# taz.de -- Spanien vor Nations League-Finale: Endlich unbelastet
       
       > Unter Trainerin Sonia Bermúdez beginnt für Spanien eine neue Ära.
       > Altlasten sind ausgeräumt und Jenni Hermoso feierte eine emotionale
       > Rückkehr.
       
 (IMG) Bild: Schon beim Aufwärmen gefeiert: Rückkehrerin Jenni Hermoso
       
       Manchmal verrät schon der erste Eindruck, dass eine neue Ära begonnen hat.
       Sonia Bermúdez, spanische Nationaltrainerin, präsentierte sich in der Woche
       vor den Nations-League-Finals gegen Deutschland am Freitag und kommenden
       Dienstag nahbar und gelöst. Sie lacht viel und spricht so überschwänglich,
       dass ihre Stimme sich manchmal fast zu überschlagen scheint. Der Kontrast
       zu ihrer ernsten, geradezu verkniffenen Vorgängerin Montse Tomé könnte
       größer kaum sein.
       
       Die beiden Frauen [1][stehen damit auch für einen Zeitenwandel]. Tomé kam
       noch aus der Ära der Spannungen. Sie war Assistentin von Jorge Vilda, als
       15 Spielerinnen im Herbst 2022 aus Protest gegen dessen Methoden in den
       Ausstand traten. Ein Team, das mit einigen Rückkehrerinnen 2023 die WM
       gewann und [2][der übergriffige Kuss von Verbandschef Luis Rubiales] auf
       den Mund von Angreiferin Jenni Hermoso, das ein ganzes Machosystem
       demaskierte.
       
       Weil neben Rubiales danach [3][auch dessen Intimus Vilda] nicht mehr zu
       halten war, rückte Tomé auf, aber die Verwerfungen der Vergangenheit
       begleiteten sie weiter. Sie wurde als Zeugin zum Prozess gegen Rubiales
       geladen und bootete Hermoso aus der Nationalelf aus. Den Verdacht eines
       Zusammenhangs konnte sie nie überzeugend widerlegen.
       
       Auch Bermúdez, 41, hat ihre bisherige Trainerinnenkarriere überwiegend im
       Verband absolviert, wo sie U19, U20 und U23 coachte. Aber mit Vilda hatte
       sie nie etwas zu tun. Und nicht zuletzt kickte sie mit den
       Führungsspielerinnen wie Hermoso, Kapitänin Irene Paredes oder der
       zweifachen Weltfußballerin Alexia Putellas noch selbst zusammen. Die
       Angreiferin aus dem Madrider Arbeiterviertel Vallecas war ihrerseits eine
       feste Größe in der Nationalelf. Mit Rayo Vallecano, dem FC Barcelona und
       Atlético Madrid wurde sie neun Mal spanische Meisterin, vier Mal gewann sie
       die Torjägerinnenkrone. Die Spielerinnen sehen Bermúdez als eine von ihnen.
       
       ## Letzte Boykotteurin zurück
       
       Indem sie aus dem neuen Trainerstab auch die letzten Vilda-Überbleibsel
       entfernte, hat sie es geschafft, mit Innenverteidigerin Mapi León auch die
       letzte verbliebene Boykotteurin zurückzuholen. Hermoso zählt ebenfalls
       wieder zum Team. Gleich zu Amtsantritt nannte Bermúdez die unfreiwillig und
       leidvoll zur Emanzipationsikone avancierte Stürmerin eine „Legende“ – so
       etwas wäre Tomé nie über die Lippen gekommen. Diese konnte sich voriges
       Jahr nicht mal zu einer Bewertung des Gerichtsurteils gegen Rubiales
       (Geldstrafe) durchringen. Tomés Verhältnis zu Hermoso endete in
       öffentlichen Sticheleien und Schuldzuweisungen.
       
       „Nach so vielen Jahren keine kohärente Erklärung bekommen zu haben, machte
       die ganze Situation für mich noch viel schmerzhafter“, erinnerte sich
       Hermoso dieser Tage an ihr Paria-Dasein. Als sie von der Wiederberufung
       durch Bermúdez erfuhr, „habe ich geweint, das muss ich zugeben“. Beim
       Halbfinalhinspiel gegen Schweden in Málaga kam es zu ergreifenden Szenen,
       als das Publikum schon beim Warmlaufen vor ihrer Einwechslung ihren Namen
       skandierte. „Da bekamen wir alle Gänsehaut“, berichtete Putellas, während
       ihrer alten Weggefährtin erneut die Tränen kamen.
       
       Durch die Rückkehr von Hermoso – frischgebackene mexikanische Meisterin bei
       ihrem Klub Tigres – und besonders León ist Spanien noch stärker
       einzuschätzen. Gegen die Schwedinnen ließ man bei einem 4:0 im Hinspiel
       nicht mal einen Torschuss zu, auch im Rückspiel (1:0) hielt die Null.
       „Bermúdez hat große Betonung auf das Defensivsystem gelegt“, erklärte
       Alexia danach. Sowieso geht es vor allem um Feintuning. „Kleine Nuancen
       einführen“, so nennt es Bermúdez. Neun Spielerinnen der mutmaßlichen
       Startelf trainieren ja sowieso das ganze Jahr zusammen beim FC Barcelona.
       
       Die Spanierinnen haben sich binnen weniger Jahre als führende Fußballmacht
       etabliert. Doch immer begleitete sie auch der Verdacht, dass diese Auswahl
       des weltbesten Klubteams plus Gäste eigentlich noch besser spielen und noch
       mehr gewinnen könnte. Die WM 2023 gelang trotz des Zerwürfnisses mit Vilda.
       Unter Tomé reichte es dann 2024 zwar zur Nations League, doch bei Olympia
       2024 nicht mal zu einer Medaille, das Match um Bronze ging gegen
       Deutschland verloren.
       
       „Was hätten die Spanierinnen erst ohne all die Konflikte erreicht?“, fragte
       kürzlich Norwegens Verbandspräsidentin, [4][die Ex-Spielerin Lise
       Klaveness], und gab die Antwort gleich selbst: „Sie hätten die übrigen
       Teams vernichtet.“ Unter Trainerin Bermúdez scheint die Stimmung nun
       endlich unbelastet.
       
       27 Nov 2025
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Haupt
       
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