# taz.de -- Urlaub in Ost und West: Geteiltes Land, geteilte Ferien?
       
       > Wie prägte die Teilung das Reiseverhalten der Deutschen? Simone
       > Schmollack und Andreas Rüttenauer im Gespräch über Ferien, Fernweh und
       > Freiheit.
       
       In der aktuellen Folge „Mauerecho“ spricht Dennis Chiponda gemeinsam mit
       den taz-Redakteur*innen [1][Simone Schmollack] und [2][Andreas Rüttenauer]
       über Urlaub und Reisen in Ost und West. Wie unterschiedlich sind die
       Erinnerungen an Urlaube in der Kindheit? Welche Orte weckten Fernweh? Und
       gab es Reisen in den jeweils anderen deutschen Landesteil?
       
       Schmollack ist 1964 in Ost-Berlin geboren und im Prenzlauer Berg
       aufgewachsen. Sie ist Buchautorin, arbeitete als Journalistin für mehrere
       Printmedien und war von 2017 bis 2018 Chefredakteurin des „Freitag“. Seit
       2009 ist sie Redakteurin bei der taz. Inzwischen leitet sie dort das
       Meinungsressort. Rüttenauer, Jahrgang 1968, wuchs in München-Schwabing auf.
       Zunächst als Kabarettist aktiv, kam er 2001 als Redakteur zur taz, war dort
       kurzzeitig auch Chefredakteur und ist heute Leiter der Ressorts Sport,
       Wahrheit und Wissenschaft.
       
       Zu Beginn des Podcasts geht es um Erinnerungen an die ersten
       Familienurlaube. Schmollack erinnert sich, dass ihre Familie meist mit dem
       Trabi in den Campingurlaub nach Usedom gefahren ist. Rüttenauers erste
       Urlaube führten nach Tirrenia in der Toskana. Zelten sei in seiner Familie
       undenkbar gewesen. In seiner Schule in München-Schwabing habe es ein paar
       Kinder aus Arbeiterfamilien gegeben, die zum Camping nach Jugoslawien
       gefahren seien. Diese seien in seiner Klasse jedoch von denen verhöhnt
       worden, deren Eltern ein Ferienhaus in der Toskana oder auf Elba besaßen.
       Schmollack stellt einen Ost-West-Unterschied fest: Es habe in der DDR zwar
       auch einen gewissen Standesdünkel gegeben, jedoch in einem geringeren
       Ausmaß, da die sozialen Unterschiede geringer waren.
       
       Außerdem geht es ums Fernweh. Dieses sei bei Schmollack durch das
       Westfernsehen geweckt worden. „Was mich bis heute geprägt hat – das klingt
       vielleicht ein bisschen kitschig –, war dieses Sehnsuchtsgefühl Amerika“,
       erzählt sie. „Dieses riesengroße Land, das nicht zu fassen ist und das für
       uns Ossis ja wirklich der Inbegriff von Freiheit war.“ Fernweh habe
       Rüttenauer weniger verspürt. „Vielleicht ist die Sehnsucht nicht so groß
       gewesen, weil wir sowieso die Möglichkeit hatten, überall hinzufahren.“ Als
       er begann, alleine zu verreisen, habe es ihn wieder in die gleichen Orte
       verschlagen, in denen er auch mit seinen Eltern Urlaub gemacht habe.
       
       ## Als Westdeutscher an den Balaton
       
       Seine erste Flugreise habe er erst nach dem Abitur unternommen. Seine
       Großmutter habe ihm damals eine Studienreise in die Sowjetunion spendiert.
       „Mit 20 Seniorinnen und Senioren!“ Seine Kinder hingegen seien damit
       aufgewachsen, dass es ganz selbstverständlich sei, in den Urlaub zu
       fliegen. In seiner Kindheit und Jugend habe das kaum jemand gemacht.
       
       Einmal habe auch Schmollacks Familie eine Auslandsreise gemacht, einen
       dreiwöchigen Urlaub am Balaton in Ungarn. In der DDR sei das jedoch immer
       mit großem organisatorischem Aufwand verbunden gewesen. Beispielsweise
       durfte man nur einen kleinen Betrag Bargeld umtauschen, deshalb gab es für
       das Essen im Hotel Coupons, die vorab bezahlt wurden. Dadurch seien sie
       jedoch auch davon abhängig gewesen, in der Nähe des Hotels zu bleiben, da
       für Restaurants und andere Aktivitäten das Geld nicht reichte. „Ich glaube,
       dass meine Eltern das Gefühl hatten: Wir haben jetzt hier kein Geld, wir
       sind ein bisschen minderwertig.“
       
       Auch Rüttenauer war 1987 am Balaton. Er erzählt, wie unangenehm es ihm
       damals gewesen sei, andere westdeutsche Touristen dort zu sehen, die das
       Geld ostdeutscher Frauen ausnutzten.
       
       ## Deutsch-deutscher Tourismus?
       
       War die DDR für Westdeutsche ein Urlaubsland? Nein, meint Rüttenauer. In
       der Schule sei er im Geschichtsunterricht an die Grenze gefahren, um mit
       dem Fernglas in die DDR zu schauen. Danach hätten sie einen Tagesausflug
       nach Eisenach in Thüringen gemacht. Eigentlich sei das Ziel der Lehrkräfte
       gewesen, ihnen zu zeigen, wie schlimm es „dort drüben“ sei. „Wir sollten
       keine Menschen sehen, sondern dieses Konstrukt im Osten.“ Chiponda
       überlegt, dass in dieser Indoktrination auch eine Ursache dafür liegen
       könnte, warum viele Westdeutsche wenig sensibel mit den Erfahrungen
       Ostdeutscher umgehen.
       
       Schmollack ist zu DDR-Zeiten nie in den Westen gereist. In Ausnahmefällen,
       wie zu Trauerfeiern oder runden Geburtstagen, war das für manche
       DDR-Bürger*innen gestattet. Sie und auch ihre Eltern seien dafür zu jung
       gewesen. Ihre Großmutter sei die Einzige gewesen, die über die Grenze
       durfte. Im Nachhinein habe sich die ganze Familie bei ihr versammelt, um zu
       erfahren, wie es im „goldenen Westen“ gewesen sei. Im Kontrast dazu erzählt
       Rüttenauer, dass sich im Westen niemand für seine Ostreisen interessiert
       habe.
       
       Beide erzählen, dass sie nach dem Mauerfall viel durch den Landesteil
       gereist sind, der für sie vorher gar nicht oder nur schwer zugänglich war:
       Schmollack im Westen durch das Ruhrgebiet, Rüttenauer im Osten an die
       ostdeutsche Küste. Vor der Währungsunion sei das jedoch auch mit
       Schwierigkeiten verbunden gewesen, erzählt Schmollack. Wer kein Westgeld
       hatte, war immer auch abhängig von den Leuten, die man besuchte.
       
       Was hat sich in den letzten Jahren beim Reisen verändert? Schmollack sagt,
       sie achte viel mehr darauf, wenig zu fliegen. Trotz Fernweh verzichte sie
       daher eher auf weite Reisen auf andere Kontinente und fahre auch in Europa
       ausschließlich mit dem Zug. Chiponda stellt fest: „Es gibt auf einmal eine
       Reiseethik. Da hat man früher einfach nicht so drüber nachgedacht.“
       
       „Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [3][taz Panter Stiftung].
       Er erscheint jede Woche Sonntag auf [4][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo
       es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
       
       3 Aug 2025
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dennis Chiponda
       
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