# taz.de -- Frauenfußball in Berlin: Fußball, feministisch finanziert
       
       > Der FC Viktoria will den Wandel im Frauenfußball vorantreiben. Mit dem
       > Aufstieg in die 2. Liga ist der erste Schritt in Richtung Bundesliga
       > gemacht.
       
 (IMG) Bild: Laura Casanovas Diaz und Aylin Yaren vom FC Viktoria nach dem Sieg im Polytan-Pokal-Finale im Juni
       
       Berlin taz | Im Stadion Lichterfelde ist alles für den 5. Spieltag der
       Zweiten Frauen-Bundesliga vorbereitet. Der Heimverein, FC Viktoria Berlin,
       spielt gegen das zweite Team des großen VfL Wolfsburg und will endlich den
       ersten Saisonsieg einfahren. Die Trommler:innen laufen am Sonntag zu
       Höchstleistungen auf, während die Spielerinnen und die
       Trainer:innenteams den Fokus auf das Spiel richten. Einlaufkinder,
       Eltern, Großeltern und Freund:innen tummeln sich auf dem Stadionkomplex,
       viele davon tragen den hippen Merch des Vereins. Es ist zu spüren, dass es
       hier um mehr als den Fußball geht.
       
       Viktoria Berlin hat sich auf die Fahne geschrieben, eine diverse Community
       zu schaffen, die gemeinsam mit Investor:innen den [1][Frauenfußball in
       Deutschland nachhaltig verändern möchte]. Dafür haben sich 2022 sechs
       Frauen als Gründungsteam zusammengefunden und den Ball buchstäblich ins
       Rollen gebracht. Zu diesem Team gehören unter anderem die zweimalige
       Weltmeisterin und Ex-Profi-Fußballerin Ariane Hingst, die Unternehmerin und
       Journalistin Felicia Mutterer und die Autorin und Gründerin Verena Pausder.
       
       Nach dem Vorbild des kalifornischen Klubs Angels City FC ist die Idee für
       ein eigenes Fußball-Unternehmen gewachsen. „Ich hatte Ariane in meinem
       Podcast zu Gast und wusste, ich hätte nur eine Chance, ihr unsere Idee
       vorzustellen. Ich kannte sie aus dem Fernsehen und war riesiger Fan“,
       erzählt Felicia Mutterer. Nachdem die Idee vorgestellt wurde, brauchte es
       schlussendlich nicht viel Überzeugungsarbeit, um die Weltmeisterin an Bord
       zu holen: „Wir hatten einen gemeinsamen Call und Felicia hat eine
       Präsentation ausgearbeitet. Für mich stand fest: Wenn sie Angels City in
       Berlin machen wollen, bin ich dabei“, sagt Ariane Hingst.
       
       Nachdem gegründet wurde, ging es im nächsten Schritt darum, professionelle
       Strukturen im Verein zu etablieren und Investor:innen für das Projekt
       zu gewinnen. Das war laut Mutterer allerdings keine große Herausforderung:
       „Es half natürlich, dass einige Gründerinnen finanzkräftige Menschen in
       ihrem Umfeld hatten. Auch die queere Community hat das Projekt sofort
       unterstützt. Wir mussten darauf achten, dass die Leute nicht zu viel Geld
       investierten, weil wir eher viele Menschen und [2][vor allem Frauen
       dabeihaben wollten].“
       
       ## 246 Investor:innen
       
       In der ersten Runde kamen 87 Investor:innen zusammen, die rund eine
       Millionen Euro zur Verfügung stellten – heute sind es 246. Die
       Geldgeber:innen sind minderheitsbeteiligt, haben aber kein direktes
       Mitspracherecht bei der Gestaltung des Konzepts. Entscheidungsträgerinnen
       bleiben nach der 50+1-Regel die Gründerinnen und der Verein. Die
       Investor:innen unterstützen vor allem mit ihren Skills und ihren
       Erfahrungen, zum Beispiel im Rahmen eines Mentoring-Programms.
       
       Zu den Investierenden gehören unter anderem Moderatorin Dunya Hayali,
       Schauspielerin Luise Wolfram und Finanzexpertin Natascha Wegelin. Nebenbei
       übernahm die ehemalige deutsche Schwimmerin Franziska van Almsick den
       Vorsitz im Aufsichtsrat und ein klares Ziel wurde formuliert: Bis 2027
       sollte das erste Frauenteam von der dritten Liga in die Bundesliga
       aufgestiegen sein. Der erste Schritt ist bereits geschafft: In der letzten
       Saison stiegen die Frauen in die 2. Bundesliga auf.
       
       Mit unternehmerischem Powerplay und der Vision einer Revolution ging es in
       die Gestaltung der „Marke“ Viktoria Berlin. „Wir wollten das bestehende
       Team nicht einfach austauschen. Uns war klar, dass bessere Bedingungen zu
       einer Leistungssteigerung führen würden. Wir haben Trainingszeiten
       festgelegt, einen Physiotherapeuten eingestellt und Gehaltsstrukturen
       etabliert, die transparent kommuniziert wurden“, berichtet Hingst.
       
