# taz.de -- 25 Jahre Fußballmagazin „ballesterer“: „Was wir machen, wird nie Mainstream“
       
       > Das Magazin „ballesterer“ wirkt seit 25 Jahren über Österreich hinaus.
       > Das Chef:innen-Duo über Liebhaberei, Printkrise und Cover mit Frauen.
       
 (IMG) Bild: Große Themenvielfalt, viele Männer: Cover aus 25 Jahren ballesterer
       
       taz: Nicole Selmer, Moritz Ablinger, euer Magazin „[1][ballesterer]“ wird
       25 Jahre alt. Was heißt das Wort eigentlich? 
       
       Ablinger: Ein Ballesterer ist ein technisch versierter Fußballer.
       
       taz: Das Wort ist also positiv konnotiert? 
       
       Ablinger: Ja, auch wenn es immer Leute gibt, die mehr Kampf fordern. Die
       finden ballesterer vielleicht nicht so gut.
       
       Selmer: Und es ist ein ausgesprochen Wienerischer Begriff. Er stammt aus
       der Zwischenkriegszeit, der großen Zeit des Wiener Fußballs.
       
       taz: Eure Gründung im Jahr 2000 fällt ja in eine ganze Welle:
       „[2][11Freunde]“ und das schwedische „Offside“ kamen im selben Jahr raus,
       das französische „So Foot“ kurz danach. Hattet ihr untereinander Kontakt? 
       
       Selmer: Ich glaube nicht, dass es zu dem Zeitpunkt Kontakte gab. Das große
       Vorbild für alle war das britische When Saturday comes, die Mutter aller
       Fußballmagazine.
       
       taz: Aber das Jahr 2000 ist schon interessant. Da war ja nichts los. Die
       Kapitalisierungsschübe waren ja Anfang der Neunziger. 
       
       Selmer: Der ballesterer ist natürlich auch eine Reaktion auf genau diese
       Kapitalisierung, dieses: Fußball wird größer, rückt in die Mitte der
       Gesellschaft und entgleitet uns Fans zugleich. So eine Reaktion braucht ein
       paar Jahre, bis man sich organisiert. Klaus Federmair aus der
       Gründergeneration hat mir letztens erzählt, dass ballesterer-Gründer
       Reinhard Krennhuber ihn gefragt hat: Klaus, du gehst ja auch zum Fußball
       und du schreibst gern. Wollen wir nicht ein Fußballmagazin machen? Das war
       das Level an Organisation.
       
       taz: Ist diese Amateurhaftigkeit der Grund, warum es euch immer noch gibt?
       Andere Magazine sind ja eingegangen: „Der Tödliche Pass“ oder
       „Transparent“. 
       
       Selmer: Wenn wir professionell gewesen wären, hätten wir wahrscheinlich
       irgendwann entschieden: Es geht finanziell nicht mehr. Vielleicht ist diese
       Liebhaberei tatsächlich ein Grund, warum wir weitergemacht haben.
       
       Ablinger: Ich glaube, es fällt auch den Leser:innen leichter, sich mit
       einem Produkt zu identifizieren, wenn es nicht so hochglanzmäßig
       daherkommt.
       
       Selmer: Für viele hier ist der ballesterer ein sozialer Raum. Man wird hier
       nicht reich, man wird auch nicht megaberühmt, deswegen will man spannende
       Sachen mit netten Leuten machen. Das funktioniert über ein imperfektes
       Gebilde besser als in einem großen glatten Medienhaus – das natürlich
       andere Vorteile hätte.
       
       taz: Vor fünf Jahren hattet ihr eine Rettungskampagne. Wie steht ihr jetzt
       da? 
       
       Selmer: Eigentlich ganz gut für unsere Verhältnisse. Wir konnten jüngst die
       Redaktion personell etwas aufstocken. Die Abos bilden unsere Kerneinnahme.
       Wir haben auch Sportwettenwerbung im Blatt, woran es immer Kritik gibt. Das
       kann ich auch verstehen, aber ohne diese Anzeigen wäre es für uns extrem
       schwierig.
       
       taz: Das Arbeitsumfeld von Journalist:innen hat sich stark verändert:
       [3][Printkrise], Social Media, gesunkene Aufmerksamkeitsspanne.
       
