# taz.de -- Verhandlungen zu UN-Plastikabkommen: Letzte Chance für globale Plastik-Regeln
       
       > Die Welt versinkt im Plastik, Partikel sind überall. Diese Woche ringen
       > Staaten um ein UN-Abkommen gegen den Plastikmüll. Das sind die
       > Knackpunkte.
       
 (IMG) Bild: Plastikmüll in Colombo, Sri Lanka: Die meisten Kunststoffe werden aus Öl hergestellt, deshalb verhindern vor allem die Ölstaaten einen ehrgeizigen Vertrag
       
       Genf dpa | Schon jetzt verseuchen Plastikpartikel jeden Lebensraum der Erde
       und selbst den Menschen. [1][US-Forscher haben im Gehirn und in der Leber]
       von Toten im vergangenen Jahr deutlich mehr Nano- und Mikroplastik gefunden
       als noch 2016. In Genf startet jetzt ein letzter Versuch zur Einigung auf
       ein weltweit verbindliches Abkommen zur Reduzierung der
       Plastikverschmutzung. Bis zum 14. 08. verhandeln Vertreter*innen von
       mehr als 160 Staaten.
       
       Die EU gilt in vielerlei Hinsicht als Vorreiter, etwa mit dem Verbot von
       Einweg-Plastik wie Strohhalmen und Plastikbesteck. Dass weltweit so strikte
       Standards erreicht werden, gilt als unrealistisch. Warum ist das Abkommen
       für Menschen in Europa trotzdem wichtig?
       
       „Weil sich Mikroplastik über die Ozeane und die Luft in aller Welt
       verbreitet“, sagt Moritz Jäger-Roschko von der Umweltorganisation
       Greenpeace. „Zudem nutzen wir viele Kunststoffprodukte, die nicht in der EU
       hergestellt werden – und deren Hersteller sich im Zweifelsfall auch nicht
       an EU-Regularien halten. Außerdem ist Deutschland auch der größte
       Plastikmüllexporteur Europas, das heißt, unser Müll ist weltweit für das
       Müllproblem mitverantwortlich.“
       
       ## Das Problem
       
       Von der Umweltstiftung WWF heißt es: „Plastikmüll zerstört Lebensräume,
       gefährdet Tiere und Menschen und vergiftet Ökosysteme.“ Weltweit nutzten
       die Menschen nach Schätzung des UN-Umweltprogramms (Unep) im vergangenen
       Jahr 500 Millionen Tonnen Plastik, fast doppelt so viel wie 25 Jahre zuvor.
       400 Millionen Tonnen davon dürften schnell als Müll enden, so Unep. Ohne
       Maßnahmen verdreifache sich die Müllmenge bis 2060. Ein Viertel des
       Plastikmülls in Flüssen und Meeren stammt nach der Wissensplattform „Our
       World in Data“ von Plastiktüten und -flaschen.
       
       ## Die Folgen für Menschen
       
       Mikro- und Nanoplastik nimmt man über die Nahrung, das Wasser und die Luft
       auf, sagt Geoökologe Stefan Krause, Professor an der Universität
       Birmingham. „Sie gelangen schon im Mutterleib über die Plazenta an das
       ungeborene Baby.“ Es wurden auch Ablagerungen in Arterien nachgewiesen.
       Laminat- und Teppichböden könnten etwa vor allem krabbelnde Kinder
       belasten. Partikel, die wieder ausgeschieden werden, könnten vorher
       Additive im Körper freisetzen. „Viele Stoffgruppen beeinflussen die
       endokrinen Systeme, einige sind krebserregend“, sagt Krause. Über das
       endokrine System steuert der Körper mit Hormonen komplexe Körperfunktionen.
       
       ## Was erreicht werden soll
       
       Das Abkommen soll die Produktion, das Design und die Entsorgung von Plastik
       umfassen. Es soll weniger produziert werden, Produkte sollen möglichst
       mehrfach verwendet und recycelt werden können, und was übrig bleibt, soll
       umweltschonend entsorgt werden. Wie das gehen soll, ist umstritten. „Es ist
       Zeit für Mut, nicht Kompromisse“, sagt Florian Titze vom WWF. „Ein Abkommen
       auf kleinstem gemeinsamen Nenner [2][wird die Plastikkrise nicht lösen].“
       
       ## Die Knackpunkte
       
       Eine Reihe Länder wollen möglichst nur Absprachen zur Abfallbeseitigung und
       keine Produktionsbeschränkungen. Umstritten ist auch, ob nur gewünschte
       Ziele oder klare, verbindliche Maßnahmen festgelegt werden. Gestritten
       wird, wer wie viel zur Finanzierung etwa für Recyclinganlagen in ärmeren
       Ländern beiträgt: Regierungen oder Herstellerfirmen oder eine Mischung aus
       beidem.
       
