# taz.de -- Bosniens Abhängigkeit von Russland: Sprit-Sorgen in Sarajevo
       
       > In der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas ist ein Einbruch der Gasversorgung
       > kaum vorstellbar. In Wahrheit ist ein solches Szenario näher als gedacht.
       
 (IMG) Bild: Sarajewo, Bosnien Herzegowina im Febrauer 2025: das Leben geht weiter
       
       Die Gazprom-Tankstelle liegt gegenüber des größten Friedhofs im Stadtteil
       Bare in Sarajevo. Und sie ist gut besucht, trotz des etwas höheren Preises
       für Diesel und Benzin, denn die hier erhältlichen Produkte sind qualitativ
       okay. Zumindest für die Normalos. Und auch das Tankstellencafé kann sich
       sehen lassen. Die Sandwiches sind frisch, die Toiletten relativ sauber und
       nicht so vernachlässigt, wie vielerorts in Bosnien und Herzegowina.
       
       Obwohl Wladimir Putin bei den meisten Menschen in Sarajevo den Ruf eines
       Kriegstreibers und Mörders hat, tut dies den Geschäften seiner
       Gazprom-Tankstellen keinen Abbruch. Selbst jetzt nicht, wo angesichts des
       [1][Streites zwischen der EU und Russland] die Grundversorgung mit Erdgas
       infrage steht.
       
       Die Leute leben ihren Alltag. Auf dem weitläufigen Friedhof ist schon am
       Morgen reges Treiben zu sehen, viele Menschen besuchen die Gräber ihrer
       Angehörigen. Muslime und Katholiken sowie orthodoxe Christen liegen zwar
       getrennt, aber doch nah beieinander. Die Stelen der Muslime werden immer
       größer, es tauchen jetzt sogar in Stein eingelassene Bilder der
       Verstorbenen auf, was eigentlich im Islam verboten ist.
       BlumenverkäuferInnen machen an diesen sonnigen Herbsttagen gute Geschäfte.
       Etwas verstreut liegen die Gräber der Atheisten, meist Ex-Partisanen oder
       deren Nachkommen. Die Juden haben eigene Friedhöfe.
       
       Hier in Bare und auf den Friedhöfen nahe dem Stadion kann man einiges über
       die Geschichte und den Geist der Stadt lernen. Viele der Toten stammen noch
       aus der Zeit der Belagerung der Stadt 1991 bis 1995, als Hunger herrschte,
       als Strom und Gas von den serbischen Belagerern unterbrochen war. Kurz, man
       hungerte, fror in den eiskalten Nächten während dieser [2][1.425 Tage des
       ständigen Artilleriebeschusses]. Doch das ist 30 Jahre her, für die
       Jüngeren kaum vorstellbar, obwohl in der Ukraine heute alles ähnlich ist.
       
       Und trotzdem: Die Geschichte rückt näher. Denn die bange Frage, was aus dem
       Streit der EU mit Russland über das Erdöl und Erdgas wird, ist noch nicht
       geklärt. Russisches Erdgas und Benzin für das Nicht-EU-Land Bosnien könnten
       knapp werden, denn bisher bezieht auch Sarajevo den Großteil dieser
       fossilen Brennstoffe via Serbien und Ungarn aus Russland.
       
       Können Gas und Benzin weiter geliefert werden? Auch den ganzen Winter über?
       Der Tankwart zuckt nur mit den Achseln. Das bedeutet wohl soviel wie, „Die
       da in der Welt machen sowieso was sie wollen, ich habe dazu nichts zu
       sagen.“ Und auch die allernächsten Nachbarn nahe der Kosevo-Straße, die den
       Krieg erlebt haben, sind zwar besorgt, aber keineswegs panisch.
       
       Manche Leute haben sich schon im letzten Jahr mit Elektroheizgeräten
       eingedeckt. So auch Fudo, ein ehemaliger Mitarbeiter des Elektro- und
       Gaskonzerns Elektroprivreda. Der Grund: Strommangel werde es in Bosnien
       nicht geben, dafür sorgten die Wasser- und Kohlekraftwerke schon, hofft der
       Rentner mit dem gefurchten Gesicht. Man werde trotz aller Drohungen den
       Winter überstehen, macht sich Fudo Mut.
       
       ## Das Leben geht weiter
       
       Doch er weiß selbst, dass dies nur Hoffnung ist. Die alten Kraftwerke seien
       marode, warnen Experten, Sanktionen gegen Russland führten zu
       Unsicherheiten auf den globalen Energiemärkten. Doch Fudo kämpft.
       Wesentlich ist doch, „dass Bosnien und Herzegowina ein gespaltenes Land
       ist“, bedauert er. Sollten die serbischen Extremisten in Bosnien den
       Schalter umlegen, gingen in Sarajevo die Lichter aus. Auch die kroatischen
       Extremisten unter Dragan Čović hätten seit Jahren darauf geachtet, dass
       keine unabhängige Energieversorgung entstehen kann.
       
       Die kroatische Adria-Pipeline führt zwar von Kroatien nach Bosnien, aber
       nur in die westlichen Gebiete der Kroaten. Eine andere Pipeline, die von
       Aserbaidschan aus durch die Türkei, Griechenland und Bulgarien läuft,
       sollte auch durch Bosnien führen, aber Kroatien stellt sich quer.
       
       Als Kindergeschrei durch die Tür dringt, hellt sich Fudos Gesicht auf. Das
       Leben geht weiter.
       
       1 Nov 2025
       
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