sich
Deutschland vor allem seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der
Ukraine ausgesetzt sieht, eingeschätzt.
23 Nov 2025
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