       ## Die Ehrgeizigen
       
       Mehr als 100 Länder von Antigua und Barbuda bis Vanuatu haben sich für
       einen starken Vertrag mit klaren Auflagen auch zur Begrenzung der
       Produktion ausgesprochen, darunter die EU sowie viele afrikanische,
       asiatische und lateinamerikanische Staaten. Sie machen aber nur 30 Prozent
       des Marktanteils und ein Viertel der Weltbevölkerung aus. Die rund 300
       Firmen und Finanzinstitutionen der „Unternehmerkoalition für einen
       ehrgeizigen Plastikvertrag“ sind auch für einen „robusten Vertrag mit
       globalen Regeln und einheitlichen Verpflichtungen“. China, das Land mit der
       größten Plastikproduktion, habe national schon Produktionsbeschränkungen
       geplant.
       
       ## Die Bremser
       
       Die meisten Kunststoffe werden aus Öl hergestellt, deshalb [3][verhindern
       vor allem die Ölstaaten einen ehrgeizigen Vertrag], darunter Iran,
       Saudi-Arabien, die Golfstaaten und Russland. Sie wollen nur über Müll und
       Recycling sprechen. Die US-Regierung unter Donald Trump schafft
       Regulierungen aller Art gerade ab. „Dadurch hat sich die Lage bei den
       Verhandlungen nicht gerade vereinfacht“, heißt es aus Verhandlerkreisen.
       Die USA sind mit China die größten Herstellerländer von Plastik – in Europa
       ist es Deutschland.
       
       ## Die Verhandlungen
       
       Sollte es eine Einigung geben, gäbe es nächstes Jahr eine diplomatische
       Konferenz zur Unterzeichnung. Die Ratifizierung in den einzelnen Ländern
       dürfte mehrere Jahre dauern. In Genf werden Vertreter von mehr als 160
       Staaten erwartet, ebenso hunderte Teilnehmer von Umweltorganisationen und
       Industrielobby-Verbänden. Deutschland ist mit einer Delegation vor Ort
       vertreten, aber die EU verhandelt für alle Mitgliedsstaaten.
       
       5 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Konferenz-soll-Loesungen-finden/!6101836
 (DIR) [2] /Erdueberlastungstag-immer-frueher/!6103493
 (DIR) [3] /Verhandlungen-in-Suedkorea/!6053907
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Plastikmüll
 (DIR) Vereinte Nationen
 (DIR) Mikroplastik
 (DIR) Umweltschutz
 (DIR) Plastik
 (DIR) Ozean
 (DIR) Plastikmüll
 (DIR) Plastik
 (DIR) Umweltschutz
 (DIR) Plastik
 (DIR) Umweltschutz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Weltmeere im Stress: Hitzewellen in den Ozeanen
       
       Die Meere erwärmen sich immer schneller, Nord- und Ostsee ganz besonders.
       Das geht aus dem Statusbericht des Copernicus Marine Service hervor.
       
 (DIR) Scheitern der Plastikkonferenz: Eine Katastrophe, die wir noch nicht überblicken können
       
       Eine Einigung bei der Plastikkonferenz wäre dringend nötig gewesen. Mit
       Recycling ist den immer größer werdenden globalen Plastikbergen nicht
       beizukommen.
       
 (DIR) Weltweites Plastikabkommen: Jeder Vertrag ist besser als kein Vertrag
       
       Berge und winzige Partikel von Kunststoffen verschmutzen Meere und Natur.
       Jetzt muss sich zeigen, ob die internationale Diplomatie noch funktioniert.
       
 (DIR) Konferenz soll Lösungen finden: Gefährlicher Plastikmüll
       
       Mikroplastik ist noch bedrohlicher als angenommen, warnen Forscher:innen
       – und hoffen auf die am Dienstag beginnende UN-Plastikkonferenz in Genf.
       
 (DIR) Verhandlungen zum UN-Plastikabkommen: „Wir brauchen Obergrenzen für die Plastikproduktion“
       
       Die negativen Auswirkungen von Kunststoffen auf Mensch und Umwelt seien
       schon jetzt kaum zu beherrschen, sagt Annika Jahnke. Sie setzt auf die UN.
       
 (DIR) Erdüberlastungstag immer früher: Menschen haben natürliche Ressourcen für 2025 aufgebraucht
       
       Diesen Donnerstag haben die Menschen rechnerisch alle natürlichen
       Ressourcen aufgebraucht, die die Erde 2025 bereitstellen kann.