       Zu Beginn haben die Spielerinnen circa 550 Euro als Aufwandsentschädigung
       bekommen. Inzwischen haben sie einen Teilzeitjob beim Verein und nebenbei
       Zeit für eine Ausbildung oder ein Studium, um die „Karriere nach der
       Karriere“ abzusichern. Damit setzt der Verein gewisse Standards und ist ein
       Vorbild für andere. Doch Hingst sieht auch die Schattenseiten des
       Unterfangens: „Natürlich ist die Fallhöhe brutal. Wir gehen hier alle
       All-in und es ist nicht selbstverständlich, dass alles funktioniert, was
       wir uns vornehmen. Vielleicht klingt das für einige auch arrogant, wenn wir
       sagen, dass wir den Fußball revolutionieren wollen.“
       
       ## Schlaflose Nächte trotz Erfolg
       
       Auch Mutterer sieht den schmalen Grat, auf dem sie sich bewegen – und hat
       bisweilen schlaflose Nächte. „Die Frage ist dann immer: Bist du gerade zu
       großkotzig oder gesund selbstbewusst?“ Zumal mit der angestrebten
       Professionalisierung auf den Verein auch mehr Kosten zukamen. Die
       Trainings- und Stadionanlagen wurden gemietet, die Spielerinnen entlohnt,
       Personal engagiert und ein Web-Auftritt und Social Media Kampagnen bezahlt.
       
       Dafür Sponsor:innen an Land zu ziehen und die zweite und dritte
       Investor:innenrunde zu schließen, sei nicht die leichteste Aufgabe
       gewesen, erläutert Mutterer. Vor allem, nachdem der erste Aufstiegsversuch
       im Juni 2023 in der Relegation gegen den Hamburger SV scheiterte: „Hinter
       jedem Erfolg steht ein gewisser Druck, abliefern zu müssen.“
       
       In anderen Vereinen wie Bayer Leverkusen, FC Bayern oder auch VfL Wolfsburg
       stehen die sportlichen Erfolge der Männer im Vordergrund und [3][die
       Frauenabteilungen sind abhängig von der finanziellen Stärke des Vereins]
       und der Leistung der Kollegen. Um Möglichkeitsräume zu schaffen, war es für
       das Gründungsteam von Bedeutung, dass das erste Frauenteam unabhängig vom
       Rest des Vereins ist, aber trotzdem Zugehörigkeit ausstrahlt. „Wir haben
       mit den Verantwortlichen von Viktoria gesprochen, ihnen unsere Vision
       dargelegt, und der Verein fand unsere Idee gut. Es gab dann noch Gespräche
       über Anteile, Sachleistungen und finanzielle Aspekte, aber dann konnten wir
       das erste Frauenteam herauslösen“, so Hingst.
       
       Im Mai 2023 konnten die Frauen ein großes Ausrufezeichen setzen: Auf der
       Suche nach einem neuen Ausrüster, der „die Geschichte des Frauenfußballs
       mitschreiben will“, wurden verschiedene Gespräche geführt, wobei Nike in
       die engere Auswahl kam. „Es war eine großartige Situation. Zur Verhandlung
       saßen fast nur Frauen am Tisch, die Männerabteilung von Viktoria war auch
       eingeladen, doch es ging eigentlich nur darum, wie es mit den Frauen
       weitergeht und was die Vision ist. Am Ende haben wir erreicht, dass der
       ganze Verein mit Nike ausgerüstet wurde, doch die Frauen waren die
       Priorität“, erzählt Mutterer stolz.
       
       ## Frauenfußball braucht Investitionen von außen
       
       Damit gelingt es Viktoria Berlin stückweise, die Rollen zu tauschen und
       festgefahrene Strukturen aufzuweichen. Bisher profitiert vor allem das
       erste Frauenteam von der Übernahme der Gründerinnen, doch auch die
       Verbindung in den Jugendbereich soll stabiler werden. Hingst führt aus,
       dass es bisher an finanzieller Stärke fehle, um den kompletten
       Mädchenbereich und das zweite Frauenteam mit einzugliedern. Doch durch den
       Einsatz des Co-Trainers der ersten Mannschaft, Darien Hoffmann, als
       Cheftrainer des zweiten Teams soll der Unterbau gestärkt und der Nachwuchs
       langfristig gefördert werden.
       
       Für Viktoria Berlin steht fest: Es braucht aktuell die Investitionen von
       außen, um den Frauenfußball groß zu machen. „Wir wollen ein Pusher-Club
       sein, auch international, wir denken meist unternehmerisch, weil wir es
       müssen. Viktoria steht für Emanzipation, Unabhängigkeit und Gestaltung“,
       sagt Mutterer.Gegen den VfL Wolfsburg II ging es nicht über ein 1:1 hinaus,
       auf den ersten Sieg muss Viktoria also noch warten. „Wir hatten so viele
       Möglichkeiten vor dem Tor, das Spiel lag in unserer Hand und wir müssen die
       Buden konsequenter machen“, resümiert Spielerin Aylin Yaren. Es geht also
       weiterhin um die Chancenverwertung – auf und neben dem Platz.
       
       23 Sep 2025
       
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