       Ablinger: Wir haben eine sehr treue Leser:innenschaft. Aber auch eine, die
       älter wird. Das Durchschnittsalter steigt fast jedes Jahr um ein Jahr. Es
       ist noch immer relativ jung im Vergleich zu anderen Printprodukten, Anfang,
       Mitte 40. Wir machen jetzt mehr auf Social Media, aber wir haben noch immer
       keine Paywall, die technischen Dinge kosten einfach Geld. Das, was wir
       machen, wird nie Mainstream sein. Ich glaube aber, es wird immer ein
       Publikum dafür geben.
       
       taz: Ihr habt zum Beispiel keine Videoformate. 
       
       Selmer: Wir haben schon überlegt: Sollen wir jetzt auch mal Reels machen?
       Vielleicht warten wir aber auch auf das übernächste Format. Ich denke, wir
       werden immer ein Printmagazin sein, das ist sehr eng mit der Identität
       verknüpft. Wir haben wahnsinnig tolle Designer, die für vergleichsweise
       wenig Geld arbeiten. Ein Printmagazin, wo Papier und Farben eine große
       Rolle spielen, kann man nicht einfach ins Digitale übertragen.
       
       taz: Ihr erscheint immer noch im Eigenverlag. Gab es mal Bemühungen, das zu
       ändern? 
       
       Selmer: Vor unserer Rettungskampagne hatten wir mal gesucht, wurden aber
       nicht fündig. Für die Zukunft würde ich eine Beteiligung nicht
       ausschließen. Und der RedBull-Verlag, Benevento Publishing, würde
       vermutlich eh nicht bei uns anklopfen.
       
       taz: Wie sieht es denn mit der Geschlechterverteilung in eurer
       Leser:innenschaft aus? Bei Fußballmagazinen sind das ja oft 95 Prozent
       Männer. 
       
       Selmer: Das ist bei uns nicht anders. Redaktionell sind wir besser
       aufgestellt. Aber vergleichsweise viele Frauen zu haben, bedeutet in dieser
       Branche halt 15 Prozent statt 10. Es ist zudem nicht so, dass sich bei uns
       ständig Frauen melden würden und wir Nein sagen.
       
       taz: Ihr berichtet allerdings auch immer noch vorwiegend über
       Männerfußball.
       
       Ablinger: Frauenfußball ist uns ein Anliegen, nicht erst seit gestern. Wir
       haben ein Sonderheft zur EM der Frauen 2017 gemacht, als das noch eine
       Seltenheit war. Es ist unser Anspruch, über den Fußball der Frauen
       gleichwertig und gut zu berichten – nicht irgendwie barmherzig.
       
       taz: Fußballmagazine, die Frauen aufs Cover nehmen, fallen damit oft am
       Kiosk durch. War das bei euch auch so? 
       
       Selmer: Wir werden oft dazu aufgefordert, mehr zu Frauenfußball zu machen.
       Aber an den Verkaufszahlen merken wir: Was sich Menschen wünschen und was
       sie konsumieren, ist oft nicht dasselbe. Es ist die Frage: Wie geht man mit
       dieser Männlichkeitsmaschine Fußball um? Wir versuchen, so viele Frauen wie
       möglich zu Wort kommen zu lassen, etwa als Expertinnen, und eine
       Normalisierung herbeizuführen.
       
       taz: Ihr habt euch schon recht früh mit [4][der NS-Vergangenheit des
       Fußballs] beschäftigt. 
       
       Selmer: Das ist uns wichtig. Schon sehr früh wurde die Reihe „Fußball
       unterm Hakenkreuz“ etabliert. In Österreich gehörten wir zu den Ersten, die
       sich damit beschäftigt haben. Das hat viel bewirkt.
       
       taz: Welche Rolle spielt bei euch der Blick auf Deutschland? 
       
       Ablinger: In jeder Ausgabe ist mindestens ein Artikel zu einem deutschen
       Thema. Etwa ein Drittel unserer Abonnent:innen ist aus Deutschland. Das
       liegt vor allem daran, dass Fußball in gesellschaftlichen Debatten dort
       eine größere Rolle spielt als in Österreich. Der Fußball hier wird noch
       mehr belächelt als bei euch.
       
       taz: Warum entscheidet sich die deutsche Leser:innenschaft für euch? 
       
       Selmer: Wir profitieren unter anderem – nicht ganz gerechtfertigt – davon,
       dass es heißt, 11Freunde sei so kommerziell geworden, wir jedoch nicht.
       Aber 11Freunde spielt in einer komplett anderen Liga als wir. Uns zählt man
       eher noch zur Subkultur.
       
       30 Aug 2025
